Deutsche Games-Förderung: “Für uns ist das eine echte Katastrophe“

Überforderung, Bürokratie, fehlendes Fachwissen: Petra Fröhlich von GamesWirtschaft berichtet, wie ein deutscher Entwickler die Games-Förderung erlebt.

Im Etat des Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) sind Games-Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Euro vorgesehen (Foto: GamesWirtschaft) Im Etat des Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) sind Games-Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Euro vorgesehen (Foto: GamesWirtschaft)

Allein für die Jahre 2019 und 2020 sitzt das Bundesverkehrsministerium (BMVI) auf einem Berg von 100 Millionen Euro (in Worten: einhundert Millionen Euro), der nur darauf wartet, in die Entwicklung international wettbewerbsfähiger Computerspiele investiert zu werden. Allein: Die Abschichtung des Geldes geht denkbar schleppend voran - und wird immer mehr zu einem existenziellen Problem für die Antragsteller.

Was bedeutet dieser Bearbeitungs- und Auszahlungs-Stau eigentlich konkret für ein Spiele-Studio?Daran lässt uns der Geschäftsführer eines Unternehmens teilhaben, der sich um Fördergelder in sechsstelliger Höhe beworben hat.

Unsere Gastautorin: Petra Fröhlich war über 22 Jahre durchgehend Bestandteil der Redaktion von PC Games - von 2000 bis 2014 im Amt der Chefredakteurin. Im Juli 2016 startete Fröhlich das Nachrichtenmagazin GamesWirtschaft, inzwischen eines der führenden deutschsprachigen B2B-Angebote mit Schwerpunkt Computerspiele.

Petra Fröhlich schreibt darüber hinaus regelmäßig für GameStar-Plus. In ihrer Kolumnenserie #entwicklungsland liefert sie detaillierte Einblicke und fundierte Meinungen über deutsche Entwickler, Politik und Wirtschaft.

Dieser Artikel erschien zuerst bei GamesWirtschaft.de, wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung.

Im Lichte des weiterhin laufenden Förder-Verfahrens hat der Entwickler darum gebeten, dass seine Identität nicht öffentlich wird.

»Die Bearbeitungszeiten sind einfach unglaublich lang«

GamesWirtschaft: Wann wurde der Förder-Antrag eingereicht?

Games-Entwickler: Das Bewerbungsverfahren startete im Juni 2019. Wir waren recht früh dran und haben uns wenige Wochen nach dem Startschuss mit unserem Projekt für die Förderung beworben. Als Bearbeitungszeit für die Förderanträge hatte das BMVI drei bis maximal sechs Monate ausgeschrieben. Mit einer verbindlichen Rückmeldung zu unserem Antrag war also vor Jahresende 2019 zu rechnen - entsprechend haben wir geplant.

Das Antragsverfahren sieht eine sehr detaillierte Personalplanung vor. Man muss genau angeben, welche Mitarbeiter an dem geförderten Projekt mitwirken sollen. Auch muss man sehr detailliert Auskunft geben, woran genau jeder einzelne Mitarbeiter arbeitet, und einen genauen Zeitplan hierfür einreichen. Von dieser Planung darf man nicht abweichen - tut man es doch, dann kommt das gesamte Förderverfahren »durcheinander« und man muss zudem jede Abweichung vom Ministerium einzeln bewilligen lassen. Das will man natürlich unbedingt vermeiden.

Wir haben also alle Weichen so gestellt, dass unser Team ab Herbst für das neue Projekt uneingeschränkt zur Verfügung steht und sofort anfangen kann, sobald eine Förderzusage kommt.

Wir haben viel Arbeit in unseren Antrag gesteckt und ein umfangreiches Pitchdeck (Kurzpräsentation, Anm. d. Red.) ausgearbeitet. Daher sind wir mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer Förderzusage ausgegangen.

Wie lief seit Antragstellung die Kommunikation mit dem BMVI?

Das BMVI hat die Bearbeitung der Anträge an den DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Anm. d. Red.) delegiert. Dort ist man grundsätzlich sehr bemüht und die Sachbearbeiter sind freundlich und gesprächsbereit. Wir haben auch zunächst sehr positives Feedback auf unser Spielkonzept und Pitchdeck erhalten.

Das Problem war dann jedoch: Die Bearbeitungszeiten sind einfach unglaublich lang.

Dies hat mehrere Gründe:

  • Zum einen ist das Antragsverfahren sehr komplex und detailliert. Es werden wahnsinnig viele Detailinformationen abgefragt. Jeden Handgriff muss man ausführlich begründen. Jede Fremdleistung, zum Beispiel Freelancer-Stunden, muss man einzeln aufschlüsseln und beschreiben. Und man muss Vergleichsangebot bringen um zu zeigen, dass man die Leistung nicht zu teuer einkauft. Das ist ein enormer Papierkrieg.
  • Hinzu kommt, dass bei den Sachbearbeitern des DLR nur wenig Branchenwissen vorhanden ist. Dinge, die in der Branche eigentlich selbstverständlich sind, muss man aufwändig erklären und begründen. Das nimmt dann teilweise bizarre Formen an. Zum Beispiel: Warum ist eine Unity-Lizenz für die Entwicklung eures Spiels notwendig? Könnt ihr nicht statt Unity nicht eine andere, kostengünstigere Software verwenden? Was ist ein Switch-Entwicklerkit? Was genau macht eigentlich ein Level-Designer?
  • Erschwerend kommt hinzu, dass diese vielen Rückfragen nicht in einem Aufwasch bearbeitet werden, sondern sequenziell nacheinander. In der Praxis läuft das dann wie folgt: Man beantwortet eine Frage. Dann vergehen vier Wochen. Dann kommt die nächste kleinliche Rückfrage wegen irgendeinem unwichtigen Planungsdetail. Die beantwortet man, dann vergehen wieder vier Wochen. Und so weiter.

Dadurch zieht sich das ganze Verfahren natürlich ungeheuer in die Länge. In unserem Fall hat das dazu geführt, dass die vom BMVI abgegebene maximale Bearbeitungszeit von sechs Monaten mittlerweile überschritten ist.

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Start der Games-Förderung: »Für uns ist das Ganze eine echte Katastrophe«

Wie bewertet ihr die Ist-Situation? Was bedeutet sie konkret für euer Projekt, eure Mitarbeiter und euer Unternehmen?

Für uns ist das Ganze eine echte Katastrophe.

Zum einen ist das Team inzwischen komplett demotiviert. Wir hatten uns gefreut, ein tolles und innovatives Spiel machen zu können. Stattdessen sitzt das Team nun jedoch seit Monaten untätig herum und dreht Däumchen. Wir können die Zeit auch nicht sinnvoll nutzen denn wir können ja nicht mal eben so ein anderes Projekt »dazwischenschieben«. Videospiel-Produktionen sind aufwändig und teuer und brauchen viel Vorlauf. Die Wartezeit ist für uns also verlorene Zeit.

Wirtschaftlich ist es ebenfalls ein echtes Selbstmordkommando. Denn wir haben ja laufende Betriebskosten, müssen die Gehälter und die Mieten bezahlen. Jede Woche die vergeht, verbrennen wir Geld. Selbst wenn wir jetzt die Förderzusage bekommen würden, hätten wir bereits draufgezahlt.

Wir sind wie gelähmt, denn es kann ja theoretisch morgen die Zusage vom BMVI kommen und dann müssen wir sofort einsatzbereit sein um unsere Planung einhalten zu können.

Diese Situation trifft nicht nur auf uns zu, sondern lässt sich sicherlich auch auf andere Spielentwickler übertragen. Aus unserer Sicht ist das Ganze absolut skandalös. Diese Art von »Förderung« ist geeignet, die Spielbranche in Deutschland kaputt zu machen. Man »parkt« ja quasi die Spieleentwickler mit dem Versprechen auf eine Förderung, und lässt sie dann am ausgestreckten Arm verhungern.

Es sind angeblich mehr als 300 Anträge beim BMVI/DLR noch unbearbeitet. Wenn man das mal hochrechnet, wie viele »geparkte« Spieleentwickler seit Monaten unproduktiv herumsitzen und ihr Geld sinnlos verbrennen, dann ist das volkswirtschaftlich gesehen ein Verbrechen.

In der aktuellen Form richtet die Games-Förderung definitiv mehr Schaden an als Nutzen an.

»In der aktuellen Form mehr Schaden als Nutzen«

Was würdet ihr euch konkret wünschen, um den Status Quo zu verbessern?

Damit die Games-Förderung praxistauglich wird und einen positiven Effekt für die Branche bringt, muss das Förderverfahren dringend grundlegend überarbeitet werden.

  • Zum einen muss das Antragsverfahren insofern vereinfacht werden, dass weniger Detailinformation abgefragt wird. Man muss den Spieleentwicklern mehr Vertrauen entgegenbringen und davon ausgehen, dass die wissen, was sie da tun. Als Vorbild kann man sich hier den Nordic Game Support nehmen, welches für Entwickler im skandinavischen Raum eine extrem schnelle und unkomplizierte Bezuschussung von Spieleprojekten ermöglicht.
  • Zum zweiten muss das Antragsverfahren insofern vereinfacht werden, dass nicht eine starre Projektplanung eingefordert wird, sondern man den Entwicklern Freiraum lässt, um agil und adaptiv zu arbeiten. Spieleentwicklung ist ein kreativer Prozess, bei dem man typischerweise am Anfang noch gar nicht so genau weiß, was am Ende dabei herauskommt. Und das muss auch so sein, das ist gut so, das bringt die besten Ergebnisse. Wir arbeiten daher zum Beispiel nach dem Scrum-Verfahren, das heißt, wir planen immer nur jeweils eine Woche im Voraus und versuchen ansonsten, möglichst flexibel zu bleiben. Kein Mensch macht in der Spielebranche noch Projektplanung nach dem Wasserfall-Prinzip, wo jeder Handgriff auf sechs Monate im Voraus verplant ist. Das macht man vielleicht im Straßenbau so. Aber nicht in der Kreativbranche.
  • Der dritte und wichtigste Punkt ist jedoch, dass man den Entwicklern erlaubt, mit der Arbeit am Projekt zu beginnen, auch wenn das Antragsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Das ist in der Filmbranche so üblich, auch bei regionalen Förderprogrammen (Nordmedia, NRW etc) macht man das so. Der Entwickler reicht den Antrag ein und kann dann schon loslegen. Auf eigenes Risiko natürlich, denn es gibt ja keine Garantie dass man die Förderung tatsächlich bekommt.

Das ist aber immer noch besser als das komplette Team zum Nichtstun zu verdonnern. Dieses Verfahren nennt sich im Fachjargon »vorzeitiger Maßnahmenbeginn« und muss bei der BMVI-Förderung schnellstmöglich nachgebessert werden!

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