Da haben wir uns schon ein wenig stolz gefühlt, als Tim Schafer im Februar 2012 schelmisch meinte: »Heutzutage scheinen Adventure-Spiele eine verschwundene Kunstform zu sein. Sie existieren nur in unseren Erinnerungen, Träumen und in Deutschland.« Schafer sammelte Geld für ein Projekt namens Double Fine Adventure, das er als Wiederauferstehung eines ganzen Genres verkaufte.
In den USA waren Abenteuerspiele nicht nur quasi ausgestorben, zu ihren Glanzzeiten bewies die Käufermasse auch einen schlechten Geschmack und zog Sierras Puzzlemüll den cleveren Offerten von LucasArts vor. Deutschland dagegen: eine Nation der Dichter, Denker und Adventure-Connaisseure, wo heute eine ganze Generation Monkey Island-Dialoge rezitieren kann.
Doch es gibt auch eine Schattenseite der deutschen Adventureliebe: eine verdrängte Ungeheuerlichkeit, deren haarsträubende Horrorhandlung uns mit zusammengeklauten Bildmotiven durch Bedienungsruinen treibt, in denen wir am Mangel von Sinn und Puzzles verzweifeln. Wenn die Deutschen ihre Adventures wirklich so sehr lieben, wie konnten sie dann so etwas wie Jonathan zulassen?
Der Autor
Heinrich Lenhardt berichtet seit 1984 über Computerspiele und hat neben legendären Klassikern auch so manches merkwürdige Machwerk erlebt. Jonathan hatte großen Anteil daran, dass er deutsche Adventures in den Neunzigern nur mit der Kneifzange anfasste.
Die Kelten kommen
Im Ort »Kronstadt im Allgöw« (Realweltvorbild: Memmingen im Allgäu) geschehen merkwürdige Dinge. Finanzbeamte und Lehrer laufen Amok, beim Radiosender verkündet ein Besucher seinen 1200. Geburtstag und prophezeit den »Sieg der Llyr«. Dabei handelt es sich nicht um den örtlichen Fußballverein, vielmehr »versucht eine böse Macht, einen jahrtausendealten Kampf erneut zu führen, um die Herrschaft über die Menschen zu gewinnen«, warnt uns die Packungsrückseite.
Haben diese Machenschaften etwas mit den Alpträumen zu tun, die Jonathan Beddon (womöglich Fränkisch für »Beton«) plagen? Der Student und seine Freunde interessieren sich fürs Okkulte, übersetzen druidische Ritualbeschreibungen in alten Büchern, basteln Silberkugeln und reiben an magischen Ringen herum - was man halt so in einem Provinznest mit überschaubarem Freizeitangebot tut.
Da half nicht mal Sex: Das Liebestöter-Spiel zu Emmanuelle
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.