Seite 2: Geschäftsmodell von Star Citizen - Scheinheilige Kritiker

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Mangel an echter Information

Dagegen sucht man im Rauschen der Textwälder weitgehend vergeblich nach gut recherchierten und informativen Artikeln zum eigentlichen Stand des Projekts. Dabei gäbe es schon jetzt tonnenweise spannende Informationen zur Entwicklung und zu den bereits spielbaren Modulen.

Planeten und Städte in Star Citizen: Konzeptzeichnung von Terras Hauptstadt Prime! Planeten und Städte in Star Citizen: Konzeptzeichnung von Terras Hauptstadt Prime!

Da überrascht es nörgelnde Kritiker, wenn sie erfahren, dass mittlerweile 300 Entwickler an Star Citizen arbeiten. Dass es ein sehr gutes Dogfight-Modul gibt, in dem man schon weit über ein Dutzend Schiffe fliegen kann - und das mit atemberaubender Grafik, extremen Details und enormer Dynamik. Da gibt es seitenweise Hintergrundinformationen zum Universum sowie ein regelmäßig erscheinendes ePaper namens »Jump Point« für diejenigen, die zusätzlich jeden Monat fünf Dollar spenden.

Videoformate wie »Around the Verse«, »Ten for the Chairman« oder »Ten for the Producers« lassen interessierte Unterstützer Fragen an das Team stellen und damit so nahe an die Entwicklung und die Planung des Spiels heran, wie es noch nie zuvor in der Spielgeschichte der Fall war. Jede Woche nehmen sich Mitglieder aus dem Team eine Stunde Zeit, um Fragen im offiziellen Forum zu beantworten. Und welches Studio sonst zeigt wöchentlich die Behebung eines Bugs direkt beim Programmierer? Bringt täglich Konzeptzeichnungen und Screenshots über einzelne Elemente des Spiels?

Work in Progress: Im ePaper »Jump Point« kann man die Entwicklung samt Entwickler-O-Ton verfolgen. Work in Progress: Im ePaper »Jump Point« kann man die Entwicklung samt Entwickler-O-Ton verfolgen.

Ausführliche monatliche Berichte über den Stand der Arbeiten aus allen beteiligten Studios erlauben Einblicke in den Entwicklungsprozess, wie man sie von publishergesteuerten Titeln niemals bekommen würde. In den Foren sind die Entwickler präsent und diskutieren mit den Spielern, sammeln Ideen und setzen sogar Arbeiten von Fans direkt in das Projekt um.

Greyboxing für Squadron 42: Die Fortschritte der Singleplayer-Kampagne werden regelmäßig präsentiert. Hier ist der Pegasus Escort Carrier zu sehen. Greyboxing für Squadron 42: Die Fortschritte der Singleplayer-Kampagne werden regelmäßig präsentiert. Hier ist der Pegasus Escort Carrier zu sehen.

Darüber hört man selten etwas auf öffentlichen Kanälen. Die Spielepresse - national wie international - verwurstet den Neujahrsartikel von Chris Roberts lieber mit einem Zitat, das den Projektgründer arrogant wirken lässt (»Chris Roberts kann sich einen Flop nicht vorstellen«) - anstatt auf den Kern des Schreibens einzugehen, der sich darum dreht, warum er von einem Erfolg überzeugt ist: Weil eine extrem engagierte Community dahinter steht, die das klar definierte Ziel hat, ein komplettes Spieluniversum Wirklichkeit werden zu lassen.

Diese Community ist keinesfalls zerstritten oder unzufrieden mit dem Entwickler Cloud Imperium Games. Im Gegenteil: Sie ist in weiten Teilen konstruktiv darum bemüht, den Entwicklern mit Ideen und sachlicher Kritik dabei zu helfen, dass das Spiel den hohen Erwartungen so gerecht wie möglich wird. Da wird sich in Geduld geübt, obwohl der Multiplayerpart des gerade frisch gepatchten Arena Commander über die Weihnachtsferien mit Bugs zu kämpfen hatte und teilweise unspielbar war.

Da wird den Entwicklern ihr erster Urlaub seit Monaten von Herzen gegönnt, damit sie sich von vielen Überstunden mal richtig erholen können. Und trotzdem verschieben einige aus dem Team ihren Urlaub nochmal um ein paar Tage, nur um Hotfixes hinterherwerfen zu können, die den Spielern über die Feiertage besseres Zocken ermöglichen.

Überambitioniert? Unbedingt!

Nun könnte sich der Chris aus unserer einleitenden Geschichte zurücklehnen und sich beruhigt denken: »Läuft alles! Wir brauchen kein Geld mehr - wir haben genug um Star Citizen mit einem gewissen Umfang fertig zu stellen«. Aber würde ein Finanzierungsstopp Sinn machen?

Cargo-Deck der Idris-Fregatte: Screenshots der Fortschritte im Schiffsdesign »in engine«. Cargo-Deck der Idris-Fregatte: Screenshots der Fortschritte im Schiffsdesign »in engine«.

Ich finde nicht. Im Gegenteil: Ich bin der Meinung, dass der konstante Geldfluss in das Projekt aufgrund der gigantischen Ambitionen essentiell für das weitere Gelingen ist. Star Citizen ist auf einen Zeitraum von vielen Jahren ausgelegt und es steht eben kein einzelner, zahlungskräftiger Publisher dahinter, der zur Not nochmal einen Batzen Kohle hinterher schieben kann (Hallo, Destiny und Activision!).

Der stetige Geldfluss muss also schon jetzt für die Zukunft des Spiels eingeplant werden. Riesige Raumschlachten, die Erkundung von hunderten Sternensystemen und Planeten, Shooter-Gefechte bei Entermanövern und auf dem Boden, komplexe Handels- und Sozialsysteme - das Projekt ist in seinen langfristigen Einzelheiten und Details derartig ambitioniert, dass dem Laien die Knie schlottern. Und den in jahrelang gefestigten Denkmustern gefangenen Spielern und Journalisten fällt dazu nichts anderes ein als: »Übernimmt er sich da nicht?«.

Bug-Suche und Behebung, Veranschaulichung von Entwicklungsschritten: In Videos und Artikeln werden jede Menge Details der Programmierung verraten. Bug-Suche und Behebung, Veranschaulichung von Entwicklungsschritten: In Videos und Artikeln werden jede Menge Details der Programmierung verraten.

Die gleichen Kritiker bescheinigen hoffnungslos überbudgetierten Titeln wie Destiny die kreative Stagnation. Beschweren sich darüber, dass jahrelange Serien immer nur ein Aufguss des ewig Alten sind. Dass die immer gleichen Spielmechaniken immer wieder kopiert und als neu (»Awesome!«) verkauft werden. Und wenn dann jemand mit echten Ambitionen und Innovationen kommt - dann kriegen alle plötzlich das Muffensausen?

Abgesehen davon, dass man - wenn man will - durchaus sehen kann, dass Roberts' Ambitionen keine Luftschlösser sind, sondern sukzessive umgesetzt werden, müssen wir uns heute wirklich fragen: Wo sollen die neuen, frischen, spannenden Spielkonzepte herkommen, wenn wir Visionäre kleinreden, ihnen das Scheitern prognostizieren (oder bösartigerweise wünschen), ihre Ambitionen als zu hoch verwerfen und großartige Ideen durch nörglerisches Gemoser zerreden?

Das Unmögliche wagen

Wer sich heutzutage über die festgefahrene Spielebranche aufregt, aber ambitionierten Projekten das Scheitern voraussagt, ohne ihnen eine Chance zu geben, ist schlicht ein Heuchler. Denn auch wenn solche Projekte am Ende nicht alle Erwartungen vollständig erfüllen können, leisten sie doch Pionierarbeit und sind dringend benötigte frische Impulse.

Und natürlich muss niemand ein Risiko tragen, dass ihm zu groß ist: Jedwede Unterstützung ist freiwillig. Warum muss ich mir also vorwerfen lassen, 200 Euro in die Entwicklung eines Spiels investiert zu haben - und nichts anderes ist es, was man mit dem Kauf eines Schiffs für Star Citizen tut -, der Kauf einer teuren Hochglanzgurke wie Watch Dogs, die meine Erwartungen nicht mal ansatzweise erfüllen konnte, ist aber ganz normal?

Bei Spielen wie Destiny kauft der Spieler etwas, von dem er eigentlich überhaupt keinen Schimmer hat, er muss sich bis zum Release fast ausschließlich auf PR oder eingeschränkte Betaphasen verlassen, die nicht mehr als einen ganz oberflächlichen Eindruck vermitteln. Bei Star Citizen dagegen kann ich mich jederzeit über den genauen Stand der Dinge - inklusive aktueller Meinungen von Spielern - informieren und dann selbst bestimmen, was mir das wert ist.

Das First-Person-Shooter-Modul ist für die erste Jahreshälfte 2015 geplant. Das First-Person-Shooter-Modul ist für die erste Jahreshälfte 2015 geplant.

Das ewige Kopieren von alten Konzepten fährt eine ganze Unterhaltungssparte langsam aber sicher vor die Wand. Und diejenigen, die das nicht mehr wollen, müssen Risiken eingehen, müssen investieren, müssen neue Wege suchen. Der eingangs erwähnte Chris Roberts ist das Risiko eingegangen. Er hat mit seiner Idee hunderttausende Publisher gefunden, die nicht bloß virtuellen BlingBling in einem Shop kaufen - nein, sie finanzieren freiwillig und aus Überzeugung die sehr ambitionierte Entwicklung eines AAA-Titels.

Star Citizen wird von seinen Unterstützern nicht einfach als das nächste MMO gesehen. Es ist für sie - und auch für mich - eine Chance. Die Chance, dass die Spieleindustrie sich endlich komplett neu erfindet (und erfinden muss!) und in Zukunft noch mehr ambitionierte Projekte von Visionären den Weg auf unsere Festplatten finden. Und nein, das heißt nicht, dass man Star Citizen und Chris Roberts nicht kritisieren darf. Aber dann doch bitte im Rahmen einer inhaltlichen Auseiandersetzung, nicht oberflächlich für das Geschäftsmodell, das Roberts' Vision überhaupt erst ermöglicht.

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