Operencia: The Stolen Sun im Test - Ein echter Geheimtipp für Oldschool-Rollenspieler

Wie es ein kleiner ungarischer Flipper-Spiele-Entwickler geschafft hat, einen modernen Dungeon Crawler aus dem Hut zu zaubern, der sich vor Klassikern wie Wizardry, Bard's Tale und Ultima Underworld nicht zu verstecken braucht.

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Flipper-Experten (gemeint sind wohlgemerkt keine Meeresbiologen) die quasi aus dem Nichts ein erstklassiges Rollenspiel aus dem Ärmel schütteln? Is' klar, was kommt als Nächstes? Piratenpartei-Politiker, die Upload-Filter programmieren?

Scherz beiseite: Operencia heißt übersetzt »Weit, weit entfernt«, aber das ist dieses Kleinod hinsichtlich der Konkurrenz keineswegs. The Stolen Sun, so der Untertitel, erreicht nicht die Klasse eines Divinity: Original Sin 2, The Witcher 3 oder Pillars of Eternity 2. Freunde der ganz alten Schule dürfen aber die Laute abstauben, Hosianna trällern und Konfetti aus Karopapier lochen. Würde gut passen.

Puristisches Dungeon Crawling

Der Spieler schlurft bei Operencia in der Ich-Perspektive durch schaurig schöne Verliese, Höhlen und Grüfte, ist aber lobenswerterweise auch oberirdisch unterwegs, süchtig nach besserer Ausrüstung. Er kann sich frei umsehen, sich aber nur vertikal oder horizontal auf einem unsichtbaren Raster aus Quadraten bewegen - diagonal wird ohnehin überschätzt.

An jeder Ecke können Monster und Fallen lauern. Das Rollenspiel aus Budapest weist obendrein eine hohe Rätseldichte auf, selbst Alchemie erfordert Köpfchen. Warum das System hinter der Trankbrauerei einzigartig ist, welche Besonderheiten die Rundenkämpfe bieten, auf welche Weise einige magische Gegenstände das Gameplay bereichern, wie märchenhaft die Macher alles verpackt haben und wieso dennoch eine gewisse Frustwarnstufe gilt ... dazu später mehr.

Wenn die Braut mit leeren Augen in der Luft schwebt, sich als Boss bezeichnet und einen Golem beschwört, war die Hochzeit vielleicht doch eine Schnapsidee. Wenn die Braut mit leeren Augen in der Luft schwebt, sich als Boss bezeichnet und einen Golem beschwört, war die Hochzeit vielleicht doch eine Schnapsidee.

Neulich im Trainingslager

Operencia beginnt mit einem Prolog. Der bringt dem Benutzer im Rahmen eines Tutorials die Grundlagen bei. Es ist gewöhnungsbedürftig, sich in einer Welt, die frei erkundbar scheint, nur links, rechts, vorwärts und rückwärts bewegen zu können. Manchmal fühlen wir uns wegen dieses Anachronismus' bevormundet wie ein Vierjähriger in einem schienenbasierten Oldtimer-Fahrgeschäft am Oktoberfest.

Obendrein ist jeder Schritt pixelgenau auf einen virtuellen Meter DIN-genormt. Wer nur einen Zentimeter an ein Loch herantreten möchte, um hineinzuschauen, fällt schneller, als er »Argh!« sagen kann. Lobenswert: Die Macher haben die Steuerung ihres exklusiv für PC und Xbox One erscheinenden Babys so konzipiert, dass es auf beiden Plattformen mit einer Maus/Tastatur-Kombi oder Gamepad funktioniert.

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Von Anspruchsvoll bis Au Backe!

Die Wahl des Schwierigkeitsgrades will wohlüberlegt sein, weil er nachträglich nicht mehr änderbar ist. Das kann bitter enden, denn die effektreichen Gemetzel sind anfangs zu leicht. Gerät der Spieler nach einigen Stunden dann jedoch an seine Grenzen, helfen nur eine Aggressionsbewältigungstherapie, acht Familienpackungen Baldrian oder ein Neustart.

Das ungarische Fantasy-Fest lässt sich auf »Normal« spielen, wahlweise aber auch ohne Kartenfunktion, mit weniger Speichermöglichkeiten und/oder im Permadeath-Modus. Bei der zuletzt genannten Variante, die Leopold von Sacher-Masoch sicher gefallen hätte, heißt es »Game Over«, sollte die Heldentruppe auch nur ein einziges Mal komplett abnibbeln.

Wie es ich für ein anständiges Rollenspiel gehört, bietet Operencia unterschiedliche Talentbäume (rechts). Ein bisschen komplexer hätte es sein dürfen. Wie es ich für ein anständiges Rollenspiel gehört, bietet Operencia unterschiedliche Talentbäume (rechts). Ein bisschen komplexer hätte es sein dürfen.

Klassische Heldenriege

Den Anführer des maximal vierköpfigen SEKs klöppelt der Spieler selber, wobei es im Charakter-Editor puristisch zugeht. Das Arbeitsamt des Reiches Operencia stellt gerade mal die Berufe Krieger, Jäger und Magier zur Wahl, die außerdem nur von Menschen ergriffen werden dürfen.

Vier Geburtsorte entscheiden über besondere körperliche Voraussetzungen und Talente. Standard-Attribute sind Stärke, Agilität, Intelligenz, Weisheit und Vitalität. Krieger sollten kräftig und widerstandsfähig sein, Jäger vor allem beweglich und Zauberer möglichst die hellsten Kerzen auf der Torte. Zuletzt sucht Papa zwei Spezialfähigkeiten aus und gibt seinem Kind einen Namen.

Macht Schluss mit dummen Klischees in Rollenspielen! (Plus-Kolumne)

Das schlichte Charakter-System zieht sich durchs ganze Spiel. Bei Level-ups steigern wir Attribute und Boni, was uns zum Beispiel höhere Wahrscheinlichkeiten für zusätzliche Angriffe oder bessere Feuer- Blitz- Frost- Gift-Resistenzen beschert. Jeder Held kann darüber hinaus aber maximal elf aktive Spezialfähigkeiten dazulernen.

Einige der Begabungen in der Truppe sind deshalb doppelt vertreten, was die Protagonisten im Kampf weniger einzigartig macht. Immerhin päppeln wir sämtliche Charaktere selbst auf. Im Lauf der Zeit trifft unser Hans Guck-in-die-Gruft sechs Helfer: Dieb Josko, Ritter Mezey, Drachentöter Sebastian, Schmiedin Kela, Schamane Kampo und das Sternenmädchen Csilla. Wer zum nächsten Einsatz mitkommt, wird am Lagerfeuer entschieden. Das dient zudem als Ruhestätte, um Energie zu tanken, als Speicherpunkt, Handelszentrum und Schnellreisemöglichkeit.

Operencia bietet effektreiche und unterhaltsame Rundenkämpfe. Die vier sehr schlanken Gesellen in dieser Szene bewachen die Gruft eines Levelbosses. Operencia bietet effektreiche und unterhaltsame Rundenkämpfe. Die vier sehr schlanken Gesellen in dieser Szene bewachen die Gruft eines Levelbosses.

Rundenkampf mit Teamchemie

Eine Besonderheit der effektreichen Rundenkämpfe: Gelbe, grüne und blaue Linie auf dem Boden helfen abzuschätzen, welche Attacken am erfolgversprechendsten sind. Verbreitert sich die vorne zu sehende gelbe Markierung, ist der Nahkampf die beste Wahl. Entsprechend steht die grüne Linie für die Mitteldistanz und die blaue für Fernangriffe. Links unten sind in Rot die Lebensenergie und direkt daneben eine blaue Leiste zu sehen, die bei Spezialangriffen und Zaubersprüchen ins Spiel kommt.

Die Fähigkeiten des Helden, der gerade am Zug ist, werden darunter in Form kleiner Piktogrammen dargestellt. Setzen die Recken artverwandte Angriffstechniken ein, füllen sich rechts unten Teamchemie-Anzeigen. Das erinnert an Fighting Games: Ist einer der Nupsis voll und somit aktivierbar, erhält die Truppe kurzzeitig extrem hohe Boni oder richtet besonders viel Schaden an. Manchmal darf unser Sondereinsatzkommando sogar die Umgebung als Waffe einsetzen und zum Beispiel schwere Steinsäulen umhauen. Das tut einem Gegner natürlich besonders weh.

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