Spielgewordener Albtraum

Spec Ops: The Line Geschichte: Dubai wurde von Sandstürmen heimgesucht, welche die Stadt unbewohnbar gemacht haben; die Einwohner sind großteils...

von ck001 am: 18.01.2015

Spec Ops: The Line

Geschichte:

Dubai wurde von Sandstürmen heimgesucht, welche die Stadt unbewohnbar gemacht haben; die Einwohner sind großteils geflohen, nur wenige halten sich noch in den Straßen auf. Eine US-Einheit, die sich selbst "Damned 33rd" nennt, hatte die Aufgabe, eine geordnete Evakuierung durchzuführen. Als ihnen der Abzug angeordnet wurde, verweigerte ihr Anführer Col. Konrad den Befehl, er wollte die Menschen, die seine Hilfe benötigten, nicht aufgeben. Einige Zeit später wird ein Funkspruch abgefangen, in welchem er eingestand, dass der Versuch der Evakuierung ein kompletter Fehlschlag war. Die US-Regierung entsendet einen Drei-Mann-Trupp der Delta Forces wird entsandt, um Kontakt aufzunehmen, doch schon in den ersten Minuten nach ihrer Ankunft wird das kommende Desaster eingeleitet, für Walker und seine Männer beginnt der Abstieg in die Hölle, umgeben vom Wahnsinn des Krieges, der langsam aber sicher auch ihnen Besitz ergreift. Denn Krieg bleibt immer gleich.

Atmosphäre:

Dubai, das Juwel der Vereinigten Arabischen Emirate, bedeckt vom immerwährenden und allgegenwärtigen Sand, heimgesucht von seinen Stürmen, geblendet und abgeschnitten von der Außenwelt. Der Spieler passiert mit Luxuskarrossen verstopfte Autobahnen, ihre toten Fahrer sind Zeugen der Hilflosigkeit angesichts einer beispiellosen Umweltkatastrophe, denn kein technisches Spielzeug konnte sie retten, die Wüste forderte ihren Tribut und die Menschen zahlten mit Blut. Verwesende Kadaver von Mensch und Tier allerorts, gefundes Fressen für die zahlreichen Aasgeier, verlassene Appartments, letzte Reste von Reichtum verschwinden langsam, aber sicher unter einer stetig ansteigenden Dünenlandschaft, selbst die höchsten von Menschen gebauten Häuser bieten keinen Schutz.

Schon der Start-Bildschirm bietet einen Ausblick auf das folgende Erlebnis, er zeigt im Hintergrund die Stadt in der Gewalt des Sandes, Dünen, die an den Wolkenkratzer emporzuklettern scheinen, während im Vordergrund eine zerfetzte Flagge der USA im Wind weht, während Jimi Hendrix´ Version der US-amerikanischen Nationalhymne der geradezu zynischen Untermalung dient. Auch während der Erkundung der Stadt und bei den zahlreichen Feuergefechten verstärkt eingespielte Musik der 60er und 70er das Geschehen, so dass sich der Spieler dahingehend an die zahllosen Filme des verlorenen Krieges in Vietnam erinnert fühlt. Und es ist auch kein Geheimnis mehr, dass eine der Inspirationsquellen "Herz der Finsternis" darstellt, welches unter dem Namen "Apocalypse now" neu interpretiert und verfilmt wurde. Auch wenn ich mangels der Kenntnis des Buches nicht zu sagen vermag, worauf sich das Spiel Spec Ops: The Line mehr bezieht, so möchte ich doch meinen, dass die oft drastische Darstellung der Wirren des Krieges, blinden Gehorsams und falschen Heldentums den berühmten und offensichtlichen Vorbildern kaum nachsteht. Und ich vermag auch nicht zu sagen, ob die Randabdunklung des Bildes in Verbindung mit dem vor allem in den Cut-Scenes eingesetzten Effekt einer Handkamera nur der realistischen Darstellung oder vielleicht nicht zuletzt auch ein Sinnbild der Eigenheit des Krieges verdeutlicht, nämlich nur begrenzt sehen oder, anders ausgedrückt, erkennen zu können. Denn all das, was Walker, Lugo und Adams wahrnehmen, entspricht nur einem Teil des Gesamtbildes von Wahrheit und Wirklichkeit, während andere, wichtige Teile im Dunkeln bleiben, ausgeblendet und erst gegen Ende enthüllt werden.

Angesichts verwesender Leichen, Massengräbern, gelynchter und verstümmelter Soldaten und Rebellen fällt es wohl auch ausgebildeten Soldaten schwer, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und so verschließen sie sich dem Irrsinn, doch nichts beschützt ihren Geist, denn jede Barriere wird niedergerissen vom nächsten Akt der Gewalt. Und während sie die drei ihren Weg bahnen, werden sie von Durchsagen eines Radiomoderators verhöhnt und auch Konrad meldet sich immer wieder über ein gefundenes Funkgerät zu Wort.

Der Inszenierung wird Vorrang gegenüber Logik eingeräumt, so setzt das Spiel auf enge Schlauchlevel und die Feinde verhalten sich auch untypisch für Elitesoldaten, beispielsweise bei einer Helikoptersequenz fliegen sie parallel zum Hubschrauber der Delta-Force-Truppe und geben somit ein leichtes Ziel für deren Minigun ab, anstatt sich hinter sie zu setzen und sie mit den vorhandenen Raketen vom Himmel zu holen.

Der Thematik entsprechend fällt auch der Grad an Gewaltdarstellung aus. Das Spiel geizt nicht damit, verstümmelte Leichen und Sterbende zu zeigen, ein Kopfschuss wird nicht nur durch eine Verlangsamung der Zeit (optisch und akustisch) dramatischer inszeniert sondern erzeugt auch das, was Anthony Swofford (Jarhead) während seines Einsatzes versagt blieb: er verwandelt den Kopf in eine rote Wolke aus Blut.

Der Brutalität des Krieges gerecht werdend kann Walker am Boden kriechende tödlich Verwundete exekutieren, anders sieht es aus, wenn das Spiel es von ihm an manchen Stellen verlangt – der Spieler wird nicht gefragt, wie er die Situation handhaben möchte, es lässt ihm einfach keine Wahl (was vor allem gegen Ende hin in einem neuen Kontext erscheinen mag). Wenn der Spieler den am Boden liegenden Kontrahenten nicht tötet, steht dieser immer wieder auf und versucht seinerseits Walker zu töten.

Gameplay:

Spec Ops: The Line ist ein Third-Person-Shooter mit Deckungsmechanik. Der Spieler übernimmt die Kontrolle von Capt. Walker und kann seinen Gefährten Lugo und Adams Befehle erteilen, welche diese an die Bedingungen angepasst ausführen, so setzen sie je nach Art des auszuschaltenden Gegners angemessene Waffen ein, beispielsweise werden weit entfernte Feinde vom Spieler markiert und von Lugo mithilfe seines Scharfschützengewehres eliminiert, bei Gruppen von Gegnern benutzen sie je nach Situation auch Blendgranaten. Beide sind kampfstark und können im Allgemeinen auf sich selbst aufpassen, doch ihnen sind Grenzen gesetzt. Gehen sie zu Boden bleibt dem Spieler zirka eine Minute, in der er entweder dem noch kämpfenden Kameraden den Befehl zur Versorgung des Gefallenen mittels einer Adrenalinspritze, über die alle drei in unbeschränktem Ausmaß verfügen, erteilt oder er selbst hineilt und ihm wieder auf die Beine hilft. Einzig in den hin und wieder auftauchenden Sandstürmen kann der Spieler keine Befehle erteilen, da im Lärm Befehle nicht verstanden oder fehlinterpretiert werden können. In diesen Fällen ist Walker mehr oder weniger auf sich gestellt, bei schlechter Sicht und unter Beschuss Freund von Feind unterscheiden zu können.

Walker heilt zwar dem Standard entsprechend in Deckung automatisch, geht er jedoch zu Boden, ist das Spiel vorbei, keiner seiner Begleiter kann ihn wiederbeleben. Und er hält nicht viel aus, ich fand den Schwierigkeitsgrad gehoben.

Wie bereits erwähnt spielt Deckung eine wichtige Rolle, allerdings kann so manch vermeintlich sicheres Versteck unter Dauerbeschuss auch zerstört werden, das gilt für die anrückenden Truppen ebenso wie für Walker und seine Mannen. Einschränkend muss man aber auch sagen, dass zwar etliche Elemente auf Beschuss reagieren, jedoch vieles unversehrt bleibt und auch Granaten standhält.

Dem Trupp steht realistisches Kriegsgerät wie der bekannte M4-Karabiner und die Kalashnikov zur Verfügung, dazu gibt es noch Schrotflinten, Maschinenpistolen und Granaten (Splitter-, Haft- und Blendgranaten). Im Großen und Ganzen ist die Auswahl überschaubar, dafür verfügt jedes Modell über Vor- und Nachteile sowie mitunter auch über einen sekundären Feuermodus, beispielsweise einen Granatwerfer, einen Schalldämpfer oder ein Laserzielsystem. Die Waffen verfügen über eine beschränkte Reichweite für maximalen Schaden, erkennbar am "Fadenkreuz", das sich je nach Waffenwirkung von dunkelrot zu hellrosa verfärbt. Dem entgegen steht eine mitunter zu hohe Zielgenauigkeit, so scheint ein Micro-SMG auch auf mittlere Distanz noch sehr zielgenau, kein Anzeichen einer Streuung. Walker kann zwei beliebige Waffen mit sich führen, Munitionsknappheit stellt allerdings vor allem in längeren Feuergefechten einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar, aber man kann gefallenen Feinden ihre Waffen abnehmen, zudem findet man immer wieder auch Munitionskisten.

Von Zeit zu Zeit klemmt Walker sich auch hinter ein stationäres Geschütz, einerseits an Bord eines Helikopters, andererseits gibt es auch in den Levels verteilte schwere Maschinengewehre. Benutzt Walker eine Bodenwaffe, so kann er durch Verzicht auf genaues Zielen auch in Deckung gehen.

In den Levels verstreute Tonbänder geben Auskunft über die Hintergrundgeschichte und eröffnen auch den einen oder anderen Gedanken Walkers.

Die Spieldauer ist relativ kurz (beim ersten Durchgang hatte ich lt. Steam noch zehn Stunden benötigt, beim zweiten zwischen sechs und sieben), erscheint mir aber angemessen – die Geschichte wurde erzählt, weder zu lang noch zu kurz.

Technik:

Konfiguration: Win 7/64, Intel i5-750, Radeon HD5770 (Treiber 14.9) und 4 GB, Auflösung 1680 x 1050.

Selbst bei höchsten Einstellungen wirken Texturen noch verwaschen, weniger die des Teams, als vielmehr diejenigen der Umgebung. Auch Kantenflimmern scheint mir relativ stark ausgeprägt. Dafür zeigt die Unreal Engine, dass sie mehr drauf hat, als comic-artig geformte Figuren, wie man es von anderen Titeln durchaus gewohnt ist. Die Überstrahl- und Partikeleffekte wie auch die Lichtstimmung finde ich auch heute noch nett anzusehen. Die Animationen sind ebenfalls gelungen.

Dafür glänzt die KI mit ihrer Abwesenheit. Während man von unausgebildeten Rebellen ein kopfloses Vorgehen vielleicht noch erwarten kann, sollten Elitesoldaten nicht allein auf das Kaliber ihrer Waffen und ihre schiere Anzahl vertrauen. Zumal gibt es wie in Call of Duty Stellen, die der Spieler einfach passieren muss, damit es weitergeht, beispielsweisen wurden Lugo und Adams beschossen und Walker fiel die Aufgabe zu, den Angreifern in die Flanke zu fallen. Das Problem: Man kann die Gegner sehen und auch leicht ausschalten, nur werden sie immer wieder ersetzt, erst wenn man an der vorgesehenen Stelle auftaucht, ebbt die Verstärkung ab.

An anderer Stelle (gleiches Level) zeigt sie wieder Schwächen (wobei ich meine, dass es jetzt nicht unbedingt die Schuld der KI ist, aber es fällt durchaus in die Kategorie unglaubwürdiges Verhalten): Lugo und Adams befinden sich umgeben von Feinden auf einem Plateau eines Hochhauses, Walker befindet sich hinter einem stationären Geschütz auf der anderen Seite und gibt ihnen Feuerschutz. Die Feinde stürzen sich allesamt auf die beiden, während sie Walker nicht behelligen, obwohl die Distanz für Sturmgewehre kein Problem darstellen sollte.

Immerhin ist die KI von Lugo und Adams gelungen, sie gehen automatisch in Deckung und setzen sich nicht unnötig feindlichem Beschuss aus.

Die Sprachausgabe (sehr gelungen) ist auf englisch, ergänzt durch deutsche Untertitel, die allerdings des öfteren nicht mit dem gesprochenen Text übereinstimmen, ja, ich weiß, manches geht in der Übersetzung verloren, wenn dann allerdings beispielsweise Zahlenreihen nicht übereinstimmen oder manches einfach gar nicht übersetzt wird, finde ich den Störfaktor doch unnötig. Das mag weniger wichtig erscheinen, ich wollte es aber auch nicht auslassen.

Die Steuerung ist grundsätzlich gelungen und orientiert sich an gängigen Standards, auch die Maussteuerung ist präzise.

Abschluss:

Es gibt wohl kein anderes Spiel, das so sehr zeigt, wie grausam Krieg ist, wobei vieles noch nicht mal gezeigt wird und es sich genau genommen noch nicht mal um Krieg handelt. Die Geschichte manipuliert auch den Spieler (ich denke dabei an die Helikopter-Sequenz), lässt ihm aber auch kaum eine Wahl hinsichtlich der Exkutionen. Es verdeutlicht Walker Abstieg ebenso wie sein gegen Ende hin blutverschmiertes Gesicht und sein geschundener Körper. Und auch Adams und Lugo begleiten ihn in die Abgründe des Wahnsinns, anfangs noch großmäulig, später immer verbitterter.

Die KI enttäuscht zwar und die zu Grunde liegende Mechanik entspricht dem üblichen Standard, aber im Kern sind sie nur Mittel zum Zweck, die Geschichte zu erzählen – und damit ist Yager ein Meisterstück gelungen, das seinesgleichen sucht und vermutlich hinsichtlich der Eindringlichkeit kaum übertroffen werden kann. Spec Ops: The Line hat sich einen Platz im Spiele-Olymp verdient.


Wertung
Pro und Kontra
  • Geschichte und Erzählung
  • verwüstetes Dubai
  • gute Steuerung
  • Sprachausgabe und Animationen
  • kampfstarke Begleiter
  • musikalische Untermalung
  • KI
  • kleinere Unstimmigkeiten bei der deutschen Übersetzung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(3)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.