Spiel's noch einmal, Sam...

An 'Call of Duty' kommt man anscheinend einfach nicht vorbei. Nachdem schon 'Battlefield Bad Company 2' überraschend viele Parallelen geboten hat, darf man nun...

von GROBI75 am: 08.05.2010

An 'Call of Duty' kommt man anscheinend einfach nicht vorbei. Nachdem schon 'Battlefield Bad Company 2' überraschend viele Parallelen geboten hat, darf man nun auch in 'Splinter Cell Conviction' nach Altbewährtem Ausschau halten. Also ist auch hier im Informationszeitalter ein großangelegter EMP-Anschlag attraktiver als eine pisselige Atombombe. Es gibt Ausflüge in die Kriege des nahen Osten und hat Einsätze im (beeindruckend!) apokalyptischen Washington. Aber im Gegensatz zu 'Modern Warfare 2' und 'Bad Company 2' ist's diesmal persönlich!

Sam Fisher muss also nicht nur die USA vor ihrem Untergang bewahren, sondern auch noch seine totgeglaubte Tochter Sarah ausfindig machen. Und da kann man den Eindruck bekommen, dass Ubisoft Montreal in Sachen Story etwas zu viel des Guten wagt.
Ich mochte die alten SC-Spiele wegen ihrer Spielmechanik. Das Stealthen ist das Snipern im Action-Genre. Unentdeckt bzw. hinterlistig arglose Gegner ausschalten, das ist zuweilen schon ein erhebendes Gefühl. Sam Fisher war mir allerdings fremd. Er kämpfte im Dienste der Regierung, auch wenn er in 'Double Agent' etwas differenzierter dargestellt wurde, aber es waren halt nur Jobs. Er war nur ein Beamter mit wenig Persönlichkeit, lediglich seine Fähigkeiten zeichneten ihn aus.
Diesmal bekommt er eine eigene Geschichte und die Jagd nach seiner Tochter hätte als Storyline problemlos ausgereicht. Sie rechtfertigt auch Sams zuweilen ausgesprochen brutales Vorgehen in den Verhören. Man kann es ihm nicht übelnehmen, wenn er Schädel auf Urinalen knackt oder Leute 'sichert', indem er ihnen die Kniescheiben zerschiesst. Im Dienst einer Regierung wäre es sadistisch, im Fall seiner Tochter verständlich. Leider verspielt dieser Handlungsstrang etwas seinen emotionalen Unterbau, weil Sam auch noch anderen Freunden bzw. Bekannten beistehen muss, das verwässert den Plot etwas, aber alles bleibt homogen und ausgewogen. Trotzdem ist es ausgerechnet sein Kumpel Vic, der dann doch den besten Auf- bzw. Abtritt hat.

Erzählt wird die Geschichte ausgesprochen mutig. Das ganze Spiel ist als Rückblende aus der Sicht von Vic konzipiert, erläuternde Szenen, Missionsbeschreibungen oder Sams Gedankenwelt werden unmittelbar in die Spielumgebung projiziert. Was mir anfangs etwas sehr artifiziell erschien, entpuppt sich als revolutionäres Storytelling-Element! Es gibt daher keine geographischen Sprünge, das ganze Spiel dreht sich - unterstützt von fehlenden Lade-Screens - nur um Fisher und verliert ihn mit dieser Erzähltechnik nie aus dem Auge. Ausser in genau drei Situationen, bei denen es um besagten Vic geht, was seinen überschauberen Erscheinungszeitraum dadurch nachhaltig macht.
Eine fast übertrieben agile Handkamera zeigt Zwischensequenzen, in der die allgegenwärtige Gewalt mit aussergewöhnlicher Feinfühligkeit gebrochen wird. Wenn Sam einen fingierten Kampf mit einer Frau bestreitet, braucht es nur wenige Bewegungen und angedeutete Blicke, um die Beklemmung und Zerrissenheit dieser Situation zu vermitteln. Klasse!

Man merkt also das ausgeklügelte Konzept. Es braucht daher nur ein winziges Tutorial um Sams Arbeitsweise einzuführen, das auch noch nebenher mit erstaunlicher Lässigkeit die emotionale Basis der gesamten Story bereitet. Und auch während des Spiels werden die Macher nicht müde Neues auszuprobieren. SCC ist im Grunde ein Gesamtkunstwerk. Deshalb wird mit befremdlichen Avantgarde-Rock eine kurze Passage unterlegt, eine simple Fahrt in einem Fahrstuhl wird eine Reise in den Abgrund und ein Wutausbruch Sams 'missbraucht' auf dramatische Weise sein neustes 'Mark&Execute'-Talent.

Sam ist nämlich neuerdings ein Scharfschütze geworden, der in bestimmten Situationen nie sein Ziel verfehlt. 'Mark&Execute' beschreibt eine weitere schöne Idee: das Markieren von bis zu vier Gegnern, die Sam per Knopf der Reihe nach zu Boden schickt. Klingt simpel, ist aber auch eine strategische Notwendigkeit. Um diese Funktion einzusetzen, muss zuvor ein Nahkampf gewonnen werden, was unzählige Herangehensweisen bietet, aber ich wäre auch enttäuscht gewesen, hätte man sie einem SC vorenthalten.
Die KI-Schergen sind schon recht gewitzt und agieren ähnlich wie die Opfer in 'Batman Arkham Asylum'. Sie schreien nach Rache beim Entdecken von gefallenen Kollegen und es macht Spaß anzusehen, wie sie sich etwa an einen vom Spieler (bewusst) ausgelöstem Autoalarm vorsichtig an das Fahrzeug heranpirschen. Das Stealthen fühlt sich wesentlich dynamischer an, als in den vorherigen Teilen. Man checkt keine KI-Routen, sondern beobachtet (gescriptete) Situationen und kann wesentlich schneller einschreiten, muss nicht mehr auf den einen guten Moment warten. Alles wirkt intuitiver, weil auch das grade noch sichtbare Vorbeihuschen in die Deckung nicht gnadenlos mit Sperrfeuer wie in einem 'Riddick' quittiert wird. Die Jungs sind aber recht treffsicher und da ein Pulli schlecht vor Kugeln schützt, fühlt man sich trotz Markierungs-Möglichkeit und dem Verschwinden in den Schatten nie overpowered. Das erste Durchspielen bestritt ich auf 'normal' ausschliesslich schleichend, was zuweilen schon recht fordernd war und die Spieldauer fair in die Höhe schraubt.

Die Levels sind größtenteils aufgebaut wie Spielplätze, die viele Optionen bieten, an denen Sam sich austoben kann und mehrmaliges Durchspielen anbieten. Bemerkenswert ist die Liebe zum Detail, die in die Ausstattung gesteckt wurde. Triste Umgebungen gibt es nicht und jedes Setting hat seine 'Kleinigkeiten'. Seien es herumwirbelnde Blätter, wenn man in einen Papierstapel schiesst oder kleine Feuerwerke, wenn man einen Marktstand mit Sylvester-Raketen beharkt.
Nach dem ersten schleichenden Durchspielen habe ich das Spiel nochmal als Vorschlaghammer fast nur mit Waffengewalt bestritten. Das ist schon witzig, was da alles drinsteckt. Alleine die Möglichkeiten, die man mit einem Gegner im Schwitzkasten hat. Und wenn man sich mit purer Bleipower durchholzt, spielt man ein 'Stranglehold 2'. Hätte ich anfangs nicht gedacht, wie viel Action eigentlich drinsteckt. Dann dauert das Game zwar auch nur halb so lange - wenn man es eben nicht elegant angehen mag - hat aber ungeahnten Wumms.

Jetzt aber doch noch etwas Gekrittel...
Das Laufen ist suboptimal, denn man muss sich dafür 'durchklicken'. Wenn man in der Deckung entdeckt wird kann man sich zuerst nur wegschleichen, nach einmal drücken der Shift-Taste *geht* Sam in Deckung, erst beim zweiten Shiften rennt er - manchmal schon zu spät und sieht halt blöd aus. Zwar eine Gewöhnungssache, aber das kann man besser lösen.

Ausserdem sieht mir Sam immer noch zu gepflegt aus! Hätte ich seinen Pennerlook in den vorherigen Konzepten nicht gesehen, wäre es mir vielleicht egal gewesen, aber was hätte das Ding für einen Stil gehabt, wenn ein komplett Abgewrackter rumwütet, dem man das optisch überhaupt nicht zutraut. Hoffentlich nimmt Max Payne nicht die gleiche Wendung und gibt wieder den langweiligen Saubermann. Dann bleiben mir wirklich nur noch Kane & Lynch. Bittebitte als MP-Skin nachreichen!
Ausserdem empfehle ich die deutsche Version, denn die ist nicht auf den englischen Importen und was teilweise an Infos runtergerasselt wird, da hakt's bei mir als Nicht-Muttersprachler zu oft.

Letztenendes kann ich das neue 'Splinter Cell' jedem wärmstens ans Herz legen, der sich auch nur entfernt für's Stealth-Genre interessiert und dem diese Einlagen in 'Batman' schon Spaß gemacht haben.
Ja, der Dunkle Ritter ist ein besserer Prügler. Aber weil er nur in edler Absicht für das Gute kämpft macht ihn das als Figur reichlich langweilig. Sam hingegen kennt keine Grenzen, um seine Tochter zu finden - das ist schon ungleich sexier...

Eine kurze Bemerkung zum MP: da ist noch mehr drin! Man darf da keinen Battlefield-Umfang erwarten, aber es ist zu oft Glückssache, wenn überhaupt mal ein Spiel zustande kommt. Muss nicht sein...

Und eine letzte Bemerkung zum Kopierschutz: keine Probleme. Trotzdem Danke an die Torfnasen von Razor, SkidRow & Konsorten und deren Nutzniesser. *IHR* habt mir diesen Kopierschutz eingebrockt - und kein anderer!


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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