Die meisten Menschen setzen sich erst mit dem Tod erst auseinander, wenn sie durch den Verlust geliebter Menschen selbst betroffen sind. Zur emotionalen Belastung kommen organisatorische und bürokratische Dinge: Was hat sich der oder die Verstorbene gewünscht? Soll der Körper beigesetzt oder eingeäschert werden?
Für Bestatter sind diese Fragen und der Umgang mit dem Tod tägliche Routine. Das Adventure A Mortician's Tale gewährt uns Einblick in das Leben und Arbeiten dieser Berufsgruppe. Wir schauen durch die Augen der Berufsanfängerin Charlie, die bei dem kleinen Familienunternehmen Rose and Daughters angestellt ist. Ein jeder Arbeitstag beginnt damit, dass wir Charlie zum PC schicken, um nach neuen E-Mails zu sehen. In denen spielt sich dann auch ein Großteil der Geschichte ab. Außerdem erhalten wir so neue Arbeitsanweisungen und private Nachrichten von Freunden und Kollegen. Und dann liegt auch schon eine Leiche für uns bereit, und die eigentliche Arbeit kann beginnen.
Körperwelten
Das Spiel präsentiert sich in einem sehr zurückhaltend isometrischen Grafikstil, mit wenig Farben und Details, die Figuren erinnern ein wenig an gezeichnete Playmobil-Männchen. Trotz der stilisierten Optik ist es ein beklemmendes Gefühl, die erste Leiche aus der Egoperspektive zu bearbeiten. Das medizinische Werkzeug liegt ausgebreitet vor uns. Messer, Schläuche, lange Nadeln und eine große Pumpe warten darauf, benutzt zu werden. Da wir anfangs nicht wissen, wozu die Werkzeuge dienen, nimmt uns das Spiel glücklicherweise an die Hand und sagt uns detailliert, was zu tun ist.
So erfahren wir interessante Details über alle Arbeitsschritte die nötig sind, um eine Leiche für die Bestattung vorzubereiten. So war uns bisher nicht bewusst, dass bereits wenige Stunden nach dem Tod die Augäpfel eines menschlichen Körpers in sich zusammenfallen. Damit die Augenhöhlen des Verstorbenen nicht zu gruselig wirken, werden deshalb halbrunde Plastikschalen unter die Augenlider gelegt und diese mit Leim zugeklebt. Ähnlich rabiat geht es weiter: Der Mund wird zugenäht und alle Organe von verbleibenden Flüssigkeiten befreit, bevor die Blutbahnen mit hochgiftigen Formaldehyd zur Konservierung gefüllt werden.
Fasziniert und interessiert wählen wir die entsprechenden Werkzeuge aus. Falsch machen können wir nichts. Zudem ist es nicht möglich, etwas anderes als den vorgesehenen Arbeitsschritt durchzuführen, um die Pietät der virtuellen Toten zu bewahren. Unsere Leistung wird abschließend nicht bewertet, denn A Mortician's Tale ist kein Spiel im eigentlichen Sinne, sondern ein lineares, erzählerisches Erlebnis, das uns mit den Mitteln und Möglichkeiten des interaktiven Mediums an sein Thema heranführt.
Das Leben der Anderen
Nach erledigter Arbeit öffnet sich neben Charlies Büro ein zweiter Raum, in dem die Bestattungsfeiern stattfinden. Dort treffen wir allabendlich auf die Trauergesellschaft, bekunden unser Beileid und können den Gesprächen der Gäste lauschen. Diese bilden das komplette Spektrum von Trauer und Wut bis hin zur Gleichgültigkeit ab und zeigen auch alltägliche Banalitäten wie ein gelangweiltes Kind, das neben dem Sarg Gameboy spielt. Unterhaltungen führt Charlie keine, die aufgeschnappten Gesprächsfetzen formen sich in der Summe zu kleinen Anekdoten und Geschichten. So bekommen wir zum Beispiel vor Ort und in weitergeleiteten E-Mails den Streit zweier Geschwister mit, die sich uneinig sind, ob sie den Wünschen des verstorbenen Vaters oder der hinterbliebenen Mutter Folge leisten sollen. Daraufhin stellen wir uns die Frage, wie wir im echten Leben in dieser Situation reagieren und argumentieren würden. Es bleibt aber beim Gedankenspiel, wir können niemanden beeinflussen. A Mortician's Tale ist komplett linear und bietet uns in der Rolle der Charlie keine Möglichkeit, uns einzumischen oder (bis auf eine kleine Ausnahme) etwas zu entscheiden.
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