Seite 2: StarCraft 2: Exklusiv-Interview - Lead Designer Dustin Browder im Gespräch

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Auch der Colossus-Mech der Protoss kann Böschungen überwinden. Auch der Colossus-Mech der Protoss kann Böschungen überwinden.

GameStar: Aber weiter im Text: Gibt's noch einen zweiten großen Unterschied zum ersten Starcraft?

Browder: Ja, das Gelände spielt eine wichtigere Rolle, weil es mehr taktische Möglichkeiten bietet, wenn auch simple. Aber gerade darin liegt ja der Reiz von Starcraft: Weil es so schnell ist, können selbst Kleinigkeiten große Auswirkungen haben. Zum Beispiel ist es nun sinnvoller, Truppen auf Anhöhen zu platzieren. Außerdem gibt es Einheiten wie den Reaper, der Böschungen einfach überspringt. Oder den Stalker, der sich teleportiert. Oder den Viking, der sich vom Mech in einen Flieger verwandelt. Außerdem kann man Bodentruppen hinter manchen Objekten verstecken. Diese frischen Taktiken beleben die Schlachtfelder.

Die terranischen Belagerungspanzer profitieren von ihrem erhöhten Standort. Die terranischen Belagerungspanzer profitieren von ihrem erhöhten Standort.

GameStar: Stimmt, im ersten Teil konnte man Höhenunterschiede nur mit Fliegern überwinden, Stützpunkte auf Plateaus waren dadurch besser geschützt. Wo wir gerade dabei sind: Von welchen Vorteilen profitieren denn Einheiten auf Anhöhen?

Browder: Man kann sie von unten nicht sehen. Zumindest, wenn man keine Späher, Flieger oder Spezialtalente wie den terranischen Scanner einsetzt. Das kann ein gewaltiger Vorteil sein, besonders für die Terraner mit ihren mächtigen Belagerungspanzern: So lange der Feind sie nicht aufdeckt, können sie ihn von oben ohne Gegenwehr kaputt bomben. Die Zerg profitieren dagegen am wenigsten vom Anhöhen-Bonus, weil ihre Boden-Fernkämpfer nicht allzu weit feuern. Dafür führen sie mit dem Overlord und dem Overseer gleich zwei gute Späher ins Feld. Ansonsten wirken sich die Höhenunterschiede jedoch nicht aus. Im Vorgänger gab es eine gewisse Prozentchance, dass Einheiten am Boden höher gelegene Feinde verfehlen. Das haben wir abgeschafft, weil wir keine Zufallselemente mögen. Die Spieler sollen genau wissen, welchen Vorteil sie haben. Und wie man ihn aushebeln kann.

Gamestar: Wir haben das Gefühl, dass es in Starcraft 2 noch mehr Mikromanagement gibt als im ersten Teil. Zu deutsch: Wir müssen mehr klicken.

Die Energiefelder des Disruptors (Mitte) erfordern viel Mikromanagement. Die Energiefelder des Disruptors (Mitte) erfordern viel Mikromanagement.

Browder: Stimmt, es gibt momentan sehr viel Mikromanagement. Ob das so bleibt, hängt letztlich ebenfalls vom Betatest ab. Außerdem haben wir uns in letzten Monaten ausführlich mit dem Mikro- und Makromanagement befasst – also damit, was der Spieler im Kleinen regeln muss und im Großen regeln darf. Derzeit muss man vieles von Hand erledigen. Zum Beispiel löst man das Teleport-Talent der Stalker aus. Oder man gräbt Roaches ein und aus. Oder man behindert Bodentruppen mit dem Energiefeld des Disruptors. Das führt zu haufenweise Mikromanagement, mehr als im ersten Starcraft. Daher spielt sich Starcraft 2 besonders gegen Ende einer Partie noch äußerst kompliziert. Das Makromanagement soll allerdings ebenfalls wichtig bleiben. Wer kein Mikromanagement mag, kann trotzdem Erfolge feiern. Vor allem, indem er sich auf den Ausbau seiner Wirtschaft konzentriert und den Feind mit übermächtigen Armee überrennt.

In Supreme Commander darf man sehr weit heraus zoomen. In Supreme Commander darf man sehr weit heraus zoomen.

GameStar: Apropos Truppenmassen: Im Vergleich zum Vorgänger darf man in Starcraft 2 viel mehr Einheiten gleichzeitig anwählen. Das ist auch gut so. Einige andere Spielkonzepte wirken jedoch veraltet, zum Beispiel die 3D-Kamera, die nicht weit herauszoomt. Oder die Produktions-Warteschlange, die nur fünf Einheiten fasst. Warum habt ihr die Einheiten-Auswahl modernisiert, die anderen Elemente aber so belassen?

Browder: Die Kameraposition hat einen ziemlich offensichtlichen Grund. Ich bin kein großer Freund davon, in Schlachten weit heraus zu zoomen. In anderen Spielen mag das zwar funktionieren, aber nicht in Starcraft. Denn es gibt so viel Mikromanagement, dass die Gefechte unübersichtlicher würden, wenn man herauszoomen könnte. Zudem würde Atmosphäre verloren gehen: Die Einheiten würden sich in mickrige Symbole verwandeln und man würde nicht mehr erkennen, wie liebevoll sie gestaltet sind. So ginge das Gefühl flöten, mit einer individuellen Fraktion zu kämpfen -- ausgerechnet bei Starcraft mit seinen drei charakteristischen Völkern! Weit herausgezoomt würden die Gefechte zur Ameisenschlacht verkommen. Das passt vielleicht zu Spielen wie Supreme Commander, die komplett auf die Zoomfunktion ausgerichtet sind und riesige Karten enthalten, auf denen die Truppen sehr lange unterwegs sind. Starcraft funktioniert aber anders. Es spielt sich flotter, Partien dauern oft nur eine halbe Stunde. Eine Zoomfunktion würde einfach nicht dazu passen.

GameStar: Und wie steht's mit den Produktions-Warteschlangen?

Browder: Daran erkennt man, dass Starcraft 2 auf den E-Sport zugeschnitten ist. Wir müssen eine haarige Balance halten: Das Spiel soll zwar mehr Bedienkomfort bieten, sich aber nicht von selbst spielen. Wenn wir zu viel automatisieren, ginge die Herausforderung flöten. Ob unsere momentane Lösung funktioniert, wissen wir aber noch nicht. Mal sehen, was die Betatester dazu sagen.

In Mechwarrior 2 sollte es ursprünglich eine automatische Zielerfassung geben. In Mechwarrior 2 sollte es ursprünglich eine automatische Zielerfassung geben.

GameStar: Also Handarbeit statt Automatik.

Browder: Genau. Dazu gibt's übrigens eine nette Geschichte. Ich habe damals an Addons zu Mechwarrior 2 mitgearbeitet. Daher weiß ich, dass es in einer frühen Version davon noch eine automatische Zielerfassung gab: Man musste nur entscheiden, welche Waffen in welcher Reihenfolge abgefeuert werden sollten, der Computer lenkte sie dann Ziel. Der Spieler musste sich nur darum kümmern, dass sein Mech nicht überhitzt. Das wäre sogar ganz interessant gewesen, aber eben nur für wenige Spieler. Die Mehrheit wollte Action, und die haben sie letztlich auch bekommen. Gleiches gilt für Starcraft: Wir wollen, dass unsere Spieler zum Stützpunkt zurück scrollen, um Nachschub zu rekrutieren. Wir wollen, dass sie sich wirklich darum kümmern, statt sich nur auf eine Automatik zu verlassen.

GameStar: Das führt uns zurück zum Gleichgewicht zwischen Mikro- und Makromanagement. Seit der BlizzCon 2008 habt ihr das Wirtschaftssystem erneut geändert. Damals gab's bereits zwei Vespin-Geysire in jeder Basis, doch die machten jedes Mal kurzfristig dicht, wenn man eine bestimmte Menge Gas geerntet hatte. Daher musste man ständig den Zustand der Rohstoffquellen überprüfen, was viel Mikromanagement erforderte. Warum ist das jetzt nicht mehr so?

An jedem Basis-Standort stehen nun zwei Vespin-Geysire. An jedem Basis-Standort stehen nun zwei Vespin-Geysire.

Browder: Oje, wir grübeln schon ewig, wie wir die Geysire ummodeln können. Wir wollen, dass man sich mehr um die Wirtschaft kümmern muss. Und die Geyire eignen sich als idealer Ansatzpunkt, weil sie früher ziemlich unspektakulär waren: Man schickte drei Arbeiter hin und Ende. Also beschlossen wir, die Mechanik zu ändern, was jedoch nicht geklappt hat. Denn es war äußerst schwierig, das neue System auszubalancieren. Falls wir uns entschieden hätten, dass man die Gasversorgung zwingend von Hand regeln muss, um normal viele Rohstoffe zu sammeln, dann hätten wir unerfahrene Spieler benachteiligt. Denn sie könnten sich teure Truppen wie Schlachtkreuzer oder Templer nicht mehr leisten. Dabei kommen gerade diese Einheiten bei Gelegenheitsspieler am besten an. Also hätten wir die Mechanik so ausrichten müssen, dass man auch ausreichend Gas erntet, wenn man die Geysire sich selbst überlässt. Mikromanagement-Experten würden dann allerdings deutlich mehr Rohstoffe ernten und nur noch mächtige Truppen wie Träger und Archonen rekrutieren. Das wäre ebenfalls unfair. Hinzu kommt, dass die Geysir-Prüferei schnell lästig geworden wäre. Wir wollen unsere Spieler aber nicht nerven, sondern belohnen.

GameStar: Klingt vernünftig. Vermutlich habt ihr deshalb die drei neuen Spezialeinheiten und -gebäude eingeführt: die Königin der Zerg, den Dunklen Pylon der Protoss und die Satellitenzentrale der Terraner. Jeder dieser Frischlinge hat defensive Fähigkeiten, die sich unter anderem auf die Rohstoffernte auswirken.

Browder: Stimmt, die neuen Talente sollen das Wirtschaftssystem beleben, etwa indem sie dem Spieler zusätzliche Rohstoffe bescheren. Zudem heben wir mit den neuen Einheiten die Parteien noch stärker voneinander ab.

Die Terraner fordern M.U.L.E.-Roboter an, um schneller Kristalle zu ernten. Die Terraner fordern M.U.L.E.-Roboter an, um schneller Kristalle zu ernten.

GameStar: Wie das?

Browder: Im ersten Starcraft lief die Rohstoffernte bei jedem Volk nahezu gleich. Es gab höchstens kleine Unterschiede, etwa bei den Protoss-Arbeitern, die sofort weiter sammeln konnten, nachdem sie ein Gebäude angefordert hatten. Nun vertiefen wir die Gegensätze. Die Terraner etwa können dank der Satellitenzentrale M.U.L.E.-Roboter anfordern, um schneller Kristalle zu ernten. Die Königin verschafft den Zerg eine weitere Rekrutierungsmöglichkeit. Denn im Vorgänger mussten die Aliens noch zahlreiche Brutstätten bauen, um Truppenmassen auszuheben. Jetzt können sie alternativ Königinnen rekrutieren, mit denen sie die Anzahl ihrer Larven erhöhen. Dann brauchen sie entsprechend weniger Hauptgebäude. Allerdings erfordert die Larvenvermehrung der Königin ein wenig Mikromanagement. Der Spieler muss sich also entscheiden, ob er darauf Zeit verwendet oder doch lieber mehrere Brutstätten errichtet. Die Rassen spielen sich also nicht nur unterschiedlicher, sie haben auch mehr strategische Möglichkeiten.

GameStar: Seit der BlizzCon habt ihr noch viel mehr geändert. Seid ihr nicht frustriert davon, Spielelemente zu entwerfen, die schon nach ein paar Monaten wieder rausfliegen?

Browder: Verdammt, nein! Das tun wir doch schon seit Jahren. Es war schon immer die Philosophie von Blizzard, Dinge auszuprobieren. Bei Starcraft 2 haben wir lediglich früher damit angefangen, Truppen und Talente zu enthüllen. Warcraft 3 durchlief aber genau denselben Prozess. Zugegeben, vielleicht ist's bei Starcraft 2 auch ein bisschen schlimmer. Aber so läuft das eben: Wir entwickeln das Spiel, dann ändern wir es. Und dann ändern wir es noch mal. Und noch mal. So verpassen wir dem Spiel den letzten Feinschliff. Natürlich häufen wir dadurch massig Inhalte ab, mit denen wir momentan nichts anfangen können, weil sie zwar gut funktionieren, aber eben nicht großartig. Ich finde es aber toll, dass wir so flexibel sind. Das verdanken wir unseren Technikern, die eine hervorragende Engine gebastelt haben. Eine Einheit komplett umzukrempeln dauert höchstens zwei bis drei Stunden.

Die offizielle Website listet Einheitentypen auf, die es gar nicht mehr gibt – etwa den Nomaden, der inzwischen vom Raven ersetzt wurde. Die offizielle Website listet Einheitentypen auf, die es gar nicht mehr gibt – etwa den Nomaden, der inzwischen vom Raven ersetzt wurde.

GameStar: Das hat zur Folge, dass die offizielle Website von Starcraft 2 viele Einheiten und Fähigkeiten auflistet, die längst veraltet sind.

Browder: Ich weiß. Das liegt vor allem daran, dass wir von Anfang an zu viel erzählt haben. Danach gab's einfach zu viele Änderungen, um damit Schritt zu halten. Das gilt übrigens auch für die Fanseiten. Wer das Spiel auf einer Messe sieht und auf der nächsten nicht, der hat schon wieder eine Menge Änderungen verpasst. Aber so läuft der Entwicklungsprozess eben: Wir können uns jederzeit frei entscheiden, was wir ändern, damit am Ende ein tolles Spiel dabei herauskommt. So werden wir natürlich auch im Betatest vorgehen. Wenn die Webseiten dabei nicht mithalten können, dann ist das eben so.

GameStar: Unter den Einheiten, die auf deroffiziellen Websitefalsch beschrieben werden, ist auch das Mutterschiff der Protoss. Dort stehen noch die alten Spezialfähigkeiten: die Zeitbombe und der Planetenbrecher. Inzwischen dient das Mutterschiff jedoch nicht mehr als Superwaffe, sondern eher als Unterstützungs-Einheit, die nahe Truppen sowie Gebäude tarnt und sich zu von Bauwerk zu Bauwerk teleportieren kann. Warum habt ihr seine Rolle so stark verändert?

Browder: Als wir Starcraft 2 in Südkorea angekündigt haben, hatten wir die Truppentypen natürlich noch nicht ausbalanciert. Wir wollten einfach nur coole Fähigkeiten präsentieren. Dazu zählte auch das Mutterschiff. Wir dachten uns: »Hey, eine Superwaffe, die alles weghaut! Die zeigen wir!« Als dann aber die Tests begannen, dachten wir eher: »Oh, eine Superwaffe, die alles weghaut. Nicht so gut.«

GameStar: Also habt ihr es entschärft.

Das Mutterschiff der Protoss wurde komplett umgekrempelt. Das Mutterschiff der Protoss wurde komplett umgekrempelt.

Browder: Es fühlte sich einfach nicht gut an. Deshalb ist das Mutterschiff nun ein wichtiger Unterstützer und Wächter für Stützpunkte. Es hat zwar noch die Vortex-Fähigkeit, mit der es ganze Armeen einsaugt. Doch sie ist nun schwächer und ähnelt dem Stasis-Talent aus dem Vorgänger: Man zerstört die eingesaugten Einheiten nicht, sondern lähmt sie nur. Kurz darauf tauchen sie dann wieder auf. Das eröffnet interessante Taktiken. Wenn man etwa mit 12 Kreuzern angreift und sechs davon eingesaugt werden -- flieht man dann? Kämpft man mit den sechs anderen Schiffen weiter? Oder schickt man sie ebenfalls in den Strudel, damit sie unversehrt bleiben? Zudem kann man mit dem Vortex Engpässe abriegeln. Das können die »neuen« Protoss nämlich besonders gut, auch mit den Energiefeldern des Disruptors oder den Psi-Stürmen der Templer. So verhindern die Protoss, dass ihre kleinen Heere umzingelt werden.

» Auf der letzten Seite äußert sich Dustin Browder zu schummelnder KI, Tageszeit und Wetter in Mehrspieler-Schlachten und der Weltwirtschaftskrise

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