Meinung wird gemacht
Solcher Medienrummel hat einen neudeutschen Namen: Hype. Für einen bestimmten Zeitraum wird ein Produkt oder Thema ausgesprochen populär und bündelt Aufmerksamkeit, Erwartungen und Hoffnungen. Der Mechanismus speist sich nach Art eines Perpetuum Mobile selbst: Vorfreude generiert Hype, und Hype generiert Vorfreude. So schraubt sich das Interesse in die Höhe, aus massiertem Getuschel wird mediales Getose. In dem Begriff schwingt aber auch die kritische Erwartung mit, dass der Enthusiasmus übersteigert sein könnte, die hohen Erwartungen eventuell enttäuscht werden. An Videospielen, die ihrer Natur nach Produkte mit begrenzter Lebenszeit sind, lässt sich das exemplarisch beobachten.
»Es kann nur das zum Hype werden, was auf ein Bedürfnis bei einem Publikum trifft. Es muss eine Faszination geben«, erläutert der Medienwissenschaftler Professor Lothar Mikos. Spiele eignen sich besonders für Erwartungsrummel, weil sie eine emotionale Erfahrung versprechen - zumindest Spaß, darüber hinaus eine breites Spektrum von (meist) positiven Erfahrungen wie Triumph, Befriedigung oder soziale Anerkennung. Das gilt vor allem dann, wenn die Kundschaft in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen gemacht hat. »Man kann sich nur dann auf eine Sache freuen, wenn man sie schon ein stückweit kennt«, führt Lothar Mikos aus. »Die ersten beiden Romane von Harry Potter waren noch kein Hype. Erst beim dritten Buch haben die Medien mitbekommen, dass es offenbar eine Menge Leute gibt, die darauf warten.«
Ohne Medien können Hypes nicht existieren. Durch die Übertragungskraft der Informationsträger verbreiten sich Wissen und Meinungen. Das ist kein neues Phänomen. »Selbst in der Antike hat es Hypes gegeben«, sagt Mikos, »etwa die Gladiatorenkämpfe. Aber sie hatten eine andere Dynamik als heute. Die Verbreitungsmedien waren ganz andere, langsamere.« Moderne Fernsehsendungen, Zeitschriften und Webseiten leben von der Aufmerksamkeit des Publikums. Je mehr Interesse ein Thema hervorruft, desto größer ist der Bedarf an Berichterstattung; so orientieren sich die Inhalte an der Neugierde der Öffentlichkeit. Durch Titelgeschichten und Artikelstrecken befriedigen Zeitschriften (auch GameStar) ein Informationsbedürfnis, das sie zur gleichen Zeit selbst erschaffen.
Hype wird gefährlich
»Gute Pressearbeit kann ein schlechtes Spiel nicht gut werden lassen. Aber sie kann dafür sorgen, dass ein gutes Spiel von mehr Menschen wahrgenommen wird«, erklärt Markus Wilding, der bei Take 2 als internationaler PR-Chef für 2K Games (Bioshock) zuständig ist. Der Rummel um Produkte wie Videospiele teilt sich typischerweise in zwei Phasen: die Vorberichterstattung, in der Versprechen und Visionen die Erwartungen des Klientel in die Höhe hieven; und die Nachbetrachtung, in der das erhältliche Produkt dem Urteil der Kritiker und Käufer ausgesetzt ist.
Theoretisch liegt im Übergang zwischen den zwei Zuständen das größte Risiko für Hype-Objekte. Denn dann erweist sich, ob sich die Hoffnungen erfüllen. »Wenn das Produkt den geschürten Erwartungen entspricht, dann läuft der Hype weiter. Ohne die versprochenen Qualitäten geht das nicht«, erläutert Lothar Mikos.
So stürzten Spiele wie das unausgegorene Gothic 3 oder das zu eintönige Hellgate: London in der Gunst der Käufer besonders jäh ab, weil sie zuvor als Genre-Himmelssterne gehandelt wurden. Selbst sehr gute Spiele wie die Action-Blockbuster Assassi's Creed oder Stalker führten bei vielen eher zu Ernüchterung als zu Freude - man hatte durch den Hype schlicht mit (noch) mehr gerechnet. Titeln wie Bioshock oder Call of Duty 4 gelang es dagegen, die Erwartungen zu erfüllen oder zu übertreffen. Der Lohn ist nachhaltiger Ruhm. »Wenn die Erwartungshaltung zu hoch wird, ist sie schwer zu erfüllen«, umreißt Mikos die Hype-Gefahr. »Ein gutes Beispiel sind Filmtrilogien: Teil 1 ist ein Überraschungserfolg, Teil 2 wird gehypt, und Teil 3 fällt häufig hinter die immensen Hoffnungen der Fans zurück« - Matrix oder Fluch der Karibik lassen grüßen.
Wie man eine hochfliegende Marke durch schlechte Produktqualität zur Bruchlandung zwingt, demonstrierte Anfang des Jahrhunderts die Tomb Raider-Serie mit mehreren missglückten Episoden. Andererseits zeigte der gefeierte siebte Teil Tomb Raider: Legend: Alte Begeisterung lässt sich wieder anfachen, Fehltritte werden leicht vergeben. Auch die Vorfreude auf Gothic 4 schlägt schon jetzt erste Wogen.
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