PILLARS OF ETERNITY 1,5

Mit PILLARS OF ETERNITY lieferten Obsidian Entertainment ein hervorragendes Oldschool-Rollenspiel ab, dass ganz im Stil der alten Intfinity Engine Spiele wie...

von - Gast - am: 12.03.2018

Mit PILLARS OF ETERNITY lieferten Obsidian Entertainment ein hervorragendes Oldschool-Rollenspiel ab, dass ganz im Stil der alten Intfinity Engine Spiele wie BALDUR'S GATE oder PLANESCAPE TORMENT zu beeindrucken wusste.

Mit TYRANNY treten die Jungs allerdings etwas auf der Stelle...

Klischees über Bord...

Das wohl beste am neuen TYRANNY ist das Setting und die Story die sich fernab jeglicher Klischees bewegt und durchaus zu überzeugen weiss. Die Krux an der ganzen Sache ist, wir sind im Auftrag des Bösen unterwegs! Anders als in z.B. den NEVERWINTER NIGHTS Spielen hat man hier nicht extreme Nachteile wenn man die Böse Wahl trifft (abstrafen mit geringen Erfahrungspunkten), sondern wir dürfen uns hier wirklich austoben.

Wie im WITCHER Universum gibt es hier aber kein schlichtes Schwarz und Weiss, sondern alle möglichen Grautöne: Man Stelle sich eine klassische HERR DER RINGE Welt vor in der Sauron gesiegt hat. Wir sind als einer seiner Schafrichter unterwegs, ein sogenannter Schicksalsbinder, und können - in seinem Namen - das Geschehen direkt und indirekt beeinflussen, gut, böse und alles dazwischen.

Das Szenario erinnert ein bisschen aus einer Kreuzung aus dem alten Rom und AD&D's DARK SUN Szenario. Wer die beiden Spiele aus den 90ern kennt fühlt sich leicht daran erinnert. Das ganze hebt sich angenehm von den zahlreichen 08/15 Szenarios der letzten Rollenspiele ab.

Im Westen nichts Neues?

Der Siegeszug des bösen Overlords Kyros steht in den letzten Zügen, die letzte Bastion im Westen will noch erobert werden.

Wer den Vorgänger PILLARS OF ETERNITY kennt dürfte Vieles vertraut vorkommen, Vieles wurde aber auch geändert und das nicht immer unbedingt zum Guten: das Benutzerinterface zum Beispiel ist anfangs arg unübersichtlich und gewöhnungsbedürftig. Es gibt zwar ein Tutorial das alles wunderbar erklärt, aber irgendwie ist mir nicht ersichtlich wieso man nach dem wirklich hervorragenden Interface von PILLARS das hier total verkorksen musste!

Statt sechs Recken wie im Vorgänger haben wir hier nur bis zu vier unter Kontrolle. Warum? Keiner weiss es. Einen erstellen wir in einem vorbildlichen Charakter Generator der zu den Besten des Genres zählt, maximal drei weitere können unterwegs rekrutiert werden, die Erste schon innerhalb der ersten 5 Spielminuten.

Ansonsten spielt sich TYRANNY so ziemlich wie PILLARS OF ETERNITY: man bewegt sich durch die Welt, quatscht mit Personen in Dialogen die schon epische Tolkien Ausmasse erreichen - leider nur teilweise vertont, komischerweise werden auch in einigen Dialogen nur ein Teil gesprochen, dann wieder selber lesen, dann wieder vertont, das ist zum Teil echt befremdlich - dann wird wieder gekämpft...

Gerade bei den Kämpfen hätte ich mir - da wir schon die Partygrösse von 6 auf 4 Leutchen reduziert haben - etwas mehr taktische Möglichkeiten erhofft, z.B. verschiedene Angriffsarten wie Flinten, etc. Leide bleibt es lediglich bei den PILLARS Aktionen: also pausieren mit Spacetaste, Figuren anklicken, Talent anklicken dass dan für einige Sekunden gesperrt ist zwecks Cooldown Periode, man kennt das. Hier hat sich auch nichts grundlegendes geändert ausser der extrem hohe Schwierigkeitsgrad: während PILLARS OF ETERNITY Anfängern noch eine Chance gab, ist TYRANNY für Anfänger absolut ungeeignet. Das liegt zum Einen an den wirklich fordernden Kämpfen die wirklich taktisches Vorgehen erfordern aber auch an dem korrekten Aufleveln der bis zu vier Helden, wer sich hier verskillt hat echt Probleme!

Der Grafikstil ist eher comichaft und sagt mir persönlich nicht zu. Auch hier fand ich den Vorgänger besser. Mit rund 40 Spielstunden fällt TYRANNY auch um einiges weniger episch aus als PILLARS, begründet wurde das zwar damit, dass man TYRANNY nochmals durchspielen soll um die verschiedenen Möglichkeiten auszuprobieren, aber das abrupte Ende ist schon etwas enttäuschend, aus dem Grund erscheint mir das ganze nicht wirklich plausibel. Immerhin wurde eine New Game Plus Funktion spendiert, aber mich reizt TYRANNY nicht wirklich zum erneuten Durchlauf. Vielleicht in ein paar Jahren...

Vorbildliche Charaktererschaffung

Eines muss man Obsidian lassen, die Charaktergenerierung ist hervorragend gelungen, generell das Charaktersystem ist super!

Klassen und Rassen hat man über Bord geworfen - Spielercharaktere sind nur Menschen; Elfen, Zwerge etc. und die aus PILLARS liebgewonnenen Rassen gibts hier nicht.

Die Berufswahl entfällt ebenfalls, man wählt nun einen Werdegang, wie zum Beispiel Gladiator oder Verbrecher, was unsere Karriere darstellt und uns eine Art Gerüst gibt. Das Ganze ist wirklich gut durchdacht und lässt einem auch immense Freiheiten.

Die Attribute aus Pillars hat man übernommen, es gibt auch wieder passive und aktive Skills, aus denen man hier bei jedem Stufenanstieg wählen kann, diemal in Form von mehreren Talentbäumen, ähnlich denen aus DRAGON AGE 2 & 3, die auf jeden Charakter einzeln zugeschnitten wurden. Wie bereits vorhin erwähnt ist genaues Planen des Auflevelns zwingend erforderlich: wer sich verskillt hat bald gegen die dermassen starken Gegner selbst auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht die geringste Chance. Es empfiehlt sich daher schon im Vorraus zu planen, welchen Weg man für jeden seiner Charaktere gehen will und sich tatsächlich die Zeit zu nehmen die Beschreibung zu jedem Skill durchzulesen und abzuwägen was zum eigenen Spielstil passt. Ich habe nach dem ersten Akt nochmal neu angefangen und etwas mit einem anderen Build rumexperimentiert.

Eher Formsache ist das Aussehen der Figur, wie Haut- und Haarfarbe, Frisur und Portrait. Dann folgt der mit Abstand interessanteste Aspekt der Charaktererschaffung, der (optionale) Conquest erzählt die Vorgeschichte der letzten 3 Jahre: man kann hier an mehreren Schnittstellen auswählen wleche Rolle man in der Eroberung gespielt hat, und welche der beiden Fraktionen (die "Geschmähten" oder der "Scharlachrote Orden") man beigetreten oder unterstützt hatte und welche Regionen man erobert hat. All das hat direkte Auswirkungen auf die Spielwelt, von der Verfügbarkeit gewisser Güter (z.B. Eisen) bis hin zur Einstellung der Fraktionen zu einem. Diese Auswirkungen sind auch direkt spürbar. Ich hätte mir auch vorstellen können dass man das noch ein bisschen ausbauen könnte, aber gut, immerhin ein Novum.

Die ersten Spielstunden...

... sind nicht wirklich der Hit. Anfangs wird man regelrecht bombardiert und überrollt mit Informationen, altbewährte Taktiken aus dem Vorgänger kann man sich hier getrost abschminken. Ich habe TYRANNY auf dem 2. von 5 Schwierigkeitsgraden gespielt und hatte echt zu kämpfen und ich bin wahrlich kein Rollenspiel Neuling.

Im Kämpfen muss man ständig zwischen zwei Sets - am besten Klingenwaffen und stumpfe Waffen - wie verrückt hin und her schalten, da schwer gepanzerter Feind No. 1 gegen scharfe Waffen resistent ist, Feind No. 2 aber gegen Kriegshammer, das macht die KI nicht selbstständig. Die KI schaltet man am Anfang am besten komplett aus, da unsere NPCs teilweise selbstmörderisch und waghalsig vorgehen, da wäre mir tatsächlich ein komplett rundenbasiertes System lieber gewesen.

Umdenken sollte man auch bei dem Build, der bei den Infinityartigen Spielen bewährte Schurke hat hier erstmalig ausgedient, die Stealth Elemente sind kaum wirksam. Das Auflevelen will gut überlegt sein, ein Fehler und wir haben es extrem schwer, denn im Gegensatz zu den Gegnern werden unsere Helden bei Levelanstieg nicht wirklich spürbar stärker.

Ich bin kein Freund vom Management von grossen Parties aber die Reduktion von sechs auf vier Partymitglieder wundert mich schon ein wenig: wir sind als Kyros Grossmacht in einer Invasion unterwegs und ich kommandiere lediglich 4 Personen in einer Invasion? Die Verstärkung trifft auch wirklich jedes Mal zu spät ein, und zwar genau dann wenn der Kampf gewonnen wurde. Das macht das Ganze ein bisschen unglaubwürdig.

Insgesamt fand ich den Einstieg in das Spiel sehr holprig und unbefriedigend, besonders deshalb, weil die Taktiken aus dem Vorgänger eigentlich gar nicht übernommen werden können.

Wer nicht gerne sehr viel (nein falsch, sehr sehr viel) liest wird hier nicht glücklich werden: die Textmengen könnten einen 3-teiligen Roman eines epischen Ausmasses vom HERR DER RINGE ergeben, nur Bruchteile davon sind vertont. Seltsamerweise sind Dialoge auch nicht durchgängig vertont: soll heissen, wie sprechen mit einer Person und Dialog Teil 1 hat Sprachausgabe, Teil 2 und 3 nicht, dafür aber Teil 4 wieder...

Die Dialoge sind aber gut geschrieben, farbig hinterlegte Begriffe werden sofort per rechtsklick darauf erklärt, wer sich also nicht mehr an ein Event oder einen Namen erinnert erhält per Klick sofort eine Auffrischung. Sehr gut!

Je nach gewählten Werdegang und Talent ergeben sich in den zahlreichen Dialogen auch spezielle Antworten - Multiple Choice Antworten mit gut 10 verschiedenen Möglichkeiten sind keine Seltenheit aber deren Einsatz will gut überlegt sein, meist kostet dieser Einsatz Sympathiepunkte mit dem Gegenüber.

Dialoge und Kampf haben klar Vorrang, Erkundung ist eher gering: die Schauplätze sind diesmal sehr klein ausgefallen und eher abwechslungsarm, grössere Distanzen legt man auf einer Weltkarte per Reisefunktion zurück.

Im ersten Akt bekommen wir auch schon prompt den ersten Spasskiller aufgebrummt: die von mir besonders verhasste Zeitbegrenzung. Innerhalb von 8 Tagen muss der erste Akt abgeschlossen sein, ansonsten droht das Game Over. Wer also Probleme bei den happigen Kämpfen hat und ständig verwundet wird und deshalb nach jedem Kampf eine heilende Rast einlegt wird es nicht sehr weit bringen.

Ist der erste Akt geschafft vergrössert sich das Areal deutlich und wir können wesentlich mehr unternehmen - allerdings hat man dann auch schon gut ein Drittel des Spiels durch...

Für wen ist TYRANNY?

Wer die beiden BALDUR'S GATE Spiele mochte und PILLARS OF ETERNITY zu seinen Lieblingsspielen zählt kann bedenkenlos zugreifen.

Wem die geanannten Spiele jedoch nicht so zusagen, die Textmengen zu viel waren und auch mit dem Schwierigkeitsgrad auf "normal" Probleme hatte sollte aber besser die Finger davon lassen, den in beiden Kategorien hat TYRANNY ordentlich zugelegt.

Rundenbasierte Kämpfe in einer ähnlichen Optik bietet DIVINITY: ORIGINAL SIN 2, alle Texte sind hier zudem vertont. Mein Favorite in Sachen rundenbasierendem Taktik RPG ist DARKEST DUNGEON.

Soll's eher eine offene Welt sein mit actionbetonten Kämpfen, dann führt kein Weg am 3. WITCHER vorbei, am besten in der GAME OF THE YEAR Edition mit beiden DLCs an Bord!

Fazit

TYRANNY ist "gut". Nicht mehr aber auch nicht weniger. Ich hätte mir etwas mehr an Neuerungen erhofft, vielleicht sogar die Abkehr zum pausierbaren Echtzeitsystem und eher ein rundenbasiertes System. Wenn man es genau nimmt ist TYRANNY eher ein PILLARS OF ETERNITY 1 1/2: ausgetauschtes Szenario aber ansonsten alles beim Alten... mit weniger epischem Ausmass. Zum Vollpreis doch ein bisschen wenig. Deshalb gibt's von mir diesmal "nur" ein "GUT" im mittlerem 70er Bereich.


Wertung
Pro und Kontra
  • klischeearme Story
  • unverbrauchtes Szenario
  • sehr gute Charaktererschaffung
  • detailliertes Charaktersystem
  • sehr viel Entscheidungsfreiheit
  • NPC "Verse"
  • extrem hoher Schwierigkeitsgrad, vor Allem am Anfang
  • sehr schwieriger Einstieg
  • bietet nichts wirklich Neues
  • nach wie vor nur halbe Dialoge vertont
  • extrem textlastig
  • kleine Schauplätze
  • Interface sehr gewöhnungsbedürftig
  • Teilweise Balancing Probleme
  • Kämpfe doch etwas simpel (nicht Schwierigkeitsgrad!)

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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