Machinarium im Test - Das ungewöhnlichste Adventure 2009

Abenteuer eines sprachlosen Roboters: Machinarium ist das ungewöhnlichste Adventure des Jahres 2009!

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»Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.« So unvermittelt und unheilsschwanger beginnt der Roman Der Process des Prager Schriftstellers Franz Kafka. »Jemand musste Roboter Josef übel mitgespielt haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens in Einzelteilen über einer Mülldeponie abgeladen.« So unvermittelt und unheilsschwanger beginnt das Adventure Machinarium des tschechischen Entwicklers Jakub Dvorsky, der einigen von Ihnen durch die Samorost-Kurzabenteuer bekannt sein dürfte. Kafka und Dvorsky verbindet dabei nicht nur ihre Herkunft, sondern auch die Rolle als Avantgardisten ihrer jeweiligen Zunft.

Die handgezeichneten Hintergründe, wie hier das Zentrum der Roboterstadt, könnten auch als Gemälde in einer Galerie hängen. Die handgezeichneten Hintergründe, wie hier das Zentrum der Roboterstadt, könnten auch als Gemälde in einer Galerie hängen.

Rätsel ohne Erklärung

Kafkas literarische Welt ist schwer zu entschlüsseln, durchsetzt von skurrilen und surrealen Momenten und in weiten Teilen düster. Die deutsche Sprache schuf für diese Art von Geschichten eigens das Wort »kafkaesk«. Eine ähnliche Entsprechung bräuchten wir auch, um die Spiele von Jakub Dvorsky zu beschreiben: Auch sie sind nicht leicht zu entschlüsseln, skurril, surreal und in Teilen düster; »dvorskyesk«, wenn man so will. Teil des dvorskyesken Prinzips ist dabei, dass Sie die Spielmechanik und die Aufgabenstellung erst entschlüsseln müssen. Dazu suchen Sie nach Interaktionspunkten und probieren viel aus. Was passiert zum Beispiel, wenn Sie diesen Hebel umlegen oder jene Maschine aktivieren? Erst nach und nach wird durch eine solche Reihe kleiner Experimente klar, was zu tun ist. Das Rätsel selbst ist das Rätsel.

Auch wenn sich Machinarium in einigen Punkten wieder den Adventure-Konventionen annähert -- so bekommen Sie zum Teil durchaus konkrete Aufgaben und sammeln Gegenstände in einem Inventar, das in Samorost noch fehlte --, macht die Neugierde am Ausprobieren trotzdem einen großen Teil der Spielerfahrung aus. Anfangs ist zum Beispiel gar nicht klar, warum Sie auf der Mülldeponie landen und anschließend dubiose Bombenleger verfolgen oder wer die bezaubernde Küchenhilfe ist. Erst an Ende ergibt die Geschichte von Machinarium ein wundervolles Ganzes.

Machinarium - Screenshots ansehen

Handlung ohne Sprache

Josef kann sich zusammenstauchen, um zum Beispiel durch enge Gänge zu kriechen. Josef kann sich zusammenstauchen, um zum Beispiel durch enge Gänge zu kriechen.

In Kafkas Erzählung Die Verwandlung fand sich der Protagonist Gregor Samsa eines Morgens in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt. Ganz so weit gehen die Verwandlungskünste des Roboters Josef in Machinarium nun nicht, aber immerhin kann er seine Körpergröße auf Wunsch variieren. Damit erreicht er sowohl tief als hoch gelegene Objekte und Regionen. Um ihn durch ein Mauseloch greifen zu lassen, stauchen Sie den Roboter beispielsweise zusammen, um sich zu Glühbirnen hochzurecken, strecken Sie ihn. Zusammen mit klassischem Inventareinsatz, Minispiel-Einlagen und dem erwähnten Erkunden der Spielmechanik ergibt sich so ein innovativer Mix von grundverschiedenen Spielprinzipien.

Die Dialoge laufen in Gedankenbläschen als animierte Trickfilmchen ab. Die Dialoge laufen in Gedankenbläschen als animierte Trickfilmchen ab.

Auch bei den Dialogen geht Machinarium innovativ vor, es gibt nämlich keine. Jedenfalls keine klassisch gesprochenen. Stattdessen erzählen die Protagonisten ihre Geschichten und Probleme anhand animierter Trickfilmchen. Diese helfen Ihnen nicht nur zu verstehen, was Sie als nächstes unternehmen müssen, sie sind zum Teil auch sehr witzig, trotz ihrer mitunter tragischen Inhalte. Diese Mischung aus düsteren und komischen Elementen, die auch Kafkas Erzählungen auszeichnen, behält Machinarium bei der Grafik bei. Alle Charaktere und Hintergründe sind handgezeichnet und von hohem künstlerischen Wert. Die entstandene Maschinenwelt wirkt in ihrer Trostlosigkeit und Künstlichkeit fast schon wieder menschlich.

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