Factorio zeigt, dass Spiele so viel mehr sein können

Ausgerechnet das vermeintlich seelenlose Fabrikspiel Factorio belegt, dass Spiele inzwischen mehr zu sagen haben als »Rette die Welt«.

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  • Factorio ist nicht nur ein sehr gutes Spiel - es zeigt, wie das Medium Videospiele in den letzten Jahren über sich selbst hinausgewachsen ist. Zu verdanken haben wir das den engagierten Communitys und ihren vielen Tausend Spielern.
  • Spiele wie Factorio und ihre Spieler erzählen Geschichten - das ist der Schlüssel zu ihrem kulturellen Erfolg, ihrer Popularität.
  • Im Report erklärt unsere Autorin, wie Spielejournalisten die Story hinter dem Spiel suchen, warum sich das Machtverhältnis zwischen Herstellern und Spielern verschoben hat und wieso Factorio und die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Entwicklers Wube Software beispielhaft für die schöne, neue Spielewelt stehen.

Die gigantischen Fabrikanlagen von Factorio wirken seelenlos, können uns aber über die menschliche Seele nachdenken lassen. Die gigantischen Fabrikanlagen von Factorio wirken seelenlos, können uns aber über die menschliche Seele nachdenken lassen.

Stahlarme schaufeln Erz- und Kohlebrocken vom Förderband, stopfen sie in Hochöfen. Einer, zwei, Dutzende Öfen. Andere Greifer zerren Eisenplatten aus der Glut auf ein zweites Förderband hinüber zu den Chemiewerken, die Eisen- und Kupferplatten mit Schwefelsäure zu Batterien verschweißen, die auf einen Zug verladen sofort weiterrattern zur Drohnenfabrik.

Ein Ballett aus Greifarmen füttert Maschinen und schichtet Bauteile auf Förderbänder, die sie über braunen Boden tragen, den unsere unaufhaltsam wachsende Fabrik mehr und mehr bedeckt. Es wird geschmolzen und gestanzt, geschweißt und gestapelt. Liefe nicht unsere einsame, kleine Spielfigur zwischen den unermüdlichen Robotern herum, wäre Factorio das perfekt entmenschte Moloch, die Maschine, die Maschinen baut.

Das klingt seelenlos, lehrt uns in Wahrheit aber sehr viel über die menschliche Natur und die Bedeutung von Spielen im Allgemeinen. Oh, und seine User-Wertungen auf Steam sind zu 98 Prozent positiv. Wir analysieren die Faszination Factorio, das eindrucksvoll belegt, dass Spiele so viel mehr sein können als Ablenkung und Zeitvertreib.

Die Autorin
Anfänglich sah Factorio für Nora Beyer aus wie ein ziemlich hässliches, chaotisches Spiel bar aller Charaktere oder interessanter Geschichten. Aber nach und nach wurde ihr klar, dass hinter dem Spiel des tschechischen Indie-Teams Wube Software sehr viel mehr steckt als eine weitere Aufbau- und Wirtschaftssimulation. Und dass es gar nicht um Fabriken und Greifarme geht, sondern um nichts weniger als künstlerische Freiheit und die Schaffung von Kultur.

Eine neue Spielezeit

In Factorio gibt es immer etwas zu tun, immer etwas zu optimieren. Zum Beispiel komplexe Förderbänder. In Factorio gibt es immer etwas zu tun, immer etwas zu optimieren. Zum Beispiel komplexe Förderbänder.

Achtung, nun folgt sehr viel Theorie, aber die braucht es auch, weil die Spielewelt komplexer geworden ist. Früher war alles einfach. Wir gingen in den Spieleladen ums Eck, kauften eine bunte Box mit dem fix und fertigen Spiel, spielten es im Singleplayer durcht - und gut war's.

Es war eine weitgehend in sich geschlossene, endliche Form des Spielens. Heute sieht das anders aus. Early Access-Entwickler beteiligen uns direkt am Entstehungsprozess des Programms, das wir früher nur passiv konsumiert haben.

Die Roboterarme einer Autofabrik (hier ein Bild im Factorio-Forum) sind das wohl bekannteste reale Pendant zur Factorio-Welt. Die Roboterarme einer Autofabrik (hier ein Bild im Factorio-Forum) sind das wohl bekannteste reale Pendant zur Factorio-Welt.

Zugleich organisieren wir uns in Communities sowohl im (Multiplayer-)Spiel selbst als auch außerhalb des Spiels in dazugehörigen Foren; sodass wir in ständigem Austausch mit Gleichgesinnten stehen. Und: Einen großen Teil des Marktes besetzen Online-Spiele mit ihren oftmals riesigen Welten, ausgerichtet auf vermeintlich endlosen Spaß. The video game must go on.

Doch das Spiel läuft nur weiter, wenn die Spieler bei der Stange gehalten werden, entsprechend zentral ist die Kundenbindung. Früher reichte es, den Spieler über die Schwelle zur Kaufentscheidung zu bugsieren. Heute bildet der Kauf lediglich den Beginn eines langen Kundenbindungsprozesses, der über den Aufbau transmedialer Spieleuniversen und verschworener Communities Zugehörigkeitsgefühle schafft, die uns das machen lassen, was das endlose Spiel am Leben hält: weiterspielen. Dafür könnte es kein besseres Beispiel geben als Factorio.

Games go Basisdemokratie

Erzeugen von Zugehörigkeitsgefühlen? Eine endlose Weiterspiel-Schleife? Klingt alles etwas nach Kulturverdruss und Apokalypse. Und klar ist auch wirklich nicht alles einhorn-pink und unschuldig. Aber schauen wir doch mal genauer hin. Früher wurden uns Spiele einfach aufgezwungen. Das fertige Spiel wurde uns vor den Latz geknallt, und dann hieß es eben: »Friss oder stirb.«

Die Möglichkeit der Spieler, ihre eigenen Wünsche oder Vorstellungen, ja ihre eigenen Storys einzubringen, war begrenzt. Eigentlich war dieses frühere Modell wie eine Art Produktdiktatur. Seitdem hat sich einiges geändert. Viele Entwickler haben uns von passiven Konsumenten zu aktiven Playern befördert, deren Feedback Gewicht hat und die selbst aktiv Inhalte schaffen.

Die Community besitzt mehr Macht denn je, weil sie das Spiel am Leben erhält - indem sie es spielt. Spiele sind basisdemokratisch geworden, zumindest manche. Natürlich wirft das auch neue Probleme auf, insgesamt aber ist die Veränderung positiv: Weg von der Produktdiktatur hin zur Spieledemokratie.

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