Wie eine unverwüstliche Festung

Rezension: „Stronghold“ (HD Edition) — Version 1.41 — Plattform: Steam

von ModuGames am: 01.05.2016

Stronghold, das Erstlingswerk der Firefly Studios, bedeutet mir in mehrerer Hinsicht viel. Zum einen ist es eines der wichtigsten Spiele meiner Kindheit und maßgebend dafür verantwortlich, dass ich heute, unter anderem, Strategie zu meinen Lieblingsgenres zähle. Zum anderen ist Stronghold aber auch der Gegenstand meiner ersten Rezension hier auf GameStar.de gewesen – damals, vor über vier Jahren, nämlich im Mai 2016. Daher ist es nun Zeit für mich, noch einmal in die Welt der Ritter und Burgen einzutauchen, um meinen ursprünglichen Text zu überarbeiten und herauszufinden, ob das Spiel auch heutzutage noch derart viel Lob verdient.

Kein Herz für Tiere

Meiner Ansicht nach ist die militärische Kampagne von Stronghold das Herzstück des Spiels. Die Prämisse der Handlung lautet wie folgt: Der Vater des Protagonisten ist tot, der König gefangen und das Land unter der Kontrolle vierer Grafen. Die Karten stehen also schlecht für angehende Burgherren, denn in Stronghold führen Sie den Widerstand gegen eben jene an. Glücklicherweise müssen Sie Ihren Kontrahenten nicht alleine gegenübertreten: Mit dem kampfeslustigen Sir Longarm und dem eher vorsichtigen Lord Woolsack stehen Ihnen zwei Verbündete zur Seite. Anzumerken ist jedoch, dass diese nie direkt in Gefechte eingreifen, sondern immer erst nach Missionen zu Wort kommen oder sich auch mal zwischendrin melden. Das ist meiner Meinung nach eine vertane Chance, denn wem bleiben die „Typen aus dem Missionsbriefing“ schon lange im Gedächtnis?

Herzog de Puce („Die Ratte“) ist der schwächste der vier Antagonisten in der Militärkampagne. 

Die Story wird dabei durch Zwischensequenzen fortgeführt, in denen Sie von einem Erzähler (oder eben dem Duo bestehend aus Longarm und Woolsack) über aktuelle Ereignisse informiert werden. Der Spieler darf jedoch auch die Gespräche der Gegner miterleben, welche hervorragend dazu dienen, um die Kontrahenten zu charakterisieren. So stellt sich etwa heraus, dass die vier Grafen auch die Eigenschaften ihrer namensgebenden Tiere besitzen: Die Ratte ist feige, die Schlänge hinterhältig, das Schwein gierig und der Wolf furchteinflößend. Die Gegenspieler sind aber generell dermaßen überzeichnet, dass man hier schon von Karikaturen sprechen müsste. Kann man sie also wirklich ernstnehmen? Höchstens den Wolf. Aber trotzdem stellt sich verlässlich das „Endlich ist der weg“-Gefühl ein, wenn man einen der Grafen schlussendlich besiegt. Mit den Gegnern beschäftigen Sie sich übrigens auch nur in der oben genannten Reihenfolge – ein dynamischer Feldzug ist leider nicht drin. Nettes Detail: Wer das Spiel auf Englisch erlebt, erobert Großbritannien, in der deutschen Version dient tatsächlich auch Deutschland als Schauplatz.

Eine intelligent konzipierte Kampagne

Die Militärkampagne dient parallel auch als Tutorial, denn die 21 Missionen sind so aufgebaut, dass man behutsam ans Spielgeschehen herangeführt wird und in jedem Einsatz ein paar neue Elemente dazukommen. Das ist löblich und garantiert, dass Neueinsteiger nicht überfordert werden, zumal es auch noch gut in die Geschichte eingebunden ist. Die Rebellen sind nämlich, nunja, anfangs ziemlich arme Würstchen und es gilt, erstmal eine anständige Armee aufzubauen.

Diese Mission (relativ früh in der Kampagne) beginnt damit, dass Friedensverhandlungen scheitern. Na gut, dann eben auf die harte Tour!

Das Missionsdesign ist hierbei in Maßen abwechslungsreich. Zwar steht meist der Auf- bzw. Ausbau einer Burg im Vordergrund, aber einige Paramter verändern sich dennoch. So eilen Sie etwa einmal zur Unterstützung eines verbündeten Herrschers und übernehmen das Kommando über dessen Festung, um die Angriffe der Ratte zurückzuschlagen. An anderer Stelle müssen Sie mit einer bestehenden Armee die Burg eines Gegenspielers stürmen und sie anschließend dazu benutzen, Gold zu erwirtschaften. In den meisten Missionen dürfen Sie jedoch bestimmen, wo und wie Sie Ihre Festung errichten wollen – was sich auch immer noch am spaßigsten spielt. Ebenfalls gut ist, dass man vor jedem Einsatz die Schwierigkeit einstellen darf. Die Möglichkeiten reichen dabei von „leicht“ bis „sehr schwer“. Diese Funktion ist auch bitter nötig, da ich etwa nicht alle Einsätze auf „normal“ geschafft habe. Ja, ich gebe zu, ich bin bei weitem nicht der beste Echtzeitstratege, den es gibt, aber das Spiel ist ja auch durchaus komplex.

Burgherr und Architekt zugleich

In Stronghold kämpfen und bauen Sie in der Iso-Perspektive, wobei die Kamera auch in vier Winkel gedreht und heraus gezoomt werden kann. Letzteres ist übrigens nicht zu empfehlen, da dies schnell unübersichtlich wird und einige Maps zu klein für den Zoom sind – hässliche schwarze Ränder an den Seiten sind die Folge. Generell arbeite ich aber nicht viel mit den Kameraeinstellungen, sondern verlasse mich auf die Leertaste, um die Übersicht zu verbessern. Betätigt man diese, sieht man nur noch die Grundrisse der Gebäude, was extrem hilfreich ist, da sich die Platzierung eben jener gerne mal als Nervenaufgabe herausstellt.

 

 

So sieht die geplättete Ansicht aus. Sehr hilfreich, um die oft hakelige Gebäudeplatzierung übersichtlicher zu gestalten.

Sie werden übrigens ziemlich oft als Baumeister agieren müssen, denn Stronghold geht über den Umfang eines klassischen Echtzeitstrategiespiels hinaus. Tatsächlich wurde es schon öfter als „Aufbaustrategie“ oder „Burgensimulation“ bezeichnet – durchaus zurecht. Die Abläufe im Spiel sind nämlich verhältnismäßig komplex. Doch lassen Sie mich der Reihe nach vorgehen: Das erste Gebäude, welches Sie platzieren, ist Ihr Bergfried. Hier können Sie die Höhe der Steuern festlegen und hier treffen sich auch unbeschäftigte Arbeiter. Als nächstes bauen Sie ein Warenlager, also einen Ort, an dem Ressourcen gesammelt werden. Gefolgt wird dies von einem Nahrungsspeicher. Diesen können Sie benutzen, um die Größe der Mahlzeiten festzulegen. Natürlich mögen die Untertanen es lieber, üppige Gerichte serviert zu bekommen, was Ihren Beliebtheitswert in die Höhe treibt. Doch halt: Beliebtheitswert?

Demoskopie im Mittelalter

Das wichtigste Gut eines jeden Burgherren ist nämlich erstmal nicht Gold, sondern Ansehen bei der Bevölkerung. Fällt dieser Wert unter 50%, verlassen die Einwohner die Burg, bei allem darüber kommen neue hinzu. Es ist also essenziell, dass man sich immer in der oberen Hälfte bewegt, da es üble Kettenreaktionen zur Folge haben kann, wenn Ihnen plötzlich die Arbeiter weglaufen. Der Bereich von 50 bis 100 darf jedoch ausgeschöpft werden. So ist es ratsam, die Rationen zu verkleinern (führt zu einem geringen Maß an Unbeliebtheit), anstatt am Ende vor einer komplett leeren Kornkammer zu stehen (führt zu deutlich mehr Unbehagen). Denn natürlich leert sich der Nahrungsspeicher schneller, je größer die Rationen ausfallen.

Die Zufriedenheit der Bevölkerung steht bei 100. Hervorragend! Nur die Schatzkammer dürfte gerne voller sein – 3 Gold reichen nicht, um sich die teuren Gebäude zu kaufen, die Waffen herstellen. 

Wer gut gelaunte Untertanen hat, kann gefahrlos Steuern verhängen. Hier gilt natürlich: Je höher die Steuern, desto ungehaltener die Bevölkerung. Aber Gold wiederum ist notwendig, um Einheiten zu rekrutieren und bestimmte Gebäude zu bauen. Dieses Wechselspiel zwischen „Ich brauche höhere Steuern“ und „Der Nahrungsspeicher darf nicht leer werden“ ist quasi immer präsent. Man kann die öffentliche Meinung aber noch auf andere Art beeinflussen, etwa durch Bierausschank oder Religion.

Warenkreisläufe? Oh ja!

Das war's natürlich noch lange nicht mit dem Aufbauteil von Stronghold. Zur Nahrungsbeschaffung gibt es mehrere Wege,  zum Beispiel Jagdhütten, Apfelplantagen und Käsereien. Diese haben den Vorteil, dass sie schnell produzieren, sie werfen aber nicht sonderlich viel ab. Am produktivsten ist es, Brot zu backen. Dazu müssen Sie erst Bauernhöfe errichten, dann eine Mühle und schließlich Bäckereien. Sie sehen: Diese Methode benötigt mehr Arbeitsschritte und ist dementsprechend nicht in jeder Situation zu empfehlen, aber sie lohnt sich meist mehr als die Alternativen. Für jede Art der Essensbeschaffung gilt jedoch, dass die entsprechenden Gebäude möglichst nahe am Nahrungsspeicher stehen sollten, um Laufwege möglichst kurz zu halten.

Im Nahrungsspeicher (engl.: 'granary') wird angezeigt, wie viel Essen vorhanden ist und wie lange die Vorräte noch reichen.

Aber natürlich gibt es noch eine Reihe anderer Ressourcen in Stronghold. Stein ist selbstverständlich essenziell, da er für die meisten Verteidigungsbauten gebraucht wird. Auch Eisen ist wichtig, um fortgeschrittene Einheiten wie Streitkolbenkämpfer oder Ritter rekrutieren zu können. Gebäude, die Waffen produzieren, kosten nicht nur Gold, sondern wollen intelligent platziert werden – möglichst zwischen Vorratslager und Waffenkammer. Wie sich herausstellt, ist Stronghold im Kern ein Spiel über die optimale Erwirtschaftung von Ressourcen.

In den Fußstapfen von Ludwig II.

Aber mal ehrlich: Diesen ganzen Wirtschafsteil macht man sowieso nur aus einem Grund – damit man sich eine möglichst prachtvolle Burg bauen kann! Dafür steht eine ganze Palette an Baumöglichkeiten, von einfachen Holzpalisaden bis hin zu großen Steintürmen, bereit. Neben schützenden Wassergräben, schweren Waffen auf Türmen oder rein kosmetischen Verzierungen existieren auch noch gute oder böse Bauten, die die Bevölkerung erheitern – oder verängstigen. So hat selbst die Gestaltung Ihrer Burg Auswirkungen auf die Bevölkerung, in Stronghold geht so etwas Hand in Hand.

Anfangs müssen noch einfache Holzpalisaden zur Verteidigung herhalten. Diese sind zwar nicht so effektiv wie Stein, verleihen der Burg aber ein rustikales Aussehen.

Bei aller Burgeneuphorie sollte man dabei nicht vergessen, dass die eigenen Bauwerke auch von den Feinden zerstört werden können. Hierbei ist es nicht nur in höchstem Maße unrealistisch, sondern auch ausgesprochen nervig, dass Nahkämpfer Burgmauern einreißen können. Bin ich der einzige, der die Vorstellung lustig findet, dass selbst schwächliche Lanzenträger meterdicke Mauern zum Einsturz bringen können? Aber gut, einzelne Schwächen kann man einem Spiel, das für gewöhnlich derart überzeugend ist, ja durchaus verzeihen.

Krieg und Frieden

Bei den Kämpfen reden wir in Stronghold ansonsten über ziemlichen Genre-Standard. Die Einheiten machen von dem klassischen „Schere, Stein, Papier“-Prinzip Gebrauch, so wischen Schwertkämpfer mit Lanzenträgern den Boden auf, sind gegen Armbrustschützen aber ziemlich wehrlos. Diese bekämpft man dann wiederum mit Rittern usw. Belagerungswaffen bringen eine eigene strategische Dimension ins Spiel, so können Katapulte etwa tote Kühe abfeuern, um in der gegnerischen Burg Seuchen ausbrechen zu lassen. Mit tragbaren Schilden schützt man wiederum seine Infanterie vor feindlichem Beschuss. Das funktioniert alles sehr gut und macht Spaß, lediglich die KI könnte intelligenter sein, was sie mit zahlenmäßiger Überlegenheit jedoch oft ausgleicht.

Burgeroberung leicht gemacht: Mit Rammböcken und Belagerungstürmen erklimmen sich Wälle gleich viel angenehmer.

Das oben Beschriebene bezieht sich zu großen Teilen auf die Militärkampagne. Die ist jedoch nicht der einzige Spielmodus in Stronghold. So dürfen Sie an einzelnen Belagerungen teilnehmen (und so etwa Camelot erobern) oder Sie versuchen Ihr Glück bei Invasionen. Wer es lieber friedlich mag, versucht sich an der Wirtschaftskampagne oder am Freien Bauen. Ein Karteneditor und Multiplayer-Modi runden das Gesamtpaket ab, vor letzterem muss ich jedoch warnen: Die Mehrspieler-Community besteht fast ausschließlich aus Veteranen – als Neuling sieht man da kein Land.

Die Grafik ist auch fast aus dem Mittelalter

Im Hinblick auf die Präsentation ist zu sagen, dass Stronghold bei seinem Erscheinen im Jahr 2001 ganz in Ordnung bis gut aussah. Heutzutage müsste man aber annehmen, dass einen mittlerweile ein großer Haufen Pixelbrei erwartet, doch so ist es nicht. Stronghold ist glücklicherweise noch ein Relikt aus der 2D-Zeit der Echtzeitstrategie, welche – jedenfalls geht es mir so — deutlich besser gealtert ist als die frühe 3D-Grafik. Wenn ich mich entscheiden müsste, ob ich dieses Spiel oder Stronghold 2 (2005) grafisch ansprechender finde, fiele meine Wahl auf diesen Teil. Klar, das Wasser ist als solches kaum zu erkennen, und ja, die Animationen sind hakelig, allerdings besitzt es dadurch fast einen eigenen Charme. Nicht zu vergessen: der Wuselfaktor, der dem von Die Siedler in nichts nachsteht. Am liebsten möchte ich jeden einzelnen Holzfäller dabei beobachten, wie er erst Bäume fällt, dann zerhackt, zersägt und anschließend ins Vorratslager bringt. Dafür sind die Zwischensequenzen jedoch nur sehr spärlich animiert.

Diese alten Screenshots können nicht abbilden, wie gut das Spiel in der HD-Version auf modernen Bildschirmen aussieht. Atemberaubende Grafik sollte man heutzutage aber trotzdem nicht erwarten. 

Eigentlich ist Stronghold der perfekte Kandidat für ein Remaster. Eine Neuauflage im Stil der Definitive Edition von Age of Empires 2 wäre mein Traum. Hey, Firefly, könntet ihr nicht mal an so etwas arbeiten, anstatt weiterhin halbgare 3D-Ableger zu veröffentlichen? Ist die Grafik etwas angestaubt, so bleibt der Soundtrack doch zeitlos: Klassische Instrumente wie Violine oder Mandoline dudeln fröhlich im Hintergrund herum, während ich meine Burg errichte – da sind Ohrwürmer quasi vorprogrammiert. Die klangliche Untermalung gehört für mich zum besten, was ich je in einem Videospiel gehört habe, trotz – oder gerade wegen – des minimalistischen Ansatzes.

Fazit

Stronghold ist ein zeitloser Titel, der geschickt Aufbau und Kämpfe miteinander verknüpft. Gerade der Wirtschaftsteil ist komplexer als in vielen Zeitgenossen der Marke Command & Conquer oder Age of Empires, dafür nehmen die Kämpfe einen etwas geringeren Stellenwert ein. Was aber absolut kein Problem ist, denn selten hatte ich so viel Spaß dabei, Ressourcen zu horten, meine Bevölkerung zu managen und – das ist am wichtigsten – meine Traumburg zu errichten. Die tolle Atmosphäre (dieser Soundtrack!) führt letztendlich dazu, dass Stronghold nach wie vor ein sehr empfehlenswerter Titel ist. Es existieren zwar einige kleine Makel, so reißt die Story etwa keine Bäume aus und auch die KI könnte besser sein, aber diese fallen insgesamt nicht sehr stark ins Gewicht. Meine ursprüngliche Wertung, eine 86, werde ich zwei Punkte nach unten korrigieren. Das liegt nicht daran, dass Stronghold seitdem tatsächlich schlechter geworden ist. Vielmehr habe ich in diesen vier Jahren einfach deutlich mehr Spieleerfahrung gesammelt und meine Ansprüche haben sich etwas verändert. Dennoch ist es erstaunlich, wie gut dieses Spiel gealtert ist, lediglich die Grafik könnte (trotz HD-Patch) eine Überarbeitung vertragen. Aber wer weiß, vielleicht wird ja mein Wunsch nach einem Remaster irgendwann einmal erfüllt.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(3)
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