Stolpersteine
Ist die Photogrammetrie also das Allheilmittel, mit dem die schon seit etlichen Jahren oft als »fotorealistisch« bezeichnete Grafik in Spielen endlich Wirklichkeit werden kann? Eher nicht, denn die Technik hat auch Haken. Der wichtigste ist wohl der Aufwand, der mit der Größe der fotografierten Objekte zudem immer weiter steigt. Während für einen kleinen Felsen wie beschrieben 26 Bilder ausreichen können, um mittels Photogrammetrie ein überzeugendes 3D-Modell zu erstellen, sind es bei einer 30 Meter hohen Felswand bereits zehnmal so viele Bilder. Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass beim Fotografieren auf viele Dinge geachtet werden muss, die teilweise nicht einmal vom Fotografen beeinflusst werden können.
So sollten etwa die Lichtverhältnisse auf allen Bildern möglichst gleich sein. In einem Fotostudio ist das kein großes Problem, draußen in der Natur lässt sich die Beleuchtung dagegen kaum kontrollieren, allein da sich Wolken vor die Sonne schieben und wieder verschwinden. Zu hohe Kontraste sind ebenfalls nicht erwünscht, da sie auch von sehr guten Kameras nicht exakt genug für Photoscan abgebildet werden können. Ein bedeckter Himmel ist deshalb für die Photogrammetrie besser geeignet als strahlender Sonnenschein.
Ein weiteres Problem: unerwünschte Bewegungen. Bereits kleine Positionsänderungen an Objekten durch den Wind oder andere äußere Einflüsse erschweren Photoscan die korrekte Analyse des Bildmaterials - unter anderem deshalb muss oft von Hand bei der Anordnung der Bilder im dreidimensionalen Raum nachgearbeitet werden.
Das Potenzial ist groß
Ein Extrembeispiel von Poznanski in Sachen »unerwünschte Bewegungen« ist das menschliche Gesicht, das allein wegen seiner zahlreichen Muskeln zu keinem Zeitpunkt genau wie in der Sekunde davor aussieht. Um ein Gesicht dennoch mit Photoscan in ein brauchbares 3D-Modell umzuwandeln, muss es mit möglichst vielen unterschiedlich angeordneten Kameras gleichzeitig fotografiert werden – und dann hat man immer noch bloß einen einzigen Gesichtsausdruck festgehalten.
Das Ergebnis ist allerdings sehr beeindruckend, wie die zoom- und drehbare Version eines entsprechenden 3D-Modells zeigt. Gerade wenn man ganz nahe an Details wie die Nase oder den Mund heranzoomt, scheint es sich fast um das echte Fotos eines Gesichts statt um ein 3D-Modell zu handeln.
Allen überzeugenden Ergebnissen zum Trotz, hat die Photogrammetrie also ihre Grenzen, deshalb wird sie die klassischen Wege zum Erstellen von Texturen und 3D-Objekten wohl nie ganz ersetzen. Das Potenzial ist allerdings sehr groß, denn der Detailgrad von Objekten und Texturen steigt enorm und wirkt tatsächlich, häufig fotorealistisch. Wie viel davon in The Vanishing of Ethan Carter nach der nötigen Komprimierung und den Anpassungen an die gewünschte Spiel- und Grafikstimmung letztlich zu sehen sein wird, wissen wir erst nach dem Release im Herbst.
Sollte sich der Einsatz der Photogrammetrie auch im fertigen Spiel so deutlich positiv bemerkbar machen wie in den Technik-Demos, dann stehen die Chancen gut, dass andere Entwickler dem Beispiel von The Astronauts folgen und in ihren Titeln ebenfalls (zumindest teilweise) auf die Photogrammetrie setzen. Aus Spielersicht ist das nur wünschenswert, neben all den Indie-Titeln mit minimalistischer Optik darf es ruhig noch ein paar Spiele (mehr) geben, die in Sachen Grafik eher klotzen statt kleckern.
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