Freude schöner Götterfunken - Die Zukunft der Europäischen Union

Dieses Thema im Forum "Smalltalk" wurde erstellt von legal, 19. Oktober 2017.

?

Die Europäische Union soll

  1. langfristig ein Zentralstaat werden.

    8,2%
  2. tiefer integriert werden, bis hin zu einem föderalen Staat.

    67,1%
  3. ungefähr so bleiben wie sie ist

    4,1%
  4. ein loserer Verbund werden, als sie es jetzt ist.

    6,8%
  5. ganz aufgelöst werden.

    6,8%
  6. keine Meinung/macht was ihr wollt/sonstiges.

    6,8%
  1. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Öhm. Ok..... Wir machen erst das mit Frontex. Und das mit dem Leopard 2.
     
  2. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    @DerTommy86 : Danke. Sehr interessant! Also wenn ich das richtig verstehe, ist das Problem die fehlende komplette Einheitlichkeit einer EU Armee, weil mehrere Entscheidungsträger das de facto lahmlegen würden? :hmm:

    Das ganze, in dem man auf die Mitgliedsstaaten angewiesen ist, erinnert mich an die USA zum und vor dem Bürgerkrieg, in dem man auf die Einheiten der Bundesstaaten angewiesen war.
     
  3. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Man müsste also die EU-Armee dem EU-Parlament direkt unterstellen.
     
  4. Terranigma

    Terranigma
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    Ufz, jetzt stellst du auch noch inhaltliche Nachfragen. Mh.

    Nun, ich meine Sozialunion im Sinne des Wortes. Sprechen wir von einem europäischen Föderalstaat, so würde Europa sich von einer gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsunion auch zu einem gemeinsamen Arbeits- und Wohnungsmarkt entwickeln würden. Eine gemeinsame Arbeitsmarktpolitik kann ich mich wiederum nicht ohne eine gemeinsame Sozialpolitik vorstellen, d.h. beide Aspekte bedingen sich gegenseitig.

    Wenn wir in Europa gemeinsame Standards für den Arbeitsmarkt definieren, so müssten wir auch gemeinsame Standards für die Sozialpolitik definieren. Gemeinsame Standards nicht in der Hinsicht, dass überall dieselben Praktiken, Vorgaben, u.Ä. gelten. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es regionale Unterschiede, die würden auf europäischer Ebene natürlich ebenso bestand haben. Soziale Standards aber in der Hinsicht, dass wir europäisches Recht bzgl. der medizinischen Versorgung, des Arbeitschutzes, des Rentenanspruches, der Sozial- und Arbeitslosenhife, etc. pp. definieren. Die konkreten Zahlen müssten sich dann natürlich an u.a. an den Lebenshaltungskosten der jeweiligen Regionen orientieren, wie es auch jetzt schon in Deutschland der Fall ist.

    Und um die Eintricht im Thread endgültig zu torpedieren: in der Konsequent bedeutet dies auch einen europäischen Haushalt und eine europäische Transferunion, so wie sie auch in Deutschland als Föderalstaat existiert. Auch in Deutschland gibt es wirtschaftlich starke und schwache, bevölkerungsreiche und bevölkerungsarme Regionen, usw. die nebst ihren eigenen Einkommen und Ausgabe jedoch auch über den Bundeshaushalt finanziert werden. Das setzt auf europäischer Ebene in der Konsequenz voraus, dass man nicht primär in nationalstaatlichen Kategorien - "die Deutschen", "die Griechen", usw. - operiert, sondern sich als gemeinsamer Staat begreift. Das scheint mir ähnlich gelagert wie die Frage bzgl. der europäischen Armee, die folgerichtig nicht aus Deutschen, Franzosen, Briten, usw. sondern aus Europäern bestehen müsste.

    Und während ich das gerade so schreibe, zweifel ich an mir selbst, ob ich einen pan-europäischen Nationalismus wirklich begrüßen soll oder nicht. :parzival:
     
  5. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Also kann man zusammenfassen: Für einen Europäischen Bundesstaat müsste dieser dieselben oder fast identischen Kompetenzen besitzen wie - fast - jeder bestehende Staat.

    Ich würde nicht sagen, Pan-Eurpäischen Nationalismus, sondern eher "Patriotismus" bzw. "Verfassungs-/Prinzipen-Patriotismus", nämlich dann bilden einer gemeinsamen Identitat auf Basis der Ideale der Menschenrechte, Demokratie, Humanismus, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, etc. Ich denke, du weißt, was ich meine.
     
  6. Terranigma

    Terranigma
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    Ja. einen europäischen Kulturnationalismus. Das ist auch die einzige Option, die ich für einen europäischen Bundesstaat sehe. Dieser Bundesstaat kann nicht per Gesetz beschlossen werden, sondern muss auf einer gemeinsamen Identität gründen. Es benötigt wohl zuerst einmal eine europäische Öffentlichkeit, d.h. europäische Medien - da sehe ich aber schon bzgl. der Sprache erhebliche Probleme, überhaupt einen europäischen Diskurs zu ermöglichen. Das ist natürlich nicht unmöglich. Arte zeigt ja, wie man es u.a. mit Deutsch-Französisch machen kann. Im Prinzip spricht nichts dagegen, z.B. europäische Nachrichtenformate zu entwickeln, die in den jeweiligen Sprachen lokalisiert und ausgestrahlt werden. Das ist eine Frage des Geldes.

    In diese Richtung würde ich gerne Überlegungen haben. Dereit reden wir in unseren nationalen Medien und Diskursen über, aber nicht miteinander.
     
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  7. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Wir werden sehen. Dies ist ein sehr langfristiges Projekt. Aber die nächsten Schritte müssen erfolgen.

    Würde aber beginnen mit mehr gemeinsamen Institutionen. Frontex, eine Eingreiftruppe die dem Parlament untersteht. Eine EU-Staatsanwaltschaft.

    Überhaupt mal ein stärkeres Parlament.
     
  8. Terranigma

    Terranigma
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    Das ist in der Tat die Frage. Das ist auch der Weg, der in Diskussionen von Politikern i.d.R. als Weg angesprochen wird. Ich würde entgegenhalten und sagen, dass das wichtigste an dieser Stelle die Schaffung einer europäischen Öffentlichkeit ist. Bereits jetzt leidet Europa darunter, dass ihm außerhalb Deutschlands die Europäer fehlen. Weitere Insitutionen, zu denen die Menschen keine Verbindung aufbauen können, wird da nicht helfen.
     
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  9. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Im Prinzip stimme ich dir zu. Man kann die relevanten Institutionen erst schaffen, wenn Europa keine "Hülle" ist. Aber bis dahin - du sagst es ja richtig, dass es schwierig bzw. unklar ist, wie man eine europäische Kulturidentität bzw. Öffentlichkeit schafft - kann man solche von legal erwähnten Behörden schaffen.
     
  10. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Es wäre ein Anfang. Eine andere Idee wäre es, mehr Nachrichten aus anderen europäischen Ländern zu zeigen. Das wäre die Sache der Medien.
    Oder endlich europäische Listen für die Parlamentswahl.
     
  11. Terranigma

    Terranigma
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    Ja, das hast du sicherlich recht. Idealiter arbeitet man an beiden Baustellen parallel, d.h. errichtet das Fundament und gleichzeitig kümmert man sich um jene, die darin leben sollen. Der Grund, warum ich auf den Punkt allerdings so eingehe ist, dass er gefühlt im Diskurs bisher kaum eine Relevanz hat. Die Gestaltung Europas wird zumeist als Schaffung von Insitutionen, Organisationen, usw. die weit jenseits der Alltagsrealität der Menschen stattfinden. Erscheint vielen Deutschen schon Berlin als weit weg, so ist Brüssel für Menschen in Spanien oder Schweden wohl eine ferne Welt. Ich denke aber, dass Europa keine Zukunft hat, wenn ihm die Europäer fehlen - und das tun sie bereits jetzt. Die Zustimmung für die EU ist außerhalb Deutschlands nicht sehr hoch.

    Genau das denke ich nicht. Dann wären es immer noch die französischen Nachrichten oder die griechischen Nachrichten. Es müsste Nachrichtenagenturen geben, die europäische Nachrichten schreiben und Europäer addressieren. In die Richtung wird aktuell aber quasi nicht gedacht, dabei ist Arte eigentlich ein Prototyp. Mein Wunsch wäre eine europäische Rundfunkanstalt.
     
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  12. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Deswegen müssen die Kompetenzen der Nationalstaaten in zwei Richtungen abfließen. Nach Brüssel und nach Stuttgart. Oder München. Oder Barcelona. Wenn wir die Regionen stärken, die alle Teil Europas sind, haben wir beides. Ein starkes Europa und die Menschen können ihrem lokalen Regionalregierungschef im Kaffee begegnen.

    Je nach Größe der Regionen natürlich. Aber in den USA gibts auch Staaten mit nur wenigen Millionen Einwohnern.
     
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  13. Jo.. Die "Mindsets" der beteiligten Nationen sind noch zu unterschiedlich. Die Gemeinsamkeiten reichen gerade so aus, um die NATO halbwegs robust auszustatten und agieren zu lassen. Aber selbst da sieht man, dass je nach konkretem Einzelfall auch Länder mal nicht mitziehen wollen, z.B. Deutschland im Irak.
    Diese Freiheiten sind ok, solange es um ein Bündnis geht, sie sind aber Gift, wenn es um eine einheitliche Organisation geht. Wenn die das Ziel ist, dann muss die gesamte Entscheidungshoheit beim EU-Parlament liegen, ohne dass die nationalen Parlamente und Regierungen nochmal über ja/nein und viele/wenige Entscheiden können. Ist das nicht der Fall, dann hätte man zwar ne hübsche EU-Armee, die aber keine Zähne hätte.
     
  14. The Doctor

    The Doctor
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    Einmal großer deutsch...äh... europäischer Staat bitte. :wahn:
     
  15. Vögelchen Baumwolldealer des Vertrauens

    Vögelchen
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    Was Tommy sagt E
    Erinnert mich an die Blauhelm-Missionen bzw. das häufige ausbleiben solcher. So ein Veto-Recht mag bei der Konstruktion des Weltsicherheitrates eine schlaue Idee gewesen sein, aber praktisch ist es halt überhaupt nicht.
     
  16. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    @Terranigma, @legal, @Blup : Zum Thema "Europäische Öffentlichkeit" : Ich lese seit einigen Jahren einen Blog über die EU, in dem das immer wieder thematisiert wird. Ich finde den Blog generell sehr interessant, vielleicht ist er auch was für euch : http://www.foederalist.eu
     
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  17. Ti1t

    Ti1t
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    Für mich stellt sich die EU als eine Art Großdeutschland dar. Von daher bin ich gegen die EU.

    Man sollte mal langsam anfangen die Bevölkerung dieses zukünftigen europäischen Staates zu fragen ob sie diesen überhaupt wollen.

    EU und Demokratie passt halt nicht so gut.
     
  18. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    In Umfragen verzeichnet die EU seit dem Brexit-Votum steigende Zustimmungsraten. In Deutschland würden sich wohl über 70% für die EU entscheiden. In Spanien oder Polen rund 80%.
     
  19. ancalagon Alarmarzt Meier-Wohlfühl

    ancalagon
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    das muss "aus" heíßen nich "von" :p

    ich finde das Konzept einer Transferunion per se nicht dramatisch. Was aber gar nicht geht, ist diese nachträglich angedachte Kriesenintervention, wie sie vor ein paar Jahren durch die Politik geisterte. Die Nationalhaushalte sind europaweit in einem katastrophalen Zustand. Ähnlich sieht es mit einigen Banken aus.

    Dort JETZT eine 1:1 Union zu etablieren hätte den Charakter eines Privatpatienten, der mit 80 Jahren als Krebskranker zurück in die gesetzliche Kasse will, weil ihm die Beiträge der PKV zu teuer werden :nixblick:

    Soll heißen: als Vorbereitung zu einer solchen Union müssten a) die von dir angesprochenen Standards überall etabliert werden und b) alle Altlasten beseitigt werden. Ggf. eben auch Banken abwickeln (das Prinzip EK > FK > Spareinlagen existiert ja schon) und saniert an den Start bringen. Wenn sie sich dann nach dem Restart alle an die selben Spielregeln halten, kann auch eine Haftungsunion funktionieren.
     
  20. Ti1t

    Ti1t
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    Es gibt auch Umfragen bei denen Steinmeier immer total beliebt war und wieder ist. Trotzdem ist er nicht Bundeskanzler geworden.
     
  21. Man könnte auch als Zwischenschritt ne Zwei- oder Drei-Klassen-Union etablieren, sodass die Schwächsten die Stärkstdn nicht über die Maßen belasten. Ähnliche Vorschlage gab es ja schon im Zusammenhang mit dem Euro selbst.
     
  22. ancalagon Alarmarzt Meier-Wohlfühl

    ancalagon
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    das muss "aus" heíßen nich "von" :p

    Oder bei der DDR. Wie man es nicht machen sollte, hat man ja jetzt schon ein paar mal erlebt :ugly:
     
  23. Terranigma

    Terranigma
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    Halte ich nichts von, weil dies der identitären Integration im Wege stünde. Wenn wir Europa als Föderalstaat als Gesellschaft begreifen, würde dies - wie du sagst - einer Klassengesellschaft mit einer erkennbaren Hierarchie entsprechen. Ich wette darauf, dass es nicht lange dauert, ehe sich spürbare Rassimen in dieser Gesellschaft entwickeln, d.h. zwischen "denen da oben" und "denen da unten". Ebenso hätte ich keine Zuversicht, dass dieser Zwischenschritt tatsächlich ein Zwischenschritt bleibt und nicht vielmehr strukturelle Ungleichheiten zementiert.

    Auch da würde ich auf Deutschland - oder auch die USA - verweisen und sagen: Ungleichheit ist der Normalfall einer Gesellschaft. Wir hierarchisieren auch die Bundesländer innerhalb Deutschlands nicht z.B. anhand ihrer Wirtschaftskraft, sondern leben auf Grundlage des Konsens, dass wir alle Teil einer Gesellschaft sind und dazu gehört, dass die wirtschaftlichen starken Regionen den schwachen Regionen aushelfen. Sobald man so einen Keil in die Gesellschaft treibt, bekommst du den nicht mehr raus.
     
  24. dieMausss

    dieMausss
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    Sehr interessanter Thread bisher. Bzgl. europäischer Öffentlichkeit kann ich voll zustimmen. Ich persönlich denke eine (deutliche) Aufwertung des Parlamentes könnte hier einen zusätzlichen Schub geben.
    Im Moment stellt sich eher die Frage, warum darüber berichten bzw. die Europapolitker kennen wenn am Ende alles der Rat überstimmt?

    Unabhängig davon hätte eine breitere öffentliche Diskussion vll. auch "heilsamen" Einfluss auf die Auswüchse der Lobbyarbeit...
     
  25. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Das Fette passt nicht ganz zu dem, was du später schreibst, nämlich die relative Gleichbehandlung der Länder. :hmm:

    Und zu ersterem : ich glaube kaum, dass bei einem Europa der mehreren Geschwindigkeit sich die Bevölkerung zurückgesetzt wird. Es geht ja um die strukturelle Vertiefung. Ich glaube, die meisten Tschechen sind zufrieden, keinen Euro zu haben, zum Beispiel. Es geht ja nicht um solidarisches.
     
  26. Terranigma

    Terranigma
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    Nein, nicht Gleichbehandlung im Sinne von One Site Fits All. Selbst in Deutschland gilt das nicht. In Deutschland haben wir ein Sozialsystem, das in seiner Funktionsweise für alle Menschen aus jedweder Region gleich operiert, das aber in seiner Realisierung in den Aspekten, die Regional unterschiedlich sind - sprich: Lebenshaltungskosten, z.B. - differenziert. Du hast dasselbe Recht auf Hartz IV unabhängig davon, ob du in Duisburg-Marxloh oder München wohnst und auch das Prozedere verläuft identisch. Gleichwohl ist der Mietzuschuss unterschiedlich, weil Wohnraum in Duisburg-Marxloh günstiger ist als in München. Insofern gibt es eine Ungleichheit, die aber relativ - nicht absolut! - gleichbehandelt wird. In diesem Sinne ist Ungleichheit normal und nicht per se problematisch.

    Um im Bild zu bleiben: die Lebenshaltungskosten in London sind andere als in einem Kaff der Toskana. Auch wird das Kaff in der Toskana niemals ein global bedeutsames Wirtschaftszentrum werden wie es der Großraum London ist. Daraus würde ich aber nicht die Erzählung ableiten, "die Londoner schufften sich für die unproduktiven Säcke in der Toskana den Rücken krumm". Das tun wir in Deutschland - naja, mit Ausnahme der Bayern vielleicht - ja auch nicht. Wenn man die EU-Bundesstaten aber in eine Rangordnug setzt, würde ich unter Garantie vorhersagen, dass genau diese Erzählung aufkommen wird.
     
  27. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Ja, schon verstanden. Aber das entspricht nicht meiner Aussage. Du sagst, Ungleichheit gehört dazu, zeigst aber dann Beispiele wie jetzt, die genau das bekämpfen. Du siehst den Konflikt?
     
  28. Terranigma

    Terranigma
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    Wenn ich sagen, Ungleichheit gehört dazu ist das deskriptiv gemeint. Ich will damit nicht sagen, dass Ungleichheit das Ziel sein soll. Ich sage nur, sie ist eine Realität. Die Politik zielt demgegenüber natürlich auf das Ziel ab, die Ungleichheit zu beseitigen. Auch in Deutschland ist die Ungleichheit der Regionen eine Realität, allerdings schlussfolgern wir daraus nicht, dass im Anbetracht der Ungleichheit ein Klassensystem eingeführt werden sollte, sondern wir betreiben eine Politik, die einen relativen Ausgleich zwischen den Regionen - kurz: von stark nach schwach - anstrebt.

    Ungleichheit als Fakt anzuerkennen, sie im Maße zu ertragen und sie zeitgleich bekämpfen zu wollen, scheint mir kein Widerspruch zu sein. :parzival:
     
  29. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Danke. Das kam aber nicht so rüber. So passt das.

    Trotzdem hat das mit dem Europa der mehreren Geschwindigkeiten andere Elemente als soziale Ungleichheit.
     
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  30. Terranigma

    Terranigma
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    Es geht mir wie gesagt an der Stelle nicht primär um soziale Ungleichheit, sondern um eine identitäre Grenzziehung. Es ist - wie @DerTommy86 sagte - im Endeffekt ein Klassensystem. Und Klassensysteme, insb. in denen die Klassen derart transparent und offen kommuniziert werden, ist ein großes Konfliktpotential zwischen den Klassen inhärent. Ich glaube nicht daran, dass dieses Klassensystem ein Zwischenschritt bleibt, aber ich bin sehr davon überzeugt, dass wenn man so eine Erzählung - "die produktiven Deutschen und die unproduktiven Griechen" - aufmacht und strukturell erhärtet, dass du die Menschen nicht in einer Gesellschaft zusammenbekommst. Gesellschaftspolitisch halte ich das für unklug.

    Kommt womöglich aber auch nur darauf an, wie euphemistisch man in der Lage ist das zu kommunizieren. "Transferunion" klingt ja auch schon einmal harmloser als "Bayern zahlt und NRW kassiert-Union". Wäre ich Kommunikations- und Politberater würde, ich empfehlen, definitiv nicht von "Klassen" zu sprechen. Das weckt schon revolutionäre Assoziationen. :D

    Aber ja, ... wenn ich jetzt so darüber nachdenke, störe ich mich wohl eher - wie so oft - an der Wortwahl, bin aber inhaltlich ansonsten nicht weit von dir entfernt. :parzival:
     
  31. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Eben :D Du hast zwar Recht, argumentierst aber mit sozialen Aspekten, so dass man sich nur falsch verstehen kann, weil das in der Hinsicht nur einen minimalen Aspekt darstellt. ;)
     
  32. Vom sozialpolitischen Standpunkt her vollkommen richtig. Die Frage ist halt, ob so ein neues Staatsgebilde aus wirtschaftlicher Sicht durchhaltefähig ist, wenn seine Mitglieder so krass auseinander liegen. Die Währungskrise hat ja schon gezeigt, in welche Richtung das blöderweise laufen kann.

    Und selbst was das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen betrifft, ist das ein krasses Gesellschaftsexperiment. Ich unterstelle, dass selbst wenn einmal eine europäische Identität gefunden und etabliert wird, die alten nationalen Identitäten für eine sehr lange Zeit weiter in den Köpfen bestehen werden. Das bedingen allein schon die unterschiedlichen Sprachen, auch wenn die Schweiz zeigt, dass es funktionieren kann. Aber man stelle sich mal vor, in der vierten Generation der "USE" kommen die ehemaligen Franzosen auf die Idee, dass sie wieder unabhängig sein wollen. Das wäre quasi Brexit und Katalonien in ner anderen, größeren Kategorie und mit nem gewaltigen Konfliktpotential.
     
  33. Terranigma

    Terranigma
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    Die Stärke dieses Gebildes hängt ja von seiner Gesamtproduktivität ab, nicht von der einzelner Regionen. Auch da würde ich den Vergleich mit Deutschland bemühen und sagen, dass es auch in Deutschland Bundesländer, Regionen und Kommunen gibt, die an sich nicht überlebensfähig wären. Dies müssen sie aber auch nicht. Zwischen einem ländlichen Region in Sachsen und Frankfurt am Main gibt es wohl auch ein großes Gefälle. Der Punkt wäre nur: das Kaff in Sachsen und Frankfurt im Main stehen in keiner Konkurrenz. In Europa haben wir aber aktuell das Problem, dass wir auf der einen Seite einen Prozess der politischen und wirtschaftlichen Integration anstoßen, gleichzeitig aber weiterhin nationale Wirtschaftsinteressen miteinander konkurrieren. Deutschland und Griechenland sind keine Partner, sondern Konkurrenten - und Deutschland wischt mit Griechenland den Boden auf. Das würde aber auch Frankfurt am Main mit dem besagten Kaff in Sachsen tun, würde man eine Konkurrenz zwischen beiden herstellen. Tun wir aber nicht, weil wir ein Staat sind.

    Ja, das sehe ich auch so. Da sehe ich aktuell auch das Problem des Projektes, dass die EU-Integration im Endeffekt die nationale Selbstaufgabe und Abtretung weitreichender Kompetenzen - kurz: Machtverlust - impliziert. Selbst wenn man sich über das Ziel einig ist, kann ich mir gerade nicht vorstellen, wie der Wechsel aussehen soll. Ein gemeinsamer EU-Haushalt, u.Ä. wären wohl gute erste Schritte, um die Nationalstaaten nach und nach zu schwächen. Denke insofern, dass Macron da auf einem guten Weg ist.
     
  34. Scipio Neoliberal

    Scipio
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    Weniger, aber durchaus. Es besteht ein Wettbewerb, wenn auch im kleineren Maße. In einigen Städten (!) gibt es Unterstützung für Unternehmen, damit sich diese bei ihnen und in einer anderen Stadt ansiedeln. Oder siehe die geschaltete Werbung von einigen Bundesländern. Schaue mal in die Schweiz, was dort teilweise ein Wettbewerb unter den Kantonen besteht.
    Der Wettbewerb besteht zwar viel stärker, aber nicht nur auf wirtschaftlicher Ebene. Das ist nur ein Teilaspekt des Ganzen.

    Wie auch bei uns. Siehe Bildungsföderalismus. Du beschreibst Probleme, die auch innerstaalich existieren. Der Blick der Briten auf dem Land nach London mit einer Abschätzigkeit, bei uns zwischen den Bundesländern und auch innerhalb (Nicht nur Ost/West), Österreich mit Wien und anderen Gebieten). Nein, das Problem ist zwar eines, aber nicht das Grundsätzliche. Das ist die kulturelle Identität.
     
  35. [​IMG]
     
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  36. SpeedKill08 Zynische & extrem DEMODIVIERTE Kartoffel*in in BERLIN Moderator

    SpeedKill08
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    In einfach: die EU komplett solidarisch und mit allen Mitgliedern gleichwertig neu erfinden. Falls keinerlei Interesse daran besteht, kann'se weg.
     
  37. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Das wäre ja quasi Option 2. Da wird man einiges ändern müssen, damit das klappt.
     
  38. SpeedKill08 Zynische & extrem DEMODIVIERTE Kartoffel*in in BERLIN Moderator

    SpeedKill08
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    Finde meine Haltung in der Antwort nicht wieder - darum bleib ich bei meiner ersten Aussage.
     
  39. legal Der Zufall und die Zeit Moderator

    legal
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    Dafür gibts ja dann am Ende noch "sonstiges".
     
  40. SpeedKill08 Zynische & extrem DEMODIVIERTE Kartoffel*in in BERLIN Moderator

    SpeedKill08
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    Grafikkarte:
    GIGABYTE GeForce RTX 3080 Ti Vision OC
    Motherboard:
    ASUS ROG Strix X570-E Gaming
    RAM:
    G.Skill Trident Z Neo, DDR4-3600, CL16 - 64 GB
    Laufwerke:
    7x Samsung 860 EVO/ 870 EVO /970 EVO+/980 Pro (15 TB)
    Soundkarte:
    CREATIVE Sound Blaster Z
    Gehäuse:
    Fractal Design Define R6
    Maus und Tastatur:
    Ducky One 2 Backlit PBT, MX BLUE
    Logitech G502 Hero
    Xbox Elite Wireless Controller Series 2
    Betriebssystem:
    Windows 10 Professional (64 Bit)
    Monitor:
    Gigabyte Aorus FI27Q-P + Dell SE2416H + Dell SE2416H + Samsung GQ55Q84T + Valve Index
    Du weißt wie relevant politisch gesehen "Sonstiges" ist. :ugly:
     
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