Hall of Fame: The Nomad Soul - Der Urahn von Heavy Rain & Beyond

Emotionen und Quick-Time-Events? Quantic Dream kann noch mehr, zumindest im Jahr 2000. Damals liefern die Heavy Rain- und Beyond-Macher eine starke Mischung ab - inklusive David Bowie.

The Nomad Soul - Hall of Fame-Video zum Open World-Adventure Video starten 5:09 The Nomad Soul - Hall of Fame-Video zum Open World-Adventure

Entwickler müssen nicht nur Spiele, sondern auch sich selbst entwickeln. Denn Stillstand ist in der schnelllebigen Spiele-Branche eine Todsünde. Ein Paradebeispiel für Entwickler-Entwicklung liefert Quantic Dream aus Paris: David Cage und seine Kollegen verbessern über die Jahre konsequent ihr Storytelling, veröffentlichen mit Heavy Rain 2010 einen emotionalen Höhepunkt. Spielerische Elemente werden dagegen Spiel für Spiel reduziert.

Zehn Jahre davor sieht das noch ganz anders aus: Als The Nomad Soul in unserem Dreamcast-Laufwerk rotiert, erleben wir eine Mischung aus Adventure, Ego-Shooter und Prügelspiel - kombiniert mit einem faszinierenden Setting und einem Soundtrack von David Bowie. Und obwohl sich Quantic Dream seit diesem Erstlings-Werk in eine andere Richtung entwickelt hat, scheint sich mit dem neuen Projekt ein Kreis zu schließen: In Beyond: Two Souls kann der Geist Aiden bekanntlich die Kontrolle über verschiedene Figuren übernehmen. Und das ist in ähnlicher Form auch die Grundlage für The Nomad Soul.

Dort allerdings schwebt kein Geist durch die Spielwelt, sondern unsere eigene Seele. Denn als der Polizist Kay'l uns vom Röhren-Bildschirm herab bittet, unser größtes Gut zu verleihen, um die futuristische Stadt Omikron zu retten, können wir nicht nein sagen. Wir schlüpfen also in die Haut von Kay'l und bekommen gleich die Kräfte der Finsternis zu spüren: Ein Dämon attackiert den Körper des Cops, er und seine diabolischen Kollegen sind auf der Jagd nach Seelen. Damit sind auch wir selbst in höchster Gefahr - und es gibt kein Zurück mehr.

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Schlafmittel zum Zweck

Wir geben es zu: Uns ist damals bewusst, dass The Nomad Soul nicht tatsächlich unsere Seele gefährdet. Dennoch bekommt das Spiel in unserem Gefühlsarchiv einen besonderen Platz.

Schwebende Autos, Passanten, Raumschiffe - die futuristische Spielwelt ist im Jahr 2000 so lebendig wie in kaum einem anderen Spiel. Schwebende Autos, Passanten, Raumschiffe - die futuristische Spielwelt ist im Jahr 2000 so lebendig wie in kaum einem anderen Spiel.

In Sachen Setting zum Beispiel bombardieren uns die Entwickler mit Zitaten aus der Popkultur: Als wir den ersten Stadtbezirk von Omikron betreten, schweben Autos heran, fliegen Raumschiffe zwischen den verrosteten Metall-Hochhäusern, tragen Passanten abgedrehte Kleidung aus der Zukunft zur Schau. Von »Blade Runner« über »Judge Dredd« bis »Total Recall« ist hier alles dabei.

Spielerisch verschmelzen die Entwickler ebenfalls viele Elemente: Wir erkunden die weitläufige Spielwelt, um Adventure-Aufgaben zu erledigen. Als im Polizei-Präsidium zum Beispiel eine Schlüsselkarte her muss, mischen wir der Vorgesetzten einfach ein Schlafmittel ins Getränk. Andere Stellen lassen sich nur mit Gewalt lösen: Als sich der Polizeichef als Dämon entpuppt, erledigen wir den Vorgesetzten (schließlich stecken wir noch in der Haut von Cop Kay'l) in einer Ego-Shooter-Sequenz. Andere Dämonen dagegen werden handgreiflich: In bester »Buffy«-Manier prügeln wir uns mit den diabolischen Kampfkünstlern. Für sich gesehen sind diese »Einzeldisziplinen« handwerklich höchstens solide, als Gesamtwerk aber eine ganz neue Spielerfahrung.

Der virtuelle Popstar

Nach den ersten beiden Stadtbezirken erwartet uns eine orientalisch angehauchte Welt, die auch auf Tatooine aus »Star Wars« liegen könnte. Von unserer ersten Spielfigur Kay'l müssen wir uns zwangsläufig verabschieden: Er wird von einem Wachroboter getötet, wir übernehmen notgedrungen die Kontrolle über eine Ärztin - sie hat unseren Leichnam berührt.

Wir haben mittlerweile die Kontrolle über eine Ärztin übernommen. Sie löst darauf ein Rätsel und entdeckt das geheime Rebellen-Hauptquartier. Wir haben mittlerweile die Kontrolle über eine Ärztin übernommen. Sie löst darauf ein Rätsel und entdeckt das geheime Rebellen-Hauptquartier.

Den Figuren-Wechsel kann man auch gezielter einsetzen: Um eine Brücke zu sprengen, schlüpfen wir in die Uniform eines Wachmanns, bewegen uns so vorerst unerkannt. Als die Brücke gefallen ist, dringen wir immer tiefer in die Rebellen-Organisation der »Erweckten« ein. Dort kommt es schließlich zu einer denkwürdigen Begegnung: Der virtuelle Anführer Boz ist David Bowie nachempfunden, auch seine Stimme leiht ihm der Starmusiker. Obendrein hat Bowie auch den Soundtrack für das Spiel beigesteuert. Und so wenig wir seine Musik zu dieser Zeit mögen, so gut passen seine exklusiven Songs zu The Nomad Soul.

Am Ende begegnet uns noch ein bekannter Name: Der Ober-Dämon trägt den Namen Astaroth. Der hat jedoch nichts mit Soul Calibur zu tun, die Namensgleichheit ist zufällig. Nach der finalen Schlacht wollen wir mehr - doch die bereits geplante Fortsetzung von The Nomad Soul wird nicht realisiert. Stattdessen geht Entwickler Quantic Dream wie zu Anfang beschrieben einen anderen Weg, hin zu mehr Emotionen und Quick-Time-Events. Dabei schließen sich gute Geschichten und gute Spielmechaniken doch keineswegs aus. Vielleicht beim nächsten Projekt.

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