Drachen, Schwerter und Zauberei? Von wegen! Elemente des traditionellen Fantasy-Rollenspiel-Settings sucht man im ungewöhnlichen JRPG Earthbound vergeblich. Denn das spielt in den Vereinigten Staaten des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Game Designer und kreativer Kopf hinter dem Spiel: Shigesato Itoi. Das ungewöhnliche Setting ist sein Einfall. Seine Vision: ein Rollenspiel, das nicht in einer Fantasy-Welt spielt, sondern in einer, wie er sagt, »leicht durchgeknallten« Version der Gegenwart.
1994 erscheint Earthbound in Japan unter dem Namen Mother 2 (siehe Kasten unten), das erste Mother hat es zuvor nicht auf den westlichen Markt geschafft und folgt erst 2015 als Earthbound Beginnings für die Wii U. Für westliche Spieler bedeutet Earthbound also 1995 den Erstkontakt zur Mother-Serie - und der besteht häufig aus einem Grinsen. Denn das Rollenspiel konterkariert und persifliert traditionelle Rollenspiel-Klischees.
Report: Die dunkle Seite von Tetris - Wie das Puzzlespiel seine Entwickler verfluchteDie Helden des Abenteuers sind eine Handvoll Kinder, die sich aufmachen, die Welt vor einer bis zum Ende diffus bleibenden, bösen Macht namens Giygas zu retten. Auf den ersten Blick scheint Earthbound ein zuckersüßes Spiel zu sein, in dem wir unsere jungen Protagonisten durch heimelige Ortschaften und niedliche Landschaften führen.
Aber bald wird klar, was Itoi mit einer »leicht durchgeknallten« Version der Realität meint. Durch Giygas bösen Einfluss ist uns alles in der Welt feindselig gestimmt. Und hinter dieser Feindseligkeit steckt viel mehr, als Earthbound auf den ersten Blick preisgibt.
Mother vs. Earthbound
Bis heute ist unklar, was Nintendo dazu bewogen hat, Mother 2 für den westlichen Markt in Earthbound umzubenennen. Eine Theorie besagt, dass die Firmenchefs befürchteten, ein Spiel namens »Mutter« würde im Westen bei der angepeilten Zielgruppe junger, männlicher Spieler nicht besonders gut ankommen. Vielleicht scheute man auch einfach die »2« im Titel, denn das erste Mother von 1989 war im Westen nie erschienen. Weit hergeholt war der Name jedenfalls nicht: Offenbar zog man schon während der Entwicklung Earthbound als alternativen Titel in Erwägung.
In Sachen Verkaufszahlen ging die Titelrechnung zunächst nicht auf: Die simple Grafik gepaart mit der satirischen Werbekampagne und der generellen Schwäche des Rollenspiel-Genres dämpfte das Interesse an Earthbound. Erst im Laufe der Folgejahre erwuchs eine treue Fangemeinde, die den Ruhm des Spiels in die Welt hinaustrug und so dafür sorgte, dass Earthbound heute (zu Recht) als Klassiker gefeiert wird.
Dunghaufen statt Drachen
Vordergründig gibt sich Earthbound kindlich und harmlos satirisch, wie ein freundliches »South Park« - dessen Rollenspiel-Ableger der Stab der Wahrheit später übrigens wirklich von Earthbound inspiriert wurde. Im JPRG kämpfen wir gegen Dunghaufen mit Kulleraugen, Kultisten der Farbe Blau und selbst gegen Straßenschilder.
Richtig gelesen: Statt in epischen Schlachten gegen Drachen und sonstiges Fantasy-Gewürm treten wir in Earthbound gegen Verkehrsschilder mit Tempolimit »40 Meilen pro Stunde« an. Das ist umso absurder, weil es so furchtbar normal ist. Läge das Tempolimit bei »4.000 Meilen pro Stunde«, dann hätte das irgendwie wieder epische Größenordnungen - aber ein stinknormales Verkehrsschild?
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