Seit gestern ist die Trial-Version von Mass Effect: Andromeda bei Origin Access und Early Access verfügbar. Die Gaming-Presse ist in ihrer Berichterstattung gespalten: »Die ersten Spielstunden sind nicht gut.«, schreibt Rock Paper Shotgun und kritisiert ausgerechnet die Disziplinen, in denen BioWare sonst glänzt: platte Charaktere, eine langweilige Story, monotone Missionen. Ist Andromeda wirklich so eine Katastrophe?
Nicht alle Journalisten sind sich hier einig: Während PC Gamer von gemischten Gefühlen berichtet, lobt Kotaku die ersten Spielstunden sogar ausdrücklich. Sie seien »überragend«. Statt von Eintönigkeit ist hier von einer wunderbaren Vielfalt an spannenden Missionen die Rede, von einem verbesserten Dialogsystem und interessanten Charakteren.
Andromeda löst tatsächlich völlig unterschiedliche Emotionen aus. Umso neugieriger waren wir, als wir endlich selbst die Trial-Version ausprobieren konnten. Nach den ersten Spielstunden sind auch wir zwiegespalten: Mass Effect: Andromeda ist nicht das, was die Fans sich erhofft haben, aber es hat gute Chance, genau das noch zu werden.
Spoiler-Warnung:
Wir erklären aus Verständnisgründen den Anfang der Trial-Version, vermeiden aber große Spoiler. Wer überhaupt nichts über Mass Effect: Andromeda wissen möchte, sollte aber trotzdem nicht weiterlesen.
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Gestrandet in der neuen Heimat
Die Trial-Version umfasst normalerweise die ersten zehn Stunden, im Fall von Mass Effect: Andromeda ist der Singleplayer aber auf das Intro, den Prolog, die erste Mission auf Habitat 7 und einen Teil des Planeten Eos beschränkt. Wir erwachen nach 600 Jahren Kryoschlaf als Sara Ryder (oder wahlweise als Scott Ryder) im Andromeda-Nebel, weit weg von der heimischen Milchstraße. Hier sollen wir aus sieben »goldenen Welten« eine neue Heimat für die Menschen finden. Ein spannendes Abenteuer, bei dem aber schon zu Beginn eine Menge schief geht.
Es kommt zu Komplikationen auf unserem Raumschiff »Hyperion« und unsere Zielwelt Habitat 7 sieht von weitem nicht gerade nach einer neuen Erde aus. Trotzdem entscheiden wir uns, den Schritt zu wagen und zu landen. Doch stattdessen stürzen wir über der möglichen neuen Heimat ab. Hier ist tatsächlich nichts, wie es sein sollte: Blitze zucken über die lebensfeindliche Oberfläche, unsere Crew ist weit verstreut und ein neuer Feind macht Jagd auf uns. Die Kett haben unsere Ankunft bemerkt und richten das Feuer auf uns, bevor wir uns überhaupt vorstellen konnten. Also erschießen wir sie, ohne zu wissen, wer sie sind und suchen unsere verlorenen Kameraden.
Uns bleibt aber keine Zeit, die Dramatik der Situation zu begreifen: Schon in der ersten Mission tauchen mehrere Nebenmissionen in der Mini-Open-World auf und wir beschäftigen uns erst einmal ausführlich mit Kleinkram. Es gibt ein Alienschiff zu untersuchen, eine geheimnisvolle Station oder eine grün bewachsene Höhle zu erkunden. Ganz zu schweigen von all den Objekten, die wir mit unserem Omni-Tool scannen können.
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Schöne Welt, weniger schöne Menschen
Durch die Mischung aus Scannen, Erkunden und Kämpfen lernen wir so wie in einem Tutorial erst einmal die wichtigsten Mechaniken kennen. Bei Kampfsystem und KI hat sich im Vergleich zu Mass Effect 3 viel getan. Durch das automatische Deckungssystem und das Jetpack spielen sich die Kämpfe viel dynamischer. Zudem sind die Feinde deutlich aggressiver und kreisen uns ein. Statt nur hinter der Deckung zu hocken, müssen wir uns also viel bewegen.
Neben der Shooter-Mechanik können wir auch die Welt an sich loben. Die Umgebungen sind detailliert und so fremdartig gestaltet, wie man es von einem fremden Planeten erwarten würde. Felsbrocken schweben in der Luft, ein gewaltiger Vulkan ragt aus einem Gebirge aus Gewitterwolken und der Boden ist mit goldenen Ranken und blau leuchtenden Pilzgewächsen überzogen.
Obwohl Habitat 7 so nicht unsere Heimat werden kann, strahlt es doch eine gewisse Schönheit aus. Bei den Charakteren wäre »Schönheit« für uns leider nicht das Wort der Wahl: Im Editor war es nur eingeschränkt möglich die Ryder-Figur zu erstellen, die wir wollten. Alles basiert hier auf Grundköpfen, die sich nur teilweise anpassen und nicht kombinieren lassen. Die Animationen wirken zudem bei allen Charakteren hölzern und veraltet, weshalb im Gespräch kaum Emotionen rüberkommen.
Wo bleiben die Gefühle?
Das ist tatsächlich auch das Hauptproblem des Anfangs von Mass Effect: Andromeda: Die Emotionen fehlen. Mass Effect ist seit jeher eine Serie, mit der Fans viel Emotionales verbinden, sei es nun aufgrund der Geschichte oder der Charaktere, die man über drei Teile begleitet hat.
Nun ist es an BioWare ein neues Kapitel einzuführen, das uns noch unbekannt ist. Andromeda macht hier aber den gleichen Fehler, wie schon Dragon Age 2: Wir bekommen eine Familie vorgesetzt, die wir gar nicht kennen, weil wir keine Zeit mit ihr verbracht haben. Als unser Bruder nicht aus dem Kryoschlaf aufwacht, empfinden wir nichts. Genauso wenig bei einem späteren emotionalen Moment mit unserem Vater, der seine Wirkung völlig verfehlt.
Dabei hat die Geschichte definitiv genug emotionales Potenzial: Wir brechen voller Hoffnung in eine neue Zukunft auf und müssen erkennen, dass wir falsch lagen. Die »goldenen Welten« sind verseucht, wer bereits angekommen ist, hat aufgegeben. Nun müssen wir ihnen als Pathfinder die Hoffnung zurückgeben.
Besser spät als nie
Dass die Geschichte trotzdem nicht zünden will, liegt daran, dass BioWare sich zu Beginn nur auf Exposition konzentriert. Man will die neue Welt mit ihren Regeln, Figuren und Hintergründen als Ausgangslage etablieren. Charaktere erzählen lang und breit ihre Motivationen und wie sie in der Welt verankert sind, die Kett werden klar als Feind präsentiert und wir als Auserwählter, der wieder einmal alles retten muss.
Aber genau das war auch schon in Mass Effect 1 der Fall, bevor die Story richtig in Fahrt gekommen ist und die wird mittlerweile ausdrücklich gelobt. Der Anfang ist also nicht zwangsläufig ausschlaggebend für den weiteren Storyverlauf. Vor allem nicht bei BioWare, die schon mehrfach das Gegenteil bewiesen haben, um wieder auf Dragon Age 2 zurückzukommen. Mit Andromeda und seiner neuen Galaxie will man bewusst neue Spieler abholen, die die alte Trilogie nicht gespielt haben. Deshalb konzentriert man sich zunächst auf das Offensichtliche.
Das weckt in uns die Hoffnung, dass Story und Charakterzeichnung auch hier besser werden, sobald Grundprämisse und Welt ausführlich vorgestellt wurden. Wir glauben fest daran, dass Andromeda eine Chance hat: Hat BioWare die Spieler erst einmal abgeholt, können sie sich theoretisch in Ruhe Zeit dafür nehmen und der Geschichte Raum zur Entfaltung geben. Man darf nicht vergessen, dass Andromeda ein riesiges Open-World-Spiel ist, was eine Einschätzung nach den ersten paar Stunden kaum möglich macht.
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