Ausnahme-Rollenspiel - mit EINER grossen Schwäche

Nichts ist ägerlicher als für einen Mord geradestehen zu müssen, den man nicht begangen hat. Ausser vielleicht fast DAS perfekte Rollenspiel zu...

von - Gast - am: 12.02.2018

Nichts ist ägerlicher als für einen Mord geradestehen zu müssen, den man nicht begangen hat. Ausser vielleicht fast DAS perfekte Rollenspiel zu sein wenn da nicht eine gravierende Schwäche alles zunichte macht...

Dieses Review bezieht sich auf die ENHANCED EDITION von THE WITCHER 2: ASSASSINS OF KINGS.

Das auf 2 Kurzgeschichten-Sammlungen und 5 Romanen basierende Spiel um Hexer Geralt ist der Nachfolger zum 2007 erschienenen Rollenspiel THE WITCHER. Vergleicht man die beiden Spiele miteinander, hat Projekt RED hier einen Quantensprung vollbracht, basierte Teil 1 noch auf einer stark verbesserten AURORA Engine (Neverwinter Nights), programmierte man eine hauseigene Engine für den Nachfolger.

Technisch voll auf der Höhe seiner Zeit

THE WITCHER 2 sieht auch heute noch unverschämt gut aus. Ein sehr düsterer Stil, der sich konsequent durch die gesamte Serie zieht, aber sich in keinem Spiel derart auch in der Grafik wiederspiegelt wie in Teil 2.

Charaktere sind detailliert und hervorragend animiert, mir gefielen die Umgebungen besonders (unvergesslich das Städtchen Flotsom mitsamt umgebenden Wald. Open World war noch nicht "in" damals, also kraxeln wir wieder durch Schlauchlevels, diese sind sehr umfangreich und abwechslungsreich gestaltet, also fällt es nicht zu sehr ins Gewicht.

Die (englischen) Sprecher sind hervorragend, allen voran Doug Cockle, der bereits im Vorgänger (und mittlerweile auch im Nachfolger) Geralt die Stimme leiht.

Auch der bombastische Soundtrack weiss zu gefallen, die Zwischensequenzen sind oscarreif und einfach der reinste Hingucker.

Charakter Generation?

Nein! Man spielt Geralt. Nur Geralt. Geralt ist Hexer, kein Zauberer, kein Priester, kein Elfen-Waldläufer, etc. Deshalb entfällt die Rollenspiel-typische Charaktererschaffung hier ersatzlos und man steigt sofort in das Geschehen ein.

Trotzdem muss man nicht komplett auf RPG Elemente verzichten, denn wie im Vorgänger sammelt Geralt Erfahrung und steigt Level für Level auf. Bei jedem Levelaufstieg können wir in einen Perk investieren, aus 4 Talentbäumen können wir wählen: Training (stellt die Basis dar), Magie (Geralt's Zeichen wie Igni, Axii, Quen), Alchemie und Schwertkunst.

Diese gehen ziemlich ins Detail und lassen zahlreiche Kombinationen zu, das Charaktersystem lädt definitiv zum experimentieren ein, es empfiehlt sich aber nicht ganz auf rohe (Schwert)gewalt zu setzen, Zeichen und Alchemie sind (vor allem in höheren Schwierigkeitsgraden) oft zwingend nötig!

Eine tolle Story

Fernab jeder Tolkien-Romantik erfreut man sich im Witcher-Universum düsterster Dark Fantasy vom Feinsten: Mord, Todschlag, Verrat und Rassismus, jedes noch so heikle Thema wird hier aufgegriffen. Monster sind nicht immer die wahren Monster, Menschen nicht immer die hilflosen Opfer, in keinem anderen Spiel wandert man auf einem graueren Pfad jenseits von gut und böse. Und das ist definitiv die grösste Stärke von den Witcher Spielen: es gibt keine simple Schwarz-weiss-Malerei.

Jede Entscheidung hat teilweise schwerwiegende Konsequenzen. Kurz abspeichern, und ausprobieren welche Entscheidung sich wie auswirkt ist auch nicht, viele Konsequenzen werden oft viel später offenbart.

Klischees werden gebrochen, so sind die meisten Elfen - von Menschen ihres Landes beraubt - oftmals Terroristen und Guerilla-Krieger, die mit Tolkien's Elben lediglich die spitzen Ohren gemeinsam haben und in ihrer Brutalität und Gewaltbereitschaft den Menschen in nichts nachstehen.

Die Story ist mitreissend und spannend, man rettet hier keine Prinzessin oder die Welt, sondern muss seine eigene Unschuld beweisen und den wahren Regentenmörder, dessen Vergangenheit übrigens mit Geralt's verknüft ist. Die Story ist in 3 Akte aufgeteilt, am Ende von Akt 2 splittet sich die Geschichte in 2 Richtungen, wir haben die Wahl eine von 2 Richtungen (und dementsprechend andere Schauplätze) einzuschlagen, bevor die Handlung in Akt 3 wieder zusammengeführt wird. Es macht durchaus Sinn das Spiel erneut durchzuspielen und auch die zweit Variation auszuprobieren. Lediglich Akt 3 wirkt ein bisschen kurz und kann mit den epischen Akten 1 und 2 nicht ganz mithalten. Schade.

Trotz USK 16 Freigabe (der einzige Teil der Serie übrigens der diese "niedrige" Freigabe bekam) täuscht etwas: THE WITCHER 2 richtet sich eher an eine erwachsene Zielgruppe. Eine USK 18 wäre durchaus verständlich gewesen.

Viel Licht und ein grosser Schatten

Sowhl Hauptquest als auch Nebenquests sind hervorragend designt. Einfach "Fetch-Quests" sind die Seltenheit. Die ebenso verpönten "töte alle Monster"-Quests gibt es zwar auch hier, aber immerhin passt es ins Szenario: Geralt ist von Beruf Hexer, also ein Monsterjäger bzw. Söldner. Novum: nicht jeder Monsterjagd-Auftrag läuft nach Schema F ab: zuerst müssen wir den Feind kennen lernen und studieren. Blindlings ins Monsternest zu hetzen und alles niederzumetzeln führt lediglich zu Geralt's frühzeitigen Tod. Anhand von Kodex Einträgen die man käuflich erwerben kann lernt Geralt die Stärken und Schwächen seiner Gegner. Dadurch kann man gezielt Gifte und Fallen per Alchemie Skill brauen/bauen - in einem Quest ist das sogar zwingend erforderlich! Mal schlagen wir uns (optional) auf die Seite des Monsters, da der Auftraggeber eigentlich das wahre Monster ist. Die Quests gehören definitib zu den besten des Genres.

Der Schwierigkeitsgrad ist einstellbar und generell sehr hoch. Es ist nicht sonderlich hilfreich dabei, dass die Steuerung per Maus und Tastatur oftmals etwas ungenau ist (nicht DARK SOULS ungenau, ich habe WITCHER 2 mit Maus und Tastatur durchgespielt auf "normal", es ist also gut möglich!).

Das meiner Meinung nach grösste Manko allerdings, das dem Spiel den Einzug in die 90er Region kostet, sind die nervigen, ständig auftretenden QUICK TIME EVENTS (QTE). Sei es bei den optionalen Minigames (Armdrücken) oder gleich im Tutorial beim Ausweichen von Angriffen, das schlimmste allerdings sind QTE's bei Bosskämpfen. Zwar lassen sich die QTE's seit der Enhanced Edition abschwächen aber schwierig (und nervig!) sind sie dennoch, vor allem während der Bosskämpfe.

Die Kämpfe sind ohnehin sehr fordernd - und erfordern oft Alchemie als Vorbereitung. Wer THE WITCHER 3 zuerst gespielt hat muss umdenken: Tränke und Essen runterwürgen um Hitpoints während des Kampfes zu regenerieren is' nicht. Stattdessen muss der Regenerationstrank (dessen Wirkung zeitlich begrenzt ist) während dem Meditieren VOR dem Kampfbeginn getrunken werden (immer schön die Toxitiät im Auge behalten, wenn Geralt sich vergiftet ist das sehr kontraproduktiv!).

FAZIT

THE WITCHER 2 ist eines der besten Rollenspiele überhaupt und seinerzeit war es sogar eines der Schönsten. Die Story, die Charaktere die einem lange in Erinnerung bleiben und die Qualität der Quests sind hervorragend und stellen die Höhepunkte des Spiels dar. Einzig die extrem nervigen Quick Time Events kosten THE WITCHER 2 Punkte und somit einen Platz im 90er Olymp.

Abwertung von 90 auf 86 durch Quick Time Events.


Wertung
Pro und Kontra
  • exzellente Story zum mitfiebern
  • grossartige Charaktere, hervorragende (englische) Sprecher
  • fordernde Kämpfe die taktisches Vorgehen erfordern
  • viele Abwechslungsreiche Quests
  • Entscheidungen haben spürbare Konsequenzen!
  • Zwei separate Handlungspfade
  • Atmosphäre
  • Kein simples Gut-/Böse Szenario
  • extrem nervtötende Quick Time Events
  • Steuerung mit Maus und Tastatur teils ungenau
  • doch etwas kurz
  • Für Einsteiger doch etwas zu schwer

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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