Kränkelnder Aufbauspaß

Was habe ich in der Vergangenheit gerne Doktor gespielt gehabt. Es war zum Ende des letzten Jahrtausend gewesen, da fummelte ich gerne an Menschen herum, packte...

von TheVG am: 13.03.2016

Was habe ich in der Vergangenheit gerne Doktor gespielt gehabt. Es war zum Ende des letzten Jahrtausend gewesen, da fummelte ich gerne an Menschen herum, packte mein Stethoskop aus, ließ mein Röntgengerät heißlaufen, Köpfe zerplatzen und heilte Leute von ihrem Fernsehsyndrom. Leider musste ich auch immer wieder Pausen einlegen, Kotze wegwischen und dem Bürgermeister ein freundliches Gesicht machen, wenn der mal wieder zu Besuch kam...

Das, was sich jetzt wie ein wirres Hirngespinst anhören mag, ist in der Krankenhaus-Simulation „Theme Hospital“ gang und gäbe. Die ehemalige englische Softwareschmiede Bullfrog, die besonders für Spielehits wie „Syndicate“ und „Dungeon Keeper“ bekannt ist, zeichnete sich auch für manche „Theme“-Sims verantwortlich, die in zweiter Reihe des Spieleportfolios einige Fans für sich zu begeistern wussten. „Theme Hospital“ sollte man in seiner Präsentation indes nicht zu ernst nehmen – das Aufbauspiel war gespickt von typisch englischem Humor, die zu behandelten Krankheiten teils völlig realitätsfern. Und doch musste man ziemlich pragmatisch mit dem Spiel umgehen: Planen, aufbauen, abwägen, den Betrieb am Laufen halten.

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Machen wir also eine kleine Reise in die Vergangenheit, ziehen den Augenspiegel über und machen Dr. House Konkurrenz. Lohnt es sich denn überhaupt, ein fast 20 Jahre altes Spiel auszugraben?

 

Emergency Rooms

 

Die Rahmenhandlung – wenn man es überhaupt so nennen kann - ist ganz schnell erzählt. Man bittet den Spieler, sich dem Aufbau eines Krankenhauses zu widmen. Ist man erfolgreich, darf man sich levelweise an neue Herausforderungen wagen, mit neuen Voraussetzungen und Widrigkeiten, die vielleicht einen Stolperstein für den flüssigen Betrieb eines Krankenhauses bedeuten können.

Die Levels beginnen indes immer wieder mit derselben Grundaufstellung: man setzt dem Spieler eines leeres Gebäude vor, das er dann sinnvoll mit Behandlungsräumen, OP-Sälen und Patienteninventar füllen muss. Es gibt eine gewisse Vorlaufzeit, in der man die wichtigsten Zimmer hochziehen kann. Dazu braucht es zuallererst eine Rezeption samt Angestellte, um Patienten in die Warteschlange zu lotsen. Patienten wollen aber auch sitzen, warm haben und nicht während der Wartezeit verdursten, also müssen Sitzgelegenheiten, Heizungen und Getränkeautomaten aufgestellt werden. Zufriedenheit ist nämlich ein wichtiges Gut für den Erfolg, und so sollte man die Infrastruktur des Hauses wohl überlegt anordnen.

In die Mangel genommen: Dies ist keine Wäscherei, hier werden Zungen gelockert

 

Patienten wollen jedoch nicht nur verhätschelt, sondern natürlich behandelt werden. Also ist der Kern der Angelegenheit, Diagnose- und Behandlungsräume zu bauen. Dazu zieht man die Größe im zuerst kahlen Gemäuer passend auf, setzt Türen und vielleicht noch Fenster ein und füllt es mit dem nötigen Inventar. Diese gliedern sich in Diagnose-, Behandlungs- und Klinikräume, in denen die Doktoren/Krankenschwestern die Wehwehchen zuerst herausfinden und dann behandeln sollen. Einem realen Klinikbetrieb ist das durchaus nahe und sinnvoll aufgebaut, so dass dem geneigten Spieler die Planung besser von der Hand gehen dürfte.

 

Jagd auf die Unsichtbaren

 

Weniger realistisch wird es beim Design der Krankheiten. In „Theme Hospital“ werden nämlich keine Krebsgeschwüre oder Organprobleme gehandelt, sondern eher kreative und teils urkomische Symptome bekämpft. Eines der häufigsten sind die „bloated heads“, also Patienten mit aufgeblasenem Kopf, denen man nach der Diagnose mit einem Luftgerät zu Leibe rückt. Dazu lässt der Onkel Doktor einfach den Kopf des zu Behandelten platzen, stellt ihn an eine Luftpumpe und bläst den „Lappen“ zu einem Haupt im Normalformat auf. Weiter laufen auch gerne Hüte ohne Inhalt durch die Korridore, die an Unsichtbarkeit leiden und durch die nötige Medizin schnell wieder sichtbar werden.

Es gibt so etliche, spaßige Krankheitsbilder, aber auch echte, die aber eher harmloser Natur sind. Da wandern manche Klinikgäste unter´s Messer, werden im Kardioraum auf´s Laufband geschickt oder ins Röntgengerät gestellt. Die Mischung macht´s, könnte man sagen, und so sieht man auch bandagierte Patienten, die nicht von Hand eingewickelt wurden, in eine Maschine gesteckt und plötzlich wieder wie eine Eins dastehen, nachdem die Verbände durch einen Schlitz im Eimer landen. Auch wenn sich die Krankheitsbilder irgendwann wiederholen, hatte ich immer wieder meinen Spaß daran, mir den Ablauf entsprechend anzuschauen.

Worst Case - So viel Betrieb sorgt für großen Stress, Missmut und Tote

 

Ferner sollte der Betrieb gepflegt und gängig gehalten werden. Nicht nur Patienten wollen sich wohlfühlen, sondern auch die Belegschaft. Die Größe der Zimmer etwa beeinflusst das Ego der Doktoren. Große und mit Fenstern versehene Räume tragen zur Zufriedenheit der Angestellten bei, außerdem sollte man ihnen noch einen Pausenraum einrichten, in dem sie sich ausruhen, die Glotze anschalten oder eine Runde Poolbillard spielen können. Irgendwann ermüden die Angestellten auch, so dass sie automatisch ihren Arbeitsplatz verlassen, um zu regenerieren.

 

Diagnose: Mord?

 

Mit all diesen Voraussetzungen kann man sich als Manager gerne zurücklehnen und das Treiben beobachten. Das ist eine Sache, die in Aufbauspielen vielleicht zu Leerzeiten führen kann – in „Theme Hospital“ hilft das jedoch bald nicht mehr weiter. Je höher der Level, um so mehr sorgen gewisse Umstände dafür, dass man selbst Hand an den Ablauf legen muss, um seinem Ruf nicht zu schaden.

Eindeutig: Das Mikromanagement ist nicht üppig, aber zweckmäßig

 

Ein Level etwa wurde mit der Warnung gestaltet, dass es in einem Erdbebengebiet liegt, was zu seismischen Aktivitäten führt und die empfindlichen Geräte beeinträchtigen kann. Gleichzeitig wuseln hunderte Patienten durch die Gemäuer, deren Wohlbefinden kontinuierlich schwindet, bis ihnen recht schnell ein Emoticon über dem Kopf erscheint, das Anlass zur Sorge gibt. Ein lächelndes Gesicht wird dann langsam zu einem Totenkopf, und wenn man hier nicht interveniert, steigt bald schon ein Engel zu seinem Schöpfer empor und wird mit einem „Buuh“-Ruf aus dem Off quittiert. Entmutigen lassen sollte man sich trotzdem nicht, auch wenn der „Tutorial-Arzt“ im rechten, unteren Eck des Bildschirms gerne mal abfällige Kritik äußert.

Um die Effizienz des Krankenhauses zu steigern, gibt es auch noch die Möglichkeit, Forschungsräume und Trainingscenter einzurichten. Mit den entsprechenden Doktoren mit Zusatzausbildung ist es möglich, Medikamente zu verbessern oder Jungärzte schneller zu Spezialisten zu schulen. Auch dies wird gerne zu einem Stolperstein für den Erfolg eingefügt. Die späteren Level setzen nämlich darauf, dass man die Spezialisten dafür einsetzt, ihren ausbilderischen Fähigkeiten nachzukommen, weitere werden im Personalroulette nicht angeboten. Also müssen wir einfache Ärzte einstellen und diese während des Betriebes hochpäppeln.

 

Das Fenster zum Behandlungsraum

 

Es gibt viel zu tun, also packen wir´s an. „Theme Hospital“ strotzt jetzt nicht vor massiver Abwechslung, hat aber vieles zu bieten, das den Aufbauspieler bei Laune hält. Die kleinen Abwandlungen eines jeden Levels hätten jedoch etwas üppiger ausfallen können, um spürbare Veränderungen im Gameplay herbeizuführen, so spielt sich das Spiel leider oft zu ähnlich und verstärkt so nur den Stressfaktor. Dazu zieht auch der Schwierigkeitsgrad schnell an. Schon ab Level 5 oder 6 ist der Laden so voll wie die Apple-Shops zum Verkaufsstart eines neuen iPhones, was lediglich Genreveteranen kalt lassen dürfte. Gelegenheitsspieler werden jedenfalls schon an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, was die Motivation nicht gerade hoch halten dürfte. Ferner bemerkte ich auch keine spürbaren Veränderungen, die mir ein genaues Feedback über meine planerischen Aufbauten geben würden. Man muss schon genau hinsehen, um entsprechende Effekte festzustellen, und hier fehlen mir ein wenig die Aha-Effekte.

Planung ist die halbe Miete, bei Platzmangel sollten Gebäude hinzu gekauft werden

 

Daran ist auch ein wenig das Grafikkonstrukt schuld, das lediglich eine feste Isometrieansicht bietet und man dadurch nicht selten Probleme mit der Zimmerverteilung bekommt. Teilweise kann auch das Setzen von Inventar wie Heizkörper oder Sitzbänken zum leidigen Suchspiel werden, da Wände die Sicht versperren und man sich sicherlich nicht immer merken kann, wo man denn schon etwas hingepflanzt hat. Die optischen Mäkel können also auch den Spielablauf beeinflussen, außerdem ist das Baukastensystem ein wenig unflexibel. Man muss schon wissen, wie man sein Mobiliar überhaupt im Raum verteilen kann, wenn man effektiv arbeiten will, was gerade in späteren Leveln ein Bremsklotz sein kann. Es kann sogar vorkommen, dass eine ungünstige Raumverteilung Bugs erzeugt und man zum Beispiel Schwestern nicht dazu kriegt, ihren Job zu tun. Diese stehen dann in der Gegend herum, während die Patienten allmählich sauer oder eben kranker werden.

Auch wenn diese Macken den Spielspaß ein wenig trüben, gibt es genügend Gründe, seine Freude an „Theme Hospital“ zu haben. Gerade der Sound sorgt für regelmäßige Schmunzelattacken, wenn jeder geheilte Patient mit einem Stadionjubel begleitet wird oder bekannte Comicgeräusche verschiedenen kleinen Aktionen zugeordnet sind. Auch sonst sparte Bullfrog nicht mit den passenden akustischen Begleittönen bei allen möglichen Kleinigkeiten. Selbst die Patienten, die sich mal „frisch machen“ müssen, sind nicht unserer Beobachtung entzogen worden, so dass man froh ist, kein Geruchskino zu erfahren, wenn sie gerade ihr Geschäft verrichten...

 

Is was, Doc?

 

Auch wenn ich noch nicht alle Features erwähnt habe, sind die oben aufgeführten diejenigen, mit denen man sich am häufigsten auseinandersetzen muss. Das weitere Mikromanagement fällt ebenfalls recht flach aus und ist bestimmt nichts für Statistikfreaks, die einen Hang zu Zahlen und Diagramme haben. „Theme Hospital“ ist eher etwas für reinrassige Aufbaufans, die gerne mal schnell etwas hochziehen und sich an den Errungenschaften laben möchten.

Das Spiel hält sich indes auch offen, dass Hypochonder und Zartbesaitete jetzt nicht abgeschreckt sein müssen. Da man in der Realität gerne mal ein mulmiges Gefühl in den Wartezimmern verspürt, während Stöhnen und Ächzen durch die Notaufnahme hallt, kreierte Bullfrog eine Krankenhaus-Simulation mit spaßigen Details und pragmatischem Gameplay. Natürlich hätte man noch an der Mechanik feilen und die Optik optimieren können, was jedoch den Charme des Spiels kaum trübt.

Wer also ein sympathisches, in sich gut designtes Aufbauspiel sucht und genug von Achterbahnen und sonstigen Parks hat, dürfte hier eine wohlige Abwechslung finden. Dann macht sogar das Doktor-spielen nach so langer Zeit wieder Spaß...

 

Es soll noch erwähnt sein, dass das Spiel bei gog.com erhältlich ist und mit der Dosbox gut läuft. Leider sorgt das spätere Gewusel für Performanceeinbrüche, dann zuckelt man über die Gebäude hinweg, was auch Einfluss auf das Gameplay haben kann. Unerträglich würde ich es jetzt nicht nennen, aber kann es durchaus nerven.

 

(Bilderquelle: origin.com)


Wertung
Pro und Kontra
  • Witzige Comicgrafik
  • Übersichtlicher Menüaufbau
  • Urkomische Soundkulisse
  • Typisch britischer Humor
  • Nachvollziehbarer Aufbaupart
  • Wichtige Details inbegriffen
  • Abwandlungen im Setting
  • Motiviert für Stunden
  • Isometrieansicht teils unübersichtlich
  • Performanceeinbrüche möglich
  • Schwierigkeit zieht schnell an
  • Mangelt später an Abwechslung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(16)
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