Erwachsener Spaziergangsimulator

Das neue Indie-Entwicklerstudio The Astronaut entsprang aus den früheren People can fly. Die waren vor allem bekannt für brachiale Actiontitel wie...

von marioworld2013 am: 02.10.2014

Das neue Indie-Entwicklerstudio "The Astronaut" entsprang aus den früheren "People can fly". Die waren vor allem bekannt für brachiale Actiontitel wie Painkiller oder Bulletstorm.

Das Erstlingswerk "The Vanishing of Ethan Carter" ist anders, ganz anders. Im ersten Moment erinnerte es mich an "Dear Esther", auch Elemente aus "Alan Wake" oder "Murdered - Soul Suspect" mag man später wiedererkennen...ich spaziere erstmal durch einen Tunnel, während eine tiefe männliche Stimme bedeutungsschwangere Sätze von sich gibt. Sie erklärt mir, dass sie mir, Paul Prospero, gehört, einem Detektiv mit übersinnlichen Fähigkeiten, der hier seinen seinen letzten Fall lösen will: Das Verschwinden von Ethan Carter aufklären. Zudem wird mir erklärt, dass es sich hier um ein Spiel handelt, das einen nicht an der Hand nimmt. Man muss also selbst erkunden und entdecken, was zu tun ist.

Also gehe ich erstmal spazieren, raus aus dem Tunnel und frage mich, ob das wirklich ein Spiel ist oder ob ich selbst durch dieses Tal spaziere. Ich sehe glitzerndes Wasser, wunderschöne Berge am Horizont, Bäume, deren Äste sich anmutig im Wind bewegen, lebensecht animiertes Gras, Steine, bei denen keiner wie der andere aussieht, ein bezauberndes Spiel aus Licht und Schatten. WOW! The Vanishing of Ethan Carter ist einfach nur wunderschön. Fast jedes Mal, wenn ich meine Blicke schweifen lasse, möchte ich meine Kamera zücken, um diese wunderbaren Panoramabilder festzuhalten.

Und auch der Sound ist von Beginn an eine herrliche Untermalung. Schöne Musikstücke unterstreichen die mystische Atmosphäre.

Vor mir liegt ein Weg, den ich erstmal entlang gehe. Doch nach wenigen Metern erschrecke ich mich gehörig: Eine Falle, die wohl ein Jäger hinterlassen hat, hätte mich fast erwischt. Ich betrachte sie näher mit einem Linksklick und es erscheint der Ausschnitt eines Bildes. Ich schaue mich weiter um und entdecke kurz darauf eine zweite Falle. Wieder untersuche ich sie und das Bild von eben wird ein Stück weiter aufgedeckt. Einige weitere Fallen später ist das Bild komplett und ich werde quasi in das Bild reingezogen. Was mich dort wohl erwartet?

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, denn die Geschichte dieses Spiels ist das Wichtigste daran, denn allzu viel Spiel ist da eigentlich nicht. Mit klassischer Shootersteuerung (aber ohne Waffen) bewege ich mich gehend oder laufend durch die Welt und entdecke dabei ...sehr wenig. Mitunter findet sich eine "Szene", in der offensichtlich etwas untersucht werden muss. Zumeist ist das von der Mechanik her so: Wir finden einige Hinweise auf etwas, das vorgefallen ist, spüren, dass an einer Stelle wohl irgend ein Gegenstand war, der wieder dort hingehört. Also suchen wir die Umgebung ab und finden bald den Gegenstand, fügen ihn an der Stelle wieder ein und können dann aufgrund unserer übernatürlichen Fähigkeiten nachvollziehen, was vorgefallen ist. Die Handlungsbruchstücke müssen dann noch in die richtige Reihenfolge gebracht werden und das Rätsel ist gelöst.

Ein anderes Mal muss in einem Labyrinth eine gewisse Anzahl an Leichen gefunden werden. Dabei darf man sich von einem Wächter nicht erwischen lassen. Klingt wie Slender, ist aber bedeutend einfacher und viel weniger tödlich.

Ja, man könnte fast sagen, die Rätsel sind gerade recht für Casual Player. Adventureprofis entlocken sie bestenfalls ein müdes Lächeln. Aber das ist ja gerade der Punkt: The Vanishing of Ethan Carter spielt man nicht wegen seiner Rätsel, man spielt es wegen der Geschichte, in der man dank der faszinierenden Atmosphäre mehr und mehr versinkt und die erstaunlich erwachsen und tiefschürfend ist. Die nötige Geduld und Langsamkeit sollte man mitbringen, denn läuft man schnell mal an einer wichtigen Szene einfach vorbei, die Spielwelt ist weitgehend offen. Erst am Ende zeigt einbem das Spiel dann, dass vor dem "Finale" noch das eine oder andere zu erledigen ist. Das kann dafür sorgen, dass man nochmal weit, weit, weit zurück spazieren darf...

Die Spieldauer ist dabei nicht gerade ausufernd. Menschen mit halbwegs guter Auffassungsgabe und ordentlichem Orientierungssinn, sollten nach etwa 3-4 Stunden den Abspann über den Bildschirm flimmern sehen. Ich selber verlaufe mich ganz gerne und habe so etwa 4 1/2 Stunden gebraucht.

Fazit: Wer subtilen Horror im Stile von H. P. Lovecraft mag und wer Zeit und Geduld mitbringt, die Welt zu erforschen und es aushält, dass dabei oft mal für fünf bis zehn Minuten nichts besonderes passiert, dabei aber jede Sekunde dazu dient, das leise Grauen in die Adern zu transportieren, die Neugier auf die Fortsetzung der Geschichte zu steigern, der zugunsten dieser Features auf ein anspruchsvolles Gameplay verzichten kann, ist bei The Vanishing of Ethan Carter bestens aufgehoben.

Wer sich knifflige Rätsel oder gar rasante Action erwartet, wer sich unter Horrorspielen nur brachiale Titel wie Outlast, Slender oder Amnesia vorstellt und wer Batman-Comics für anspruchsvolle Literatur hält, der sollte um das Spiel wohl eher einen Bogen machen.

The Vanishing of Ethan Carter ist für knapp 19 Euro beispielweise bei Steam oder GOG erhältlich.


Wertung
Pro und Kontra
  • Unfassbare schöne Grafik
  • Tolle Musikuntermalung
  • Mystische Atmosphäre
  • Erwachsene Geschichte mit Tiefgang
  • Kurze Spielzeit
  • Zu wenig "Spiel"
  • Rätsel zu leicht

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(0)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.