Vorab: Ich bin ein riesiger Harry-Potter-Fan und gerade deshalb habe ich mich wie auf kaum einen anderen Film des Jahres auf Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen gefreut. Denn »Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind« war für mich der erste Potter-Film, der die Magie der Bücher vollends einfangen konnte - gerade weil er keine direkte Buchverfilmung war.
Er musste keine 700 Seiten Story in zwei Stunden Film pressen und sich auch nicht ständig mit den Buchbildern in meinem Kopf vergleichen lassen, an die sowieso kein Film je perfekt herankommen könnte. Stattdessen konnte er ganz für sich eine völlig neue Ecke der Zauberer-Welt erkunden, mit einem völlig neuen Drehbuch von J.K. Rowling statt nur einer Adaption ihrer Werke.
Umso überraschter war ich, dass sich »Grindelwalds Verbrechen« plötzlich wieder voll wie eine Buchverfilmung anfühlte - obwohl es gar keine ist!
Tiefer in die Hintergrundstory
Der zweite Film ist in vielerlei Hinsicht das komplette Gegenteil des ersten. Das geht schon bei der Story los: Wo der erste sich weitgehend um seine eigenen neuen Figuren drehte und die große Geschichte um den Zauberer-Superschurken Grindelwald eher im Hintergrund ablief, taucht der zweite Teil mit Hechtsprung in die tiefere Potter-Mythologie ein. Was eine Stärke und eine Schwäche zugleich ist.
Einerseits gehören die Szenen mit Jude Law als junger Dumbledore, hin- und hergerissen zwischen seiner alten Liebe zu Grindelwand und dem Drang, seine Pläne zu stoppen, zu den Highlights des Films. Er schlägt hier ein faszinierendes Kapitel der Hintergrundstory auf, das die Bücher immer nur andeuteten.
Andererseits erstickt das aber auch viel vom Charme des ersten Teils. Denn dessen eigentliche vier Hauptfiguren Newt, Jakob, Tina und Queenie kriegen diesmal viel weniger Raum zu glänzen. Oft fühlt es sich sogar an, als würden sie sich einfach von der Grindelwald-Story mitschleifen lassen, statt sie als Protagonisten mit zu gestalten.
Zu viel Story, zu wenig Film
Das ist der zweite Punkt, in dem Grindelwalds Verbrechen sich als komplettes Gegenteil seines Vorgängers erweist: Der konzentrierte sich auf eine kleine Gruppe von Schlüsselfiguren und nahm sich Zeit, sie dem Zuschauer ans Herz wachsen zu lassen. Der zweite Film dagegen weiß gar nicht wohin mit all seinen Figuren! Letztlich ist er nicht einmal wirklich Grindelwalds Film. Oder Newts. Oder Dumbledores. Er ist ein Film über Credence Barebone und Leta Lestrange.
Credence sucht nach den traumatischen Erlebnissen des ersten Films seine richtige Familie und Leta, Newts alte Flamme, ringt mit den dunklen Geheimnissen ihrer eigenen Vergangenheit. Beide Figuren sind nicht neu - aber ich habe von allen Hauptfiguren am wenigsten mit ihnen am Hut. Trotzdem müssen ihre Geheimnisse den Film tragen. Und tatsächlich sorgen sie für mindestens eine richtig umwerfende Storywendung! Aber ich kannte sie einfach nicht gut genug, um so richtig mit ihnen mitzufiebern.
Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen - Bilder zum Kinofilm ansehen
Zumal der Film immer nur noch mehr und noch mehr Figuren auf die Zuschauer einprasseln lässt. Mal Gastauftritte bekannter Potter-Charaktere, mal völlig neue Figuren. Mal stellen sie sich als Schlüsselcharaktere der Story heraus, mal als völlig nebensächlich.
Die Herkunftsgeschichte von Voldemorts Schlange Nagini ist für Potterfans eine interessante Enthüllung - aber die Figur hat im Film kaum etwas zu tun und ist nur ein weiterer von ohnehin schon zu vielen Story-Strängen einer überladenen Geschichte. Grindelwalds Verbrechen hätte besser daran getan, sich auf eine engere Riege von Figuren zu konzentrieren und die voll auszuschöpfen.
Machen die Stärken die Schwächen wett?
Es ist ein umso auffälligeres Versäumnis, da die Schauspieler durch die Bank einen fantastischen Job machen! Selbst aus begrenzten Rollen holen sie überraschend viel heraus. Jude Law ist klar das Highlight, obwohl Dumbledore nur eine Handvoll Szenen bekommt. Johnny Depps Grindelwald ist nicht ganz so charismatisch - er nuschelt etwas zu viel - aber immer noch glaubwürdig.
Enttäuscht hat mich an den beiden Figuren nur eins: Dass Rowling immer noch nicht den Mut hat, Dumbledore direkt in der Geschichte als Grindelwalds Liebhaber zu benennen. Bestätigt hat sie das stets nur in Interviews, die Bücher und Filme tanzten immer nur mit Andeutungen darum herum. So auch dieser: Kein Kuss, keine absolut unmissverständliche Aussage. Schade!
Aber auch abseits von Dumbledore und Grindelwald hat der Film Phantastische Tierwesen 2: Grindelwalds Verbrechen einiges zu bieten. Einen neuen Einblick in eine der spannendsten Hintergrundgeschichten von Harry Potter, beeindruckende Effekte und Kostüme, erschütternde Storywendungen - es ist nicht so, als bekämen Potterfans hier nichts geboten! Eingefleischte Potter-Historiker können sich am ehesten über all die Gastauftritte, Backstory-Einblicke und Enthüllungen freuen. Aber die Magie und den Charme, die Seele der Serie, die hat der Vorgänger deutlich besser auf die Leinwand gebannt.
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