Kleine Fehler, große Lügen - Kommentar zum Beitrag »Keine Gnade: Kick durch Killerspiele« im heute-journal

Kommentar zum ZDF-Beitrag »Keine Gnade: Kick durch Killerspiele« im heute-journal.

Es ist wieder passiert. Gestern Abend berichtet das ZDF im Heute-Journal über die Deutschen Gamestage, ein Fachtreffen der Spielebranche. Obwohl, »berichtet« ist falsch, der Moderator Steffen Seibert erwähnt die Gamestage lediglich in seinem Eröffnungssatz. »Was gäbe es Seriöseres als die Deutschen Gamestage 2009?«, fragt er in einem Tonfall, in dem er auch knurren könnte: »Was gäbe es Seriöseres als den Menschenhandel in der Ukraine?« Ironisch ätzt Seibert über die »moderne, verantwortungsvolle« Spielebranche, der das Heute-Journal nicht »in die Suppe spucken« wolle. Was es natürlich doch tut. »Wir möchten nur darauf hinweisen, dass diese Branche einen Teil ihres guten Geldes mit üblen Produkten verdient«, kommentiert Seibert. Die Gamestage sind vergessen, was folgt, ist die bekannte Kritik an brutalen Computerspielen. Wenn auch mit einer leicht abgewandelten Stoßrichtung.

Spielszene aus Resident Evil 5 (Capcom) Spielszene aus Resident Evil 5 (Capcom)

Für den folgenden Beitrag zeichnet Dr. Rainer Fromm verantwortlich, der sich in den vergangenen Jahren einen Namen als journalistischer Vorkämpfer gegen gewalthaltige Spiele einen Namen gemacht hat. Fromm gehört zur Achse der Befürworter eines Verbots gewaltbeherrschter Spiele, er spricht auf Fachtagungen zum Thema und bringt seine Agenda immer wieder in öffentlich-rechtlichen Fernsehbeiträgen unter. Schon vor fünf Jahren geriet Fromm in die Kritik, weil er einseitige Computerspiele-Berichte für das ZDF-Magazin Frontal 21 verfasst hatte. Diesmal zeigt er im Heute-Journal Szenen aus Resident Evil 5, die Seibert mit den Worten einleitet: »Wenn man kein in nächtelangen Computerspiel-Schlachten gestählter Jugendlicher ist, sind diese Szenen schwer zu ertragen.« Schwamm drüber, dass Spiele bereits mit dem Seitenhieb »nächtelang« sprachlich ins schmuddelig-finstere Abseits gedrängt werden. Bemerkenswerter ist nämlich, dass Jugendlichen Resident Evil 5 nicht ohne weiteres zugänglich ist. Denn der Zombie-Actiontitel hat von der USK keine Jugendfreigabe erhalten und darf nur an Erwachsene verkauft werden.

BPjM-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding BPjM-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding

Elke Monssen-Engberding, die Leiterin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien erklärt: »Man hat natürlich den Eindruck dass [die Spiele] grausamer geworden sind, weil sie eben realistischer sind.« Man darf davon ausgehen, dass sie anfügt haben wird, dass die USK Spiele mit realistischer Gewaltdarstellung selbstverständlich nur für Erwachsene freigibt. Im ZDF-Bericht wird diese Konsequenz jedenfalls unterschlagen., wie generell kaum ein Wort zu den Altersfreigaben fällt.

Szene aus der Eröffnungssequenz aus Call of Duty 4: Modern Warfare (Activision) Szene aus der Eröffnungssequenz aus Call of Duty 4: Modern Warfare (Activision)

Danach: Call of Duty 4, ebenfalls ein Spiel für Erwachsene und nicht für Jugendliche. Eine Zwischensequenz, in der man im Vorbeifahren einige Sekunden lang unbeteiligter Zeuge einer öffentlichen Hinrichtung wird, verklärt der Sprecher zum Sinnbild für die »sadistische Rahmenhandlung«, er erzählt von »Massenerschießungen, die den Spielspaß wohl anheizen sollen«. Grotesk. Denn just jene beklemmende Szene, in der der Spieler keinerlei Einflussmöglichkeit hat, gehört auf genau die gleiche Weise zur dramaturgischen Ausgestaltung eines Unrechtsregimes, wie das in Kriegsfilmen selbstverständlich als Stilmittel eingesetzt wird. Ob das dort auch der »Anheizung des Zuschauspaßes« dient? Dass es danach heißt, Call of Duty 4 sei Ende 2008 erschienen, lassen wir der Redaktion als kleinen Recherche-Aussetzer durchgehen. Das Spiel kam Ende 2007 in den Handel.

Schulpsychologe Werner Hopf Schulpsychologe Werner Hopf

Im Folgenden darf der Münchner Schulpsychologe Werner Hopf (auch er ein engagierter und etablierter Wortführer der Verbots-Riege) behaupten, Call of Duty 4 sei »ein exaktes Training für das Militär«, durch Programme wie Call of Duty 4 finde weltweit eine »Militarisierung der Gesellschaften« statt. Diese Argumentationsrichtung gehört seit dem »Kölner Aufruf« im vergangenen Jahr zur neuen Stoßrichtung der Spiele-Kritiker: Es geht nicht mehr alleine um den Jugendschutz. Der Bericht warnt davor, dass alle Spieler zu zukünftigen Soldaten ausgebildet werden, auch Erwachsene. Diese Erweiterung des Gefahrenpotenzials ist notwendig, um ein generelles Verbot gewalthaltiger Spiele jenseits des Jugendschutzes rechtfertigen zu können.

Spielszene aus GTA: San Andreas (Rockstar) Spielszene aus GTA: San Andreas (Rockstar)

Diesen Gedanken verfolgt der Bericht allerdings nicht weiter, vermutlich aus Mangel an Beispielen. Stattdessen folgen Szenen aus GTA: San Andreas. Das Actionspiel ist ab 16 Jahren freigegeben und damit das erste im gesamten Beitrag, das auch an die eingangs beschworenen, »nächtelang« zockenden Jugendlichen verkauft werden darf. Das Spiel ist fünf Jahre alt; neuere Beispiele zu finden, war offenbar schwierig. Unbestritten ist GTA: San Andreas ein gewalthaltiges Spiel, das seinen Spielern die Möglichkeit zu unmoralischen und brutalen Taten lässt. Wohlgemerkt: die Möglichkeit. Denn Frauen mit einer Schaufel zu erschlagen gehört, anders als vom ZDF-Bericht perfide impliziert, in keiner Weise zwingend zum Spielablauf.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann darf dann nochmals seine Forderung nach einem Spieleverbot in die Kamera poltern. Diesmal vergleicht er Spiele allerdings nicht mit Kinderpornographie, sondern mit den Gladiatorenspielen im alten Rom. Dass bei beiden reale Personen zu Schaden kommen, bei Spielen aber nur Bits und Bytes -- für Herrmann dasselbe.

Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD) Sachsen-Anhalts Justizministerin Angela Kolb (SPD)

Es folgt ein Standbild aus Prey, also abermals aus einem Ab-18-Spiel. Der Kommentar: »Darin Bilder, die wir lieber nicht zeigen.« Die Vorstellung ist bekanntlich oft schlimmer als die Realität, man darf sich selbst ausmalen, was da wohl für unerträgliche Grausamkeiten zu sehen sein könnten. Schließlich darf die sachsen-anhaltinische Justizministerin Angelika Kolb referieren, es gebe Spiele, die »Gewalt verherrlichen« und damit »auch strafrechtlichen Vorschriften widersprechen«. Stimmt, solche Spiele existieren. Allerdings sind sie in Deutschland bereits verboten, etwa Manhunt oder Condemned 2.

Spielszene aus Resident Evil 5 (Capcom) Spielszene aus Resident Evil 5 (Capcom)

Abschließend läuft eine Zombieszene aus Resident Evil 5, dazu unterstreicht der Sprecher: »Die Politik hat sich positioniert«. Das ist falsch. Lediglich ein Politiker hat sich positioniert, nämlich Joachim Herrmann. Frau Kolb erklärt lediglich, man müsse die aktuellen Gesetze durchsetzen. Von einem Verbot spricht sie nicht -- ein Beispiel dafür, wie das Heute-Journal Fakten verdreht und seine Zuschauer manipuliert. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Computerspielen sieht anders aus.

Das zeigt auch, dass Gewaltspiele nach wie vor nicht als Unterhaltung für Erwachsene wahrgenommen werden, im Gegensatz zu Büchern und Filmen. Gewalthaltige Spiele gelten als Mischung aus Mordwaffe und Spielzeug, vor dem die Politik nun sogar Erwachsene schützen muss. Dass das ZDF diesen Aufruf zur Staatszensur auch noch dermaßen schlecht recherchiert, offensichtlich manipulativ und journalistisch dilettantisch ausstrahlen darf, ist ein Armutszeugnis für den Sender und die öffentlich-rechtlichen Medien. Aber daran haben wir uns ja inzwischen gewöhnt.

Endlich: Ein Counterstrike-Spieler kommt zu Wort Endlich: Ein Counterstrike-Spieler kommt zu Wort

Immerhin schlägt das Heute-Journal nach seinem Gewaltspiele-Beitrag einen neutraleren Ton an. »Wie sind wohl die, die so was spielen«, moderiert Steffen Seibert an. »Die glauben wir ja zu kennen. Blasse, einsame junge Männer, die sich virtuell ihren Frust aus dem Leib schießen, und bei denen man nicht so sicher sein kann, dass sie das nicht auch einmal ganz real tun werden.« Den reißerischen Nachsatz »Einige solche mag es geben« könnte er sich zwar sparen, doch er fährt fort: »Trotzdem sollten wir dieses Klischee endlich loswerden.« Danach stellt das Heute-Journal Counterstrike im E-Sport vor und lässt endlich auch mal die Spieler selbst zu Wort kommen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Den vorherigen Beitrag kann dies trotzdem weder entschuldigen noch rechtfertigen.

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