Seite 2: Wargaming.net Grand Finals 2014 - Stellungskrieg bei der ersten World of Tanks-WM

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Tag Zwei: Die Russen sind da

Die bestplatzierten und namhaften Teams traten am zweiten Turniertag gegeneinander an und schnell wurde der Ton rauer und die Richtung klar: Durch das höhere Niveau und dadurch höheren Trefferquote wurden bereits kleinste Unachtsamkeiten bestraft. Das Resultat: Taktische Stellungs- und Nervenkriege mit russischer Dominanz.

Die Favoriten vom russischen Natus Vincere (kurz NAVI) und den russisch-ukrainischen Virtus.pro marschierten durch das Upper Bracket, besiegten russische Koonkurrenten, asiatische Geheimfavoriten und die polnischen Hoffnungsträger von Lemming Train. Bereits um 17 Uhr stand das erste Halbfinale für den dritten Tag fest: NAVI gegen Virtus.pro.

Drei Fragen an: Rinaldo Andreolli, General Manager bei Wargaming Europa

Wargaming-Manager Rinaldo Andreolli stellte sich unseren Fragen. Wargaming-Manager Rinaldo Andreolli stellte sich unseren Fragen.

Die größte Spielerbasis und das höchste kompetetive Niveau hat World of Tanks in Osteuropa, das Potential der Monetarisierung sicherlich in Deutschland, den USA und Südkorea. Und welcher Markt ist am interessantesten für Euch?
Andreolli: Die Richtung heißt definitiv: global. In Asien müssen wir noch viel nachholen. In den USA sind wir weitestgehend etabliert, auch wenn nur zwei Teams angereist sind. Deutschland klingt natürlich auch sehr sexy, mal eine eSports-Aktivität zu starten. Aber wir denken da eher an "Europa" und da zählen auch Frankreich, Polen, Niederlande und die Nordics für uns zu den wichtigen Regionen. So oder so werden wir immer versuchen, keine Community zu vernachlässigen.

Welche Region priorisiert ihr mit Live-Events?
Andreolli: Wir gehen dorthin, wo wir der Community ein tolles Live-Erlebnis zusichern können. Ein Finale in Timbuktu bringt uns nichts, wenn 70% unserer Spielerbasis wegen Visaproblemen nicht zum Zugucken kommen kann. Natürlich gibt es Live-Streams, aber das ist nicht dasselbe, denn gerade die Spieler leben auch davon. Wir schauen aber so oder so, dass niemand zu kurz kommt, das heißt, dass wir auch woanders aktiv sein wollen.

Die Grand Finals 2015 also in Berlin?
Andreolli: Naja, ein so herzliches Willkommen, wie wir in Warschau erfahren haben ist nicht die Regel. In vielen Regionen werden Spiele mit kriegerischen Elementen mit großer Skepsis betrachtet - und wenn die Firma dann auch noch 'Wargaming' heißt, dann ist es ein doppeltes Problem. Viele Leute verstehen nicht, dass solche Elemente einfach Teil des Entertainments im 21. Jahrhundert sind. Bei uns gibt es keine Gewaltverherrlichung, kein Blut, da stirbt niemand. Es gibt Städte, in denen der Fortschritt gepriesen wird und die auch alles, was dazu gehört, mitnehmen und es gibt Städte, die sich dort schwerer tun.

Doch kein Turnier ohne Upset: Im zweiten Halbfinale gab es schließlich noch zwei Plätze. Das ebenfalls russische Team von RED Rush: Unity hatte sich bereits durch eine Siegesserie in der Losers Bracket einen Platz darin gesichert, als das amerikanische Team von Fnatic gegen die als Underdogs gehandelten PVP Superfriends von den Philippinnen antrat.

Fnatic galt mit Starspieler David Nagatron Williams als klarer Favorit und ging mit sicherem, überlegtem Spielstil auch schnell mit zwei Spielen in Führung, als das Team der PVP Superfriends um Teamkapitän Alvin »Batman« Nunez Urbiztondo (der traditionell nur mit Batman-Latex-Maske auf die Bühne geht) Chaos in dieses letzte Viertelfinale brachte und Fnatic mit unkonventionellen, aggressiven Pushes auf dem falschen Fuß erwischte.

Im entscheidenden letzten Match auf Ruinberg konnten die PVP Superfriends ihre amerikanischen Kontrahenten erneut überraschen und früh einen von beiden Scouts eliminieren. Wegen daraus resultierender mangelnder Sicht und schlechter Positionierung, konnte auch die individuelle Klasse der Fnatic-Panzerpiloten nichts mehr reißen - die PVP Superfriends sicherten sich damit den Platz im zweiten Halbfinale. Alvin »Batman« Nunez drehte durch, lag irgendwann mit dem Gesicht nach unten auf der Bühne und das Warschauer Publikum feierte ihn. Am Ende des zweiten Spieltags war übrigens noch immer keine Artillerie zu sehen gewesen, der Hammer von Patch 8.6 hatte wohl zu hart getroffen.

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Tag Drei: Stellungskrieg

Drei osteuropäische Teams und ein asiatisches. Das Spiel wurde noch statischer, die Teams wollten nichts riskieren, setzten auf 8-Minuten-Pushes. Sie bergen auch bei Fehlern in der Ausführung ein geringes Risiko, da in zwei Minuten Restzeit locker noch ein Unentschieden herauszuholen ist.

So oder so, Fehler wurden ohnehin kaum begangen, die Spiele bestanden aus Stellungskriegen, bei denen die Scouts beider Teams innerhalb kürzester Zeit eliminiert wurden und in der Folge die Teams mangels Sicht die Zeit absaßen - das ist zwar professionell und effizient, für den Zuschauer aber schlicht langweilig. Batman und seine PVP Superfriends überlebten am dritten Turniertag genau zweieinhalb Stunden. Im Finale trafen wie erwartet in einer Wiederauflage des Halbfinales die Favoriten Virtus.pro und NAVI aufeinander.

Virtus.pro hatte sich von Anfang an durchgesetzt, NAVI mühsam durch die Lower Bracket zurückgekämpft. Das große Finale - und es passierte erst einmal nichts. Fast zwei Stunden lang taktisches Abtasten, reizloses Abwarten, angstvolles Stellunghalten. Die Menge im mittlerweile bis auf den letzten Platz besetzten Warschauer Multikino wurde unruhig, einzelne Pfiffe und Buhrufe in Richtung Spielerkabinen wurden laut.

Bei einem Spielstand von 4 zu 4 musste abermals die Entscheidung durch die Assault-Map Sand River getroffen werden. Virtus.pro wählte den Angriff und biss sich an NAVI, die mit einem großartigen Spielzug und fünf wendigen AMX 50100 das angreifende Team einkesselten, die Zähne aus. Das russische Team Natus Vincere hatte schließlich die World of Tanks-Grand Finals 2014 in Warschau gewonnen. Zwar erwartet, dennoch schön.

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Die Menge gab im Konfetti-Regen stehend Applaus und viele polnische Fans wollten Autogramme oder ein Foto mit dem Siegerteam. CEO Viktor Kislyi hielt eine abschließende Ansprache über die Zukunft des eSport-Sektors und überreichte jedem NAVI-Mitglied eine teure Uhr von Hugo Boss. Teamkapitän Dmitry »de1uxe« Repin konnte schließlich die offensichtlich sehr schwere Siegestrophäe nur unter Mithilfe seiner Teamkameraden in die Luft stemmen.

Drei Fragen an: Michael »Comandante« Kelbg, Mitglied bei Team WUSA

Michael Kelbg gab Einblicke in die Taktiken seines Teams während des Turniers. Michael Kelbg gab Einblicke in die Taktiken seines Teams während des Turniers.

Ihr seid im Tiebreaker, der Assault-Map 'Sand River' ganz knapp gegen Team Synergy ausgeschieden. Du hast den letzten Schuss nicht mehr richtig setzen können. Was ist passiert?
Kelbg: Die Regel mit dem Aussault-Tiebreaker ist noch ganz neu. Wir hatten durch die viele Wechsel im Team nicht wirklich viel Übung. Synergy entschied sich für den Angriff, was meiner Meinung nach auch die bessere Entscheidung ist, denn der Verteidiger hat einfach kein Platz. Wir sind ohne überzeugende Taktik für diesen Fall nach Warschau gekommen.

Dann habt ihr euch für den 'Jagdpanther II' entschieden, womit erstmal niemand gerechnet hatte. Warum?
Kelbg: Wir haben was ausprobiert, was uns von Fnatic und Team S.I.M.P. ausgeliehen haben. Der Panzerzerstörer. Ich hab ihn selbst gespielt - was soll ich sagen, war mein erstes Match mit dem Jagdpanther- hat aber leider geklappt. Aber unser Ziel war einfach, hier eine Überraschung zu liefern, und das haben wir wenigstens mit dem Jagdpanther-Pick getan.

Was sind eure Ziele für 2015? Ist ein professionelles Team eine Option?
Kelbg: Der Großteil des Teams wird seinen Job nicht für eine eSports-Karriere in World of Tanks kündigen. Es besteht in der aktuellen Konstellation keine Möglichkeit auf ein Profi-Team, allerdings denke ich, dass man in Teilkonstellationen vielleicht irgendwo unterkommen könnte. Aber das haben wir gar nicht in der Hand, denn die Monetarisierung ist bei World of Tanks zumindest in Europa noch nicht ganz da, man kann es nicht mit den großen eSports-Titeln vergleichen. Wir zum Beispiel suchen schon lange erfolglos nach einem passenden Sponsor. Es muss einfach noch ein bisschen wachsen, dann können wir weiterschauen.

Fazit: Weitermachen

Der eSport-Direktor Mohamed Fadl und CEO Viktor Kislyi betonen beide in Interviews immer wieder, dass World of Tanks nicht als eSport-Titel gedacht war und dass noch einiges zu tun ist, bis das Spiel tatsächlich dort ist, wo man es haben will. Und das stimmt auch. Um was soll es bei World of Tanks gehen? Um actionreiche Panzergefechte. Das bekam der geneigte eSports-Fan im Grunde genommen auch in Warschau und dem Live-Stream zu sehen - bis zur enttäuschenden Finalrunde.

Die russischen Teams saßen die Partien aus, versteckten ihre Panzer in Büschen, um ein Unentschieden abzuwarten, während Artillerie gar nicht zum Einsatz kam. Kurz: Mehr Statik und weniger Unsicherheit bei den Spielern und auch weniger Unterhaltung beim Zuschauer. Wargaming wird sich irgendwann entscheiden müssen, ob man ein taktisch ansprechendes World of Tanks für Liebhaber oder massentaugliche, actionreiche Deathmatches zu sehen bekommt.

Vielleicht liegt es tatsächlich am verknappten 7-gegen-7-Turniermodus, wie Wargaming-Mitarbeiter vor Ort erklären. Viele glauben das jedoch nicht. Dann ist das Balancing wieder gefragt. Ansonsten fehlt es an Kleinigkeiten: Ein Wiederholungsfeature, Analysen mit Spielszenen oder die oben bereits erwähnte Übertragung der Panzerauswahl wurden teilweise stark vermisst. Aber das hat der Entwickler bereits auf dem Zettel.

Abgesehen davon zeigte sich Wargaming als Gastgeber von der besten Seite: Das Multikino entpuppte sich als optimale Location, Spieler und Zuschauer waren glücklich. Das Produktionsteam, die Moderatoren, die Kommentatoren und Experten leisteten gute Arbeit und bescherten Viktor Kislyi und allen WoT-Fans ein tolles Turnier. In diesem Sinne: Weitermachen!

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