Electronic Arts - Erforscht unfaires Matchmaking, Mikrotransaktionen statt Skill

Forschungspapiere und Patenteinreichungen von EA legen nahe, dass der Publisher sein Matchmaking auf Spielerbindung und Mikrotransaktionen optimieren möchte.

Electronic Arts erforscht, ob man Match-Ergebnisse nicht vorab festlegen sollte, damit der Spieler möglichst lange bei der Stange bleibt. Electronic Arts erforscht, ob man Match-Ergebnisse nicht vorab festlegen sollte, damit der Spieler möglichst lange bei der Stange bleibt.

Entscheidet bald Electronic Arts, statt unser eigenes Können, ob wir ein Match in FIFA oder Battlefield gewinnen oder verlieren? Mit dem Gedanken spielt zumindest eine Forschungsgruppe innerhalb des Publishers, die mit zwei Forschungspapieren derzeit für Aufmerksamkeit sorgen.

Der YouTuber YongYea ist zuerst über den Fall gestolpert und verweist auf die von EA-Mitarbeitern im Jahr 2017 veröffentlichten Papiere »Dynamic Difficulty Adjustment for Maximized Engagement in Digital Games« (Dynamische Anpassung des Schwierigkeitsgrads zur maximalen Spielerbindung in digitalen Spielen) und »EOMM: An Engagement Optimized Matchmaking Framework« (EOMM: Ein zur Spielbindung optimiertes Matchmaking-System).

Dynamische Schwierigkeit, ein alter Hut

Bei der dynamischen Anpassung des Schwierigkeitsgrades handelt es sich nicht um ein neues Konzept: Bereits seit Jahrzehnten wird bei einigen Spielen im Hintergrund der Schwierigkeitsgrad gesenkt, wenn der Spieler zu häufig scheitert. Alternativ geht der Schwierigkeitsgrad hoch, wenn der Spieler keine Herausforderungen erlebt.

EAs Forscher wollen nun ein System entwickelt haben, das den Schwierigkeitsgrad so ändert, um den Spieler maximal zu binden. Sprich: Der Spieler soll mehr spielen, was (hoffentlich) zu mehr Ingame-Käufen führt. Laut den Forschern konnte man mit dem anpassenden Schwierigkeitsgrad bis zu 9 Prozent höhere Spielerbindung erzielen, ohne das auf Kosten der Monetarisierung zu erreichen.

Variabler Schwierigkeitsgrad, um Spieler möglichst lange zocken zu lassen? Durchaus für kommende EA-Titel wie Anthem denkbar. Variabler Schwierigkeitsgrad, um Spieler möglichst lange zocken zu lassen? Durchaus für kommende EA-Titel wie Anthem denkbar.

Anwendungsgebiete sind leicht zu denken: Praktisch alle Singleplayer- und Koop-Spiele könnten vom erdachten System profitieren. Sollte das Spiel erkennen, dass der Spieler in einer frustrierenden Situation steckt und er wahrscheinlich bald aufgeben wird, könnte man ihm einen Booster geben oder Gegner schwächen. Dann bleibt er bei der Stange und spielt weiter. Egal ob Mobile-Spiel wie Plants vs. Zombies 2 oder der kommende AAA-Lootshooter Anthem, überall würde das System Sinn ergeben.

EOMM: EA sagt, ihr dürft gewinnen

Ein etwas fieserer Trick gegenüber der dynamischen Schwierigkeit ist EOMM, also auf Spielerbindung optimiertes Matchmaking. Spieler sollen nicht nach ihrer Fähigkeit in Multiplayer-Matches zugelost werden, vielmehr soll das Matchmaking die Spieler nur möglichst lange bei der Stange halten. Die Forscher geben im Papier selbst stolz an, dass man wohl den bisher ersten Vorschlag macht, Matchmaking nicht als System für faire Matches zu betrachten:

"Unseres Wissens nach haben wir noch keine Matchmaking-Methode gesehen, die Matchmaking als Optimierungsproblem definiert, um die Spielerbindung zu maximieren."

Bisherige Matchmaking-Methoden würden sich dagegen damit aufhalten, Spaß durch faire Matches zu erzeugen, oder indem man Spieler auf verschiedene Rollen innerhalb des Teams aufteilt. Dies seien aber nur konzeptuelle Ansätze, die EAs Forschern nach experimentell nicht bewiesen haben, dass sie Spieler binden können.

Wie funktioniert das System nun? Die Forscher nutzen existierende Daten eines »großen 1vs1-PvP-Spiels von Electronic Arts«, also wahrscheinlich ein Sportspiel wie FIFA oder NHL. Anhand der verfügbaren Daten wissen die Forscher bereits, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Spieler nach drei Matches das Spiel abschaltet. Je nachdem, ob er alle Spiele, gewonnen, verloren oder unterschiedliche Ergebnisse erzielt hat. Am ehesten geben solche Spieler auf, die drei Mal in Folge verlieren, das dürfte niemanden verwundern.

Drei Siege hintereinander sind allerdings auch nicht optimal zur maximalen Spielerbindung. Um das Risiko zu minimieren, dass der Spieler aufgibt, sind für die drei Spiele Kombinationen wie »Unentschieden-Niederlage-Sieg« oder »Unentschieden-Unentschieden-Unentschieden« tatsächlich besonders effektiv. Das habe man nach mehreren Millionen Matches an Daten herausgefunden.

Das nächste FIFA-Match mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen, weil EOMM unsere Frustration bemerkt und uns einen entsprechend schwachen Kontrahenten zulost? Nach dem Modell von EAs Forschungsabteilung denkbar. Das nächste FIFA-Match mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen, weil EOMM unsere Frustration bemerkt und uns einen entsprechend schwachen Kontrahenten zulost? Nach dem Modell von EAs Forschungsabteilung denkbar.

Nun haben die Forscher einfach simuliert, was passieren würde, wenn man mit der Matchmaking-Methode EOMM keine fairen Matches erhält, sondern zwei unterschiedlich gute Kontrahenten so auswählt, dass die Spieler immer abwechselnd gewinnen und verlieren, damit die Spielerbindung möglichst hoch bleibt. Man versucht also schon vor der Partie das Ergebnis mit relativer Sicherheit zu bestimmen, indem man zwei ungleiche Spieler gegeneinander antreten lässt. Die Daten wurden dann mit denen des klassischen skillbasierten Matchmakings verglichen.

Und siehe da: Über die Länge von 8 Stunden und 20 Partien würde EOMM 15 Prozent mehr Spieler bei der Stange halten als skillbasierten Matchmaking. Das Konzept der maximalen Spielerbindung geht also zumindest in der Simulation auf. Ob das System schon wirklich in FIFA und Co. getestet wurde, ist nicht bekannt.

Was soll maximale Spielerbindung bringen?

Wozu nun das ganze Aufsehen um maximale Spielerbindung? Das Konzept ist hinlänglich aus Free2Play-Spielen bekannt und funktioniert auch in AAA-Spielen mit Mikrotransaktionen: Wer ein Spiel länger spielt, wird weniger Zeit und Geld in andere Titel investieren und mit höherer Wahrscheinlichkeit in sein favorisiertes Spiel Geld für Ingame-Käufe stecken. Egal, ob Lootbox oder im Falle von EAs Sportspielen die Ultimate-Team-Kartenpakete, durch hohe Spielerbindung erhält man mehr Kunden für längere Zeit, die wahrscheinlich mehr Geld investieren werden.

Das legt das Forschungspapier so deutlich auch nahe. Dort heißt es im Abschluss, dass EOMM richtig angewendet praktisch jedes System eines Spiels optimieren kann, nicht nur die direkte Spielerbindung:

"Außerdem können wir die Funktion auf andere relevante Kernmerkmale des Spiels anwenden, beispielsweise Spielzeit, Spielerbindung oder das Ausgeben von Geld."

Auch Activision arbeitet derzeit an einem Matchmaking, das nicht auf die Fähigkeit der Kontrahenten optimiert wird. Vielmehr soll das Matchmaking angewendet werden, um Werbung für Ingame-Käufe zu erzeugen und Mikrotransaktionen anzukurbeln. Das Matchmaking sei offiziell noch nicht in Spielen verfügbar, Activision hält aber bereits das Patent daran. Mehr zum Mikrotransaktions-Matchmaking von Activision in unserer News.

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