Cube World im Test: Der einstige Youtube-Hit legt nach 6 Jahren eine Bruchlandung hin

Sechs Jahre herrschte Funkstille um Cube World. Doch Ende September steht das totgesagte Action-Rollenspiel im Minecraft-Look plötzlich im Steam Store – und nicht als Early-Access-Version. Aber ist Cube World wirklich fertig?

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Wir haben einen Hängegleiter eingesammelt und schweben über die hübsche Landschaft. Doof: Wir brauchen für jede Region einen separaten Gleiter. Wir haben einen Hängegleiter eingesammelt und schweben über die hübsche Landschaft. Doof: Wir brauchen für jede Region einen separaten Gleiter.

Es sieht auf den ersten Blick wie der drölfzigste Minecraft-Trittbrettfahrer aus, spielt sich aber ganz anders: Cube World. Das Action-Rollenspiel wurde schon 2013 angekündigt und gleich hoch gehandelt. Es entwickelt sich damals vom Facebook(!)-Geheimtipp zum potenziellen Minecraft-Killer. Im Juli 2013 startet die Alpha, und wer die spielen will, muss bis zu 15 Euro berappen.

Diese Early Access-Version lässt sich auch gut an, unser Kollege Sascha Penzhorn erinnert sich heute noch daran, dass er mit seiner Freundin damals durchaus Spaß am Spiel hat: »Für eine Alpha war es echt okay, es fehlte halt noch viel, aber das wollte der Entwickler ja noch nach und nach umsetzen«. Doch statt der versprochenen Updates gibt es … gar nichts. Das zweiköpfige Team meldet sich schlicht nicht mehr, es herrscht Funkstille. Im Oktober 2015 verspricht der Entwickler noch mal neue Inhalte, danach taucht er wieder ab.

Bis zum 11. September 2019. Denn da kündigt Projektleiter Wolfram »Wollay« von Funck einen Beta-Test an, und schon eine Woche später soll Cube World als vollwertiger Steam-Release starten - also nicht als Early-Access-Version. Und tatsächlich: Für rund 20 Euro steht Cube World seit dem 30. September im Steam Store. Wer das Spiel vorher schon gekauft hat, kann sich über die Homepage cubeworld.com einen Steam-Key gratis holen. Aber wie gut ist das totgeglaubte Action-Rollenspiel denn nun?

Ein Oger schlägt mit einem Riesenknochen nach uns. Wegen des schlechten Balancings wimmelt schon das Startgebiet von übermächtigen Gegnern. Ein Oger schlägt mit einem Riesenknochen nach uns. Wegen des schlechten Balancings wimmelt schon das Startgebiet von übermächtigen Gegnern.

Massive Balancing-Probleme

Auch wenn Cube World optisch an Minecraft erinnert, baut ihr hier nichts: Ihr haut keine Bäume um, buddelt keine Steine aus, errichtet keine Gebäude. Stattdessen spielt ihr eine der vier Klassen Krieger, Ranger, Dieb und Magier, erledigt allein oder mit Steam-Freunden Gegner, absolviert Quests und verbessert laufend eure Ausrüstung, also Waffen, Klamotten, Tränke und so weiter. Nur über dieses Equipment wird euer Charakter stärker - denn fürs Gegnerplätten und Aufgabenerledigen gibt es weder Erfahrungspunkte noch Level-ups.

Und schon haben wir das erste Balancing-Problem: Man kann zwar Equipment von Händlern kaufen, doch deren Warenangebot ist so dünn wie schlecht. Von Gegnern erbeutete Ausrüstung ist zwar meistens besser, droppt aber selten und passt oft nicht zu unserer Klasse - als Ranger haben zum Beispiel oft nutzlose Schilde ergattert, die wir nur zu einem Spottpreis verkaufen können. Es gibt zwar ein Crafting-System, aber hier fehlen euch anfangs gescheite Rezepte, um eure Ausrüstung halbwegs zu verbessern. Die ist aber bitter nötig. Warum? Auftritt Balancing-Problem Nummer Zwei!

Cube World - Fazit-Video zur »fertigen« Steam-Version Video starten 4:43 Cube World - Fazit-Video zur »fertigen« Steam-Version

Die Spielwelt wimmelt nämlich schon im Startgebiet von übermächtigen Gegnern. Neben harmlosen Karnickeln stapfen Oger und andere Riesenviecher durch die Landschaft, schätzungsweise 80 bis 90 Prozent aller KI-Gegner sind deutlich stärker als ihr! Das macht schon die ersten Schritte zum Spießrutenlauf, weil ihr dauernd irgendwelchen IMBA-Mobs ausweichen müsst. Wenn sie euch trotzdem erspähen, seid ihr immer so gut wie tot, denn die Übergegner verfolgen euch auch gern mal eine ganze Minute lang (es sei denn, sie bleiben an einem Hügel oder anderem Hindernis hängen).

Wir haben kein Problem damit, wenn uns ein Spiel ins kalte Wasser wirft und von Anfang an knackige Gegner auftischt. Aber hier ist es echt unfair frustrierend und übertrieben, Cube World lässt seine Spieler völlig allein, und wer die Alpha damals nicht gespielt hat, steht wie der Ochse vorm Voxelberg. Doch es kommt noch schlimmer.

Der größte Witz

Die Fantasy-Welt ist in mehrere Dutzend Regionen unterteilt und rund 30 mal 30 km groß (im Gegensatz zur Alpha ist die Welt nicht mehr prozedural zufällig erzeugt und auch nicht unendlich). Neben den umherstreifenden Mobs trefft ihr immer wieder auf NPC-Helden und -Zivilisten, die in Textfenstern entweder einzeiligen Small Talk betreiben (»Nette Schulterrüstung!«), uns Tipps geben (»Auf Hügel X liegt Ring Y.«) oder Aufträge erteilen (»Hau doch mal die Hexe im Norden um!«). Die Ortsangaben werden jeweils auf unserer Landkarte markiert.

Allerdings ist auch hier das Balancing katastrophal: Besagte Hexe hat mal eben das schlappe Fünfzigfache unserer Hitpoints, sie verwandelt unseren Heldenkörper per Oneshot in Pixelnebel. Wohlgemerkt, das war keine Elite-Quest, sondern die allererste Aufgabe im Spiel.

Das »Questsystem« ist simpel: Jeden NPC anquatschen und hoffen, dass er uns einen brauchbaren Hinweis auf Items gibt – und dass der Fundort nicht von IMBA-Gegnern umzingelt ist. Das »Questsystem« ist simpel: Jeden NPC anquatschen und hoffen, dass er uns einen brauchbaren Hinweis auf Items gibt – und dass der Fundort nicht von IMBA-Gegnern umzingelt ist.

Kann natürlich Zufall sein, doch anderen Spielern ist es genauso ergangen. Überhaupt sind viele auf der Karte offenbarten Gegenstände, die wir dringend für unser Outfit bräuchten, schlicht nicht zu kriegen, weil sich drumherum übermächtige Gegner stapeln. Also wiederholt ihr immer diese Endlosschleife: Schaffbare Gegner suchen, knappen Loot farmen, NPCs anquatschen, die hoffentlich eine schaffbare Aufgabe anbieten, auf brauchbare Beute hoffen, wieder von vorn. Achja, zwischendurch mixt ihr am besten noch Heiltränke.

Und wenn wir doch tapfer alle Widrigkeiten überwunden und endlich unsere Ausrüstung optimiert haben, folgt der nächste Schmerz: Die hochwertige Ausrüstung wird zurückgesetzt, wenn wir in ein anderes Gebiet reisen! Aus einer legendären Armbrust wird dann das Standardmodell, und die Endlosschleife beginnt von vorn. Nützliche Items wie ein Hängegleiter oder ein Boot können wir gar nicht mehr nutzen, wenn wir das Gebiet wechseln, denn sie sind an ihre jeweilige Region gebunden. Wenn wir also im neuen Gebiet einen Gleiter nutzen wollen, müssen wir ihn erst mühsam finden.

Gamedesign aus der Hölle: Wenn wir die Region wechseln, werden Items abgewertet, da sie gebietsgebunden sind. So werden wir immer wieder zurückgeworfen. Gamedesign aus der Hölle: Wenn wir die Region wechseln, werden Items abgewertet, da sie gebietsgebunden sind. So werden wir immer wieder zurückgeworfen.

Das ist das allergrößte Problem von Cube World: Wir haben nie das Gefühl, dass wir Fortschritte machen, weil wir ja immer wieder zurückgeworfen werden. Dabei ist es doch genau das stetige Verbessern, das den Reiz solcher Spiele ausmacht! Hier haben die beiden Entwickler leider viel Potenzial verschenkt und völlig falsche Designentscheidungen getroffen, indem sie funktionierende Elemente wie Erfahrungspunkte, Levels und neue Skills rausgeworfen haben - obwohl es sie ja schon in der Alpha gab.

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