Shooter mit Atmosphäreoverkill und kleinen Macken

„Wir haben keine Angst vor denen; die sollten Angst vor uns haben!“ Dies sagte der Stalker-Entwickler GSC Game World auf die Frage eines Spiele-Journalisten, ob...

von - Gast - am: 16.06.2008

„Wir haben keine Angst vor denen; die sollten Angst vor uns haben!“ Dies sagte der Stalker-Entwickler GSC Game World auf die Frage eines Spiele-Journalisten, ob man sich nicht davor fürchte mit „Duke Nukem Forever“ verglichen zu werden. Der den Hintergrund nicht kennende Leser wird sich nun wohl fragen, in welcher Hinsicht man „Stalker“ und „Duke Nukem Forever“ denn bitteschön vergleichen kann. Die Antwort: Die Entwicklungszeit. Obwohl das Spiel bereits im November 2001 angekündigt wurde, erschien es erst am 23. März 2007 und viele hatten die Hoffnung bis zum Gamestar Review in der Ausgabe 03/2007 genau wie bei DNF bereits aufgegeben. Etwas mehr als ein Jahr nach seinem Erscheinen habe auch ich nun Stalker in der aktuellen Version 1.0006 gespielt und um eins vorwegzunehmen: Egal wie lange man auf dieses Spiel gewartet hat, es hat sich wirklich gelohnt!

Audiovisuelles

Auch wenn „Stalker“ schon „ein bisschen angestaubt“ ist, merkt man es seiner Grafik kaum an. Die detaillierten Texturen, die tollen Unschärfeeffekte und vor allem die fast einmalige globale Beleuchtung machen auch heute noch einiges her. Nur bei der mittlerweile etwas schwammigen Vegetation merkt man „Stalker“ sein Alter an. Außerdem haben sich die Animationen natürlich auch nicht verbessert, sprich: in einigen Situationen schwächeln sie.

Beim Sound überzeugt in erster Linie der zwar ausgesprochen kurze, dafür aber umso stimmigere Soundtrack. Auch die tollen deutschen Synchronsprecher hinterlassen einen guten Eindruck. Blöderweise kommen diese nicht wirklich zur Geltung, da die meisten Dialoge nicht vertont sind. Des weiteren hören sich alle Waffen (bis auf die Scharfschützengewehre) etwas flach an.

Balance

Einerseits hat „Stalker“ eine relativ flache Lernkurve: Man kämpft am Anfang meistens nur gegen vier Gegner auf einmal und hat zudem sehr häufig Unterstützung durch andere Stalker.
Zudem wird man durch das Erfüllen von Quests mit Gegenständen belohnt, durch die man es im späteren Verlauf des Spiels einfacher hat. Andererseits hat „Stalker“ gerade in diesem Punkt auch einige erhebliche Macken. Zum einen ist der Schwierigkeitsgrad generell zu hoch. Ich bin jetzt war kein Shooter-Experte, aber ich habe trotzdem so viele gespielt, dass ich mit dem Schwierigkeitsgrad „Einsteiger“ total unterfordert sein sollte. Trotzdem musste ich an einigen Stellen ziemlich kämpfen und ständig neu laden, da einige Situationen einfach unfair sind. So erschienen zum Beispiel in einem unterirdischen Labor wie aus dem Nichts 18(!) feindliche Stalker. Außerdem kann es einem passieren, dass einige Nebenquests durch Zufallsereignisse entweder gelöst oder aber –was um einiges ärgerlicher ist- zerstört werden.
So „scheiterte“ ich an einer Lagerverteidigung bereits wenige Sekunden nach Erhalten dieser Aufgabe, weil der Kommandant des Lager durch eine zufällig vorbeikommende Banditengruppe getötet worden war, wogegen ich aber nichts machen konnte, da ich mich zu diesem Zeitpunkt noch auf dem Weg zu dem besagten Lager befand.

Atmosphäre

Wenn ich eine Sache nennen müsste, die „Stalker“ zu einem „Must-Have“-Titel macht, dann wäre es die Atmosphäre, die ich bisher selten gleichgut oder gar besser erlebt habe. Neben dem grandiosen Soundtrack und der genialen Levelgestaltung (hierzu später mehr) ist es in erster Linie der unfassbare Schrecken, der über dem ganzen Spiel liegt. Man kann einfach an jeder Stelle spüren, was durch eine Katastrophe ähnlich der von Tschernobyl passieren könnte. Ob es nun die tödlichen Anomalien, die verstrahlten Menschen und Tiere oder schlicht und ergreifend die toten, in der Zeit stehen gebliebenen Dörfer und Städte sind…alles ist genau so, wie ich es mir in einem verstrahlten Gebiet vorstellen könnte. Zudem hat die Welt von Stalker ihre eigenen Geschichten und Persönlichkeiten, die alle unterschiedliche Ziele und Meinungen zur Zone haben. Atmosphäreoverkill – das Wort ist hier mehr als angebracht.

Bedienung&Bugs

In Sachen Bedienung hält sich Stalker relativ klassisch: man bewegt sich mit WASD, springt mit der Leertaste und duckt sich mit STRG. Folglich tollt man von Anfang an ohne größere Probleme durch die Zone. Außerdem kann man frei speichern und dank der vielen Patches ist das Spiel nun fast bugfrei (mit Ausnahme eines kleines Grafikbugs, zu dem es beim Speichern in Nähe von Anomalien kommen kann; dann durchziehen weiße Balken das Bild, die allerdings verschwinden, wenn man das Spiel neu startet). Nur zwei Kleinigkeiten sind mir in diesem Punkt negativ aufgefallen. Zum einem zeigt die ansonsten übersichtliche Karte keinen Innenlevels an, weshalb man oft planlos durch unterirdischen Labors irrt. Zum anderen ist das Inventar ein bisschen fummelig. So kann man zum Beispiel beim Verkauf von Gegenständen nicht mehrer Einheiten des gleichen Typs auswählen sonder muss sie schön der Reihe nach einzeln verkaufen. Auch das Wechseln der ausgewählten Waffe ist lästig: es steht nämlich immer nur ein Gewehr zum sofortigen Auswählen bereit; die anderen befinden sich im Rucksack. Da einem bei den teils heftigen Feuergefechten schnell Munition eines Typs ausgeht, muss man häufig das Inventar öffnen um ein Gewehr, das einen Munitionstyp verwendet, den man grad vorrätig hat, in den Gewehrslot zu stecken. Auf die Art verlor ich auch in dem oben erwähnten Kampf gegen die plötzlich auftauchenden 18 feindlichen Stalker mein Vintar BC (dazu später mehr), weil ich es anscheinend aus versehen aus dem Rucksack geworfen habe.

Umfang

Stalker ist für einen Shooter relativ lang: Man braucht mindestens 15 Stunden, um es durchzuspielen. Wer allerdings die Gegend rund um Tschernobyl detailliert auf die vielen versteckten Waffen, Anzüge und Artefakte untersuchen will, sollte schon mindestens 20 Stunden einkalkulieren, da die 10 Level schließlich alles andere als klein sind. Positiv sind mir noch die vielen Rollenspielelemente aufgefallen. Darunter fallen zum Beispiel die verschieden Fraktionen, die verschieden Questgeber und natürlich die Arena. Blöderweise nutzt Stalker hier sein Potenzial nicht aus: Die meisten Nebenquest sind furchtbar eintönig („Töte den“, „bring mir dies“), rollenspieltypische Elemente wie Schlafen, das Reparieren von Anzügen und Autofahren fehlen. Besonders die letzten beiden vermisse ich besonders, da alle Anzüge schnell kaputt gehen (insbesondere beim bockschweren Finale) und die Levels von Stalker wie bereits erwähnt relativ groß sind.

Leveldesign

Um ehrlich zu sein, haben mich die „Baukasten-Level“ von Oblivion nicht gestört; in echt schaut ja auch vieles ungefähr gleich aus. Trotzdem freue ich mich natürlich, wenn bei einem Spiel jedes Level mit viel Liebe zum Detail und mit der Hand gemacht wurde. Und Stalker übertreibt es in diesem Punkt fast schon: Hier ist wirklich jedes noch so kleine Stück Abfall einzigartig. Selbst ein Schrottplatz oder ein einfaches Banditenlager hat seine markanten Details, an denen man sie aus vielen anderen mühelos wieder finden kann. Besonders toll ist auch, dass fast jeder Level Alternativrouten bietet. Zwar trifft man auf einige unsinnige Hindernisse wie zum Beispiel Holztüren(!), trotzdem ähnelt die Bewegungsfreiheit der eines Rollenspiels. In der Tat habe ich wirklich sehr selten schönere Levels gesehen.

KI

Das war eigentlich die einzige wirklich „Enttäuschung“ für mich. Denn einerseits nutzen die Gegner in „Stalker“ zielsicher Deckung und weichen sowohl Granaten als auch normalen MG-Feuer wenn möglich aus. Auch das Fluchtverhalten der Tiere ist wirklich gut gelungen. Allerdings versuchen sie zum Beispiel nie den Spieler einzukreisen oder ihn mit Granaten aus seiner Deckung zu locken. Es kommt auch teilweise zu Aussetzern wie „Friendly Fire“ oder das Nachladen auf freiem Feld. Besonders verärgert hat mich aber die Tatsache, dass einige Stalker wohl offensichtlich „Wall-Hacker“ sind. Ich meine: solange sie mich frühzeitig sehen, geht das noch in Ordnung, gewinnen tue ich meistens trotzdem. Es ist nur extrem lästig wenn ich mal grade zufällig mit einigen verbündeten Stalkern ein Gebiet säubern will, aber die werten Herren einige Feinde „sehen“, die sich in einem nahe gelegenen Keller verstecken, und dann mit auf den Boden gerichteten Waffen regungslos stehen bleiben und drauf warten, dass die Feinde ihr Versteck verlassen. Kommt zwar eher selten vor, ist aber dennoch nervig.

Waffen

In meinem Test zu „Bioschock“ lobte ich bereits die große Anzahl an Waffen. Aber bei „Stalker“ ist das noch um einige Längen besser. Zwar ist das Waffenarsenal an sicht recht konventionell (Pistolen, Schrottflinten, MG-Gewehre, Scharfschützengewehre, Raketenwerfer), dafür gibt es von jedem Bereich ungefähr 5 Vertreter, jeder mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. So ist zum Beispiel das Gaus-Gewehr unglaublich präzise und tötet quasi alles mit nur einem Schuss, die Feuerrate hingegen ist verdammt niedrig und ihr Gewicht hoch. Ganz besonders betonen möchte ich noch das extrem seltene Vintar BC, welches ich oben bereits erwähnt hatte. Bei ihr handelt es sich um eine Mischung aus Scharfschützen- und Maschinengewehr. Auf Einzelschuss gestellt lässt sie weit entfernte Gegner ratzfatz das Zeitliche segnen (und hat dabei eine deutlich höhere Feuerrate als ein normales Scharfschützengewehr!); im Nahkampf richtet sie dank Schnellschuss ein Massaker unter den unvorsichtigen Gegnerhorden an, insbesondere dann, wenn man die Scharfschützenmunition verwendet. Ich jetzt wirklich kein Waffenfetischist, aber das ist wirklich richtig geil.

Handlung

Naja, was soll man großartig sagen? Ein relativ unverbrauchtes Szenario, grandios Zwischensequenzen, eine Vielzahl von Geheimnissen und ein Wahnsinnsfinale…
Stalker lässt es handlungstechnisch an nichts missen. Einzig die Tatsache, dass am Ende bei weiten nicht alle Hintergrundinformationen gelüftet, aber der „Prequel-Nachfolger“ „Clear Sky“ soll das ja eh ändern, so gesehen…
Vielleicht noch ein Wort zu den unterschiedlichen Enden: Es gibt eigentlich nur zwei.
Dabei teilt sich das erste ähnlich wie in „Bioshock“ in fünf „verschiedene“ auf, abhängig von der Spielweise. Da sich allerdings die meisten „Spielbewertungen“ nicht wirklich mit dem Verhalten des Spielers deckt (wer die Anführer der beiden wichtigsten Stalkerfraktionen tötet ist herrschsüchtig?!) und alle Extros grottig sind, ist davon abzuraten. Daher empfehle ich den vorherigen Level gut zu untersuchen um den Auftrag „Geheimes Labor“ zu aktivieren.
Nach einem bockschweren Kampf erhält man neben sehr interessanten Informationen auch eine Frage, die man mit „Nein“ beantworten sollte, da andernfalls wieder ein mieses Extro folgt. Nun kämpft man sich noch ein bisschen weiter und wird zum Schluss mit dem einzigen guten Extro von „Stalker“ belohnt…

Fazit

„Stalker“ hat offensichtliche Macken, da besteht kein Zweifel. Dennoch ist „Stalker“ ein Spiel, dass man gespielt haben sollte und zwar in erste Linie wegen der einmaligen Atmosphären, den fantastischen Levels und dem Waffenarsenal. Deshalb freue ich mich persönlich auch schon riesig auf „Stalker:Clear Sky“ und hoffe, dass ich dort Antworten auf meine überfälligen Fragen finde… und vielleicht sogar eine Vintar BC.
Zum Schluss möchte ich noch klarstellen, dass ich „Stalker“ zwar eine niedrigere Wertung als „Crysis“ gegeben habe, aber trotzdem „Stalker“ für das bessere Spiel halte.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: detaillierte Texturen, globale Beleuchtung
  • Sound: stimmiger Soundtrack, gute Sprecher
  • Balance: leichter Einstieg, 4 Schwierigkeitsggrade
  • Atmosphäre: geniale Gruselatmosphäre, lebendige Welt
  • Bedienung: klassische, eingängige Shootersteuerung
  • Umfang: für einen Shooter sehr lang, viele Quests...
  • Leveldesign: per Hand gemachte, sehr detaillierte Levels
  • KI / Teamwork: weicht aus, nutzt Deckung, Tiere fliehen
  • Waffe: konventionell, aber unglaublich vielfältig
  • Handlung / Multiplayer-Modi: sehr spannend, unverbrauchtes Szenario
  • Grafik: schwammige Vegetation, Animationen
  • Sound: kaum Sprachausgabe, flache Waffensounds
  • Balance: allgemein zu schwer, Zufallsereignisse
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: Karte ohne Innenlevel, Inventargefummel
  • Umfang: ...aber meist lahm, nutzt RPG-Potenzial nicht aus
  • Leveldesign: selten unsinnige Levelbegrenzung
  • KI / Teamwork: kreist Spieler nicht ein, heftige Aussetzter
  • Waffe: -
  • Handlung / Multiplayer-Modi: ungeklährte Geheimnisse

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(1)
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