Seite 3: Wasteland 2 - Ein Kick für die Endzeit

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Schaden gegen Maden

Teil dieser Herausforderung ist übrigens der Umstand, dass inExile mit Munition bewusst sparsam umgehen möchte; und dass ein wichtiger Spielbestandteil ohnehin darin besteht, im passenden Moment die richtige Waffe dabeizuhaben - sowie jemanden, der damit auch umgehen kann. Treffen wir beispielsweise auf mutierte Riesenmaden, dann helfen schon schnöde Handfeuerwaffen. Die Viecher haben keine nennenswerte Rüstung, ein Schuss mit dem Colt geht glatt durch und hinterlässt eine klaffende Austrittswunde.

Sind wir hingegen auf die Schnapsidee gekommen, unser komplettes Team ausschließlich mit Laserpistolen zu bewaffnen, dann stehen wir vor einem handfesten Problem: Der Schaden von Energiewaffen basiert nämlich auf der Rüstung des Gegners, je mehr Metall und Schrott, desto verheerender ein Treffer, und metallisch sind Maden nun mal nicht. »Wenn du einen Charakter lediglich auf einen Waffentyp spezialisierst«, erklärt Chris Keenan, »dann ist er je nach Situation ein Held - oder quasi nutzlos.«

Eine zentrale Rolle im rundenbasierten Kampfsystem nehmen auch die Sichtkegel der Feinde ein. Haben wir einen Ranger mit einem entsprechend hohen Beobachten-Skill im Team, dann können wir uns diese Kegel jederzeit anzeigen lassen - und in Ruhe einen Hinterhalt planen. Zum Beispiel, indem wir einen Gegner mit zwei Charakteren frontal unter Beschuss nehmen, während ihm das restliche Team genüsslich in den Rücken fällt, sobald er eine vermeintlich sichere Deckung gesucht hat.

Oder aber wir bewegen gleich die gesamte Party in Schussreichweite und halten gleichzeitig mit sämtlichen verfügbaren Rohren drauf. Solche überfallartigen Angriffe führen in der Regel zu sehr finalen Ergebnissen - das jedenfalls erzählen uns die Entwickler, denn selbst spielen durften wir Wasteland 2 noch nicht. Trotzdem erinnert uns das Kampfsystem in den bislang gezeigten Demo-Szenen immer wieder an Rundenstrategie-Klassiker wie das Original-XCOM oder Jagged Alliance, zumal jederzeit der permanente Bildschirmtod droht.

Konkurrenzlos komplex

Wer Verletzungen nicht angemessen behandelt, dem kann ein Teammitglied durchaus ins Koma fallen - und anschließend auch unter der Hand wegsterben, sofern kein Arzt oder Kamerad mit hohem Chirurgie-Skill greifbar ist. Wenn sich inExile mit den zahlreichen taktischen Möglichkeiten nicht übernimmt und die Fähigkeiten sinnvoll ausbalanciert, dann könnte Wasteland 2 ein beinahe konkurrenzlos komplexes Rollenspiel werden. S

Mit der Panzerfaust gegen den vierbeinigen Roboter: Das Waffenarsenal fällt sehr umfangreich aus. Mit der Panzerfaust gegen den vierbeinigen Roboter: Das Waffenarsenal fällt sehr umfangreich aus.

Selbst die beiden ersten Fallout-Teile oder Baldur's Gate 2 wirkten taktisch nicht so tief wie die Vision von Brian Fargo, den einen fehlte die echte Party-Mechanik, das andere war trotz Pausenfunktion eindeutig auf Echtzeit ausgelegt. Bevor aber an dieser Stelle einem Fallout-Veteran der Pipboy 3000 platzt, schränken wir ein: Natürlich gab's auch damals eine Party, aber selbst erschaffen und im Kampf kontrollieren durften wir eben nur einen einzigen Helden, die computergesteuerten NPC-Kameraden vertrieben sich unterdessen die Zeit damit, uns aus Versehen kritisch in die Leisten zu schießen, wenn sie eigentlich den Kopf der Todesklaue nebendran treffen wollten.

Kleptomanische Kameraden

Die höchste Zoomstufe gibt zwar den Blick auf die Talsperre frei, aber Gegner sind so nicht ganz einfach zu erkennen. Die höchste Zoomstufe gibt zwar den Blick auf die Talsperre frei, aber Gegner sind so nicht ganz einfach zu erkennen.

Was im Umkehrschluss allerdings nicht bedeuten soll, dass es bei Wasteland 2 keine heimtückischen KI-Begleiter gäbe; im weiteren Spielverlauf nämlich können wir unser vierköpfiges Team um bis zu drei NPCs erweitern. Die schießen uns zwar nicht kritisch ins Gemächt (das wollen wir jedenfalls hoffen), haben aber eigene Persönlichkeiten und verfolgen unter Umständen auch eigene Ziele. So kann's beispielsweise passieren, dass der vermeintlich nette Kerl mit dem unfassbar tollen Sturmgewehr-Skill heimlich Gegenstände aus unserem Rucksack klaut.

Durch diese unberechenbaren Begleiter soll eine Gruppendynamik ins Spiel kommen, die bei vier selbst erstellten und entsprechend persönlichkeitsbefreiten Charakteren ansonsten nicht möglich wäre. »Lässt du den Kerl einfach weiterklauen, weil er dir im Kampf wirklich hilft?«, fragt Chris Keenan. »Oder erschießt du ihn?« Kontrollieren dürfen wir die NPCs übrigens nur eingeschränkt, laut Brian Fargo eine bewusste Entscheidung, denn je nach Persönlichkeit sollen sie »absichtlich« Munition verschwenden oder planlos in Kämpfe stolpern, um uns vor die Wahl zu stellen, ob wir lieber einen aufrichtig witzigen Kumpel haben oder einen tatsächlich nützlichen.

Für Leseratten

Von Belang sind die Begleiter auch in den Dialogen, denn sie bilden einen von insgesamt rund 30 Faktoren, die inExile benutzt, um die Reaktionen der Gesprächspartner für unsere spezielle Gruppe zu individualisieren. »Wir überprüfen das Charisma der Party, wie das Verhältnis zwischen Frauen und Männern ist, ob du einen bestimmten NPC dabei hast oder in welche Skills du investierst«, so Chris Keenan. Je nachdem, welche Faktoren inwiefern erfüllt sind, sollen uns die Bewohner des Ödlandes dann freundlicher, offener oder auch vorsichtiger begegnen; eine spannende Idee, von der allerdings abzuwarten bleibt, ob sie auch tatsächliche Auswirkungen hat - oder lediglich an einigen Stellen ein paar belanglose Nuancen ändert.

Stattfinden werden die Dialoge in Textform mit einer klassischen Stichwort-Mechanik, wir wählen also aus einer Liste von vorgegebenen Themen das gewünschte aus. Eine Vollvertonung, so Brian Fargo, wäre mit dem Budget schlicht nicht machbar gewesen, und gewollt hätte man sie ohnehin nicht. Ähnlich wie Torment soll auch Wasteland 2 ein textlastiges Spiel bleiben und den Autoren Spielraum für kreative Ideen lassen, die technisch sonst nicht umsetzbar wären. Eine deutsche Übersetzung ist übrigens in Arbeit, auch eine klassische Retail-Version ist inzwischen geplant, der deutsche Publisher Koch Media wird den internationalen Vertrieb übernehmen.

Es handelt sich um ein reines Distributionsabkommen, einen Einfluss auf das Spiel selbst soll Koch nicht haben, und das ist Brian Fargo wichtig. Mit dem üblichen Publisher-Modell nämlich scheint er fertig: »Wenn wir weltweit 200.000 oder 300.000 Stück verkaufen, dann geht's uns prächtig und wir können noch jahrelang Rollenspiele machen.« Über solche Zahlen können EA, Activision und Co. freilich nur die Nase rümpfen, »das verkaufen die an einem Tag von Call of Duty, wenn sie einfach im Büro rumsitzen«. Ein bisschen schade ist das schon. Aber so lange abseits davon auch Spiele wie Wasteland 2 entstehen, dann sollen sie halt.

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