Outward wird es nicht leicht haben. Das Rollenspiel-Projekt, das von nicht mal einem Dutzend Menschen entwickelt wird, ist grafisch nicht auf der Höhe der Zeit, spielt sich ungelenk, präsentiert seine Story durch trockene Texte und kitzelt euren Frust mit einem ungnädig hohen Schwierigkeitsgrad. Trotzdem noch da? Gut, denn duldsamen Rollenspiel-Liebhabern könnte hier durchaus ein wertvolles Kleinod ins Haus stehen, das einen ähnlichen Charme wie Gothic versprüht.
Dieses »könnte« steht allerdings noch dick und fett im Konjunktiv, denn unsere Anspiel-Session von Outward dauerte beileibe nicht lang genug, um einen umfassenden Eindruck vom Spiel zu bekommen. Aber immerhin: Wir haben uns ein paar Stündchen in den großen Hub-Welten herumgetrieben, den Koop ausprobiert, fleißig gekämpft und unserem Entdeckerdrang nachgegeben.
Klären wir mal die grundlegende Frage zuerst: Was ist Outward? Im Spiel landet euer selbst erstellter Avatar als Schiffbrüchiger in einer Fantasy-Open-World. Es gibt eine grobe Rahmenhandlung, die im Startstädtchen durch einige Textdialoge erzählt wird, doch der Schwerpunkt des Rollenspiels wird schnell klar: Raus in die Welt, Monster kloppen wie in Gothic und Risen, Wunder entdecken, Erfahrungen sammeln. Klingt alles erstmal recht vertraut, Outward hat allerdings einige spannende Kniffe.
Hardcore in jeder Ecke
Jede Ecke der Spielwelt schreibt sich Hardcore auf die Fahne. Anders als bei den meisten anderen Rollenspielen müssen wir in Outward auf diverse Komfortfunktionen verzichten: Wenn wir eine Karte in die Hand nehmen, wird die eigene Position nicht markiert. Man muss sich selbst orientieren. Essen, Schlafen, Trinken stehen natürlich auch auf der Survival-Agenda. Es gibt nur einen automatischen Spielstand - mit falschen Entscheidungen müssen wir also leben.
Outward geht aber noch weiter. Wer einen dicken Rucksack auf dem Rücken trägt, kann zwar mehr schleppen, aber deutlich langsamer kämpfen. Backpack-Hechtrolle ist schließlich auch im echten Leben schwierig. Lassen wir die Tasche fallen, hilft das der Agilität - aber wer vergisst, wo das Ding im hohen Gras gelandet ist, bekommt vom Spiel keinerlei Hand gereicht. Und wie in Gothic gibt es auch keinerlei Level-Scaling. Heißt konkret: Wer in die falsche Höhle läuft, wird von Trollen buchstäblich in der Luft zerrissen.
Beim Anspielen ist uns das häufig passiert. Wir stapfen in ein Dorf, doch plötzlich fangen die Einwohner an, mit Bögen auf uns zu schießen. Hm, ein Räuberdorf. Wer hätte das gedacht? Nach unserem Ableben setzen uns die Halunken im örtlichen Knast fest, wir müssen als Nackedei nicht nur irgendwie flüchten, sondern auch unser Zeug wiederbekommen. Herrje.
Die Stärken von Outward
Die Kämpfe spielen sich dabei - ebenfalls wie in Risen und Co. - ziemlich simpel. Aus Verfolgersicht schalten wir auf feindliche Krieger, Wölfe und Riesenhühner auf, teilen Hiebe aus, blocken, weichen aus und triumphieren im Idealfall. Im Nicht-Idealfall wird es allerdings wieder kompliziert: In Kämpfen kann man sich natürlich dauerhaft verletzen, krank werden und so weiter. Hier hilft nur der richtige Proviant, vernünftige erste Hilfe, ganz generell obsiegt in Outward eins: Eine ordentliche Vorausplanung.
Outward hat im Prinzip drei große Stärken: Wie bei The Legend of Zelda: Breath of the Wild sorgt das Erkunden der offenen Spielwelt für ein tolles Freiheitsgefühl. Außerdem bewirken die erwähnten Hardcore-Mechaniken, dass sich der Aufstieg unseres Avatars vom Niemand zum Jemand ziemlich befriedigend anfühlen kann. Und zu guter letzt lässt sich das gesamte Abenteuer im Zweier-Koop bestreiten. Super Sache.
Die Schwachstellen von Outward
Outward hat aber auch - zumindest in unserer Anspiel-Session - viele Schwächen. Einige davon haben wir beim Einstieg bereits erwähnt: Auch wenn die Landschaftspanoramen der Fantasy-Welt sich durchaus sehen lassen können, besticht die Grafik im Detail trotzdem nicht durch Opulenz. Selbst im direkten Vergleich zum technisch recht altbackenen Elex zieht Outward definitiv den Kürzeren. Die groben Modelle und Gebäude lassen sich in unseren Augen allerdings noch verkraften.
Deutlich schwerer wiegen unserer Meinung nach die Macken in der Spielerführung. Den Spielern viel Freiheit zu lassen, statt sie bei der Hand zu nehmen, kann eine Tugend sein - keine Frage. Aber Outward scheitert an den Stellen, wo es das Gegenteil tun möchte: Die Kampagne wird denkbar uninteressant präsentiert, die Textdialoge sind mau geschrieben, wecken kein Interesse für das Szenario des Spiels.
Das Tutorial zieht sich als ewig langer Flur von kleinschrittigen Trockenübungen unnötig in die Länge. Spielerische Freiheit ist toll, aber man muss die Leute eben mit irgendeiner Idee kitzeln, damit sie die Lust entwickeln, sich für 50 Stunden in ein Abenteuer zu werfen.
Gothic hatte ebenfalls einen spartanischen Einstieg, hat es aber mit den ersten Dialogen und Eindrücken geschafft, unseren Entdeckerdrang in dieser dreckigen Welt zu wecken. Outward wirkt hier mehr wie ein Two Worlds 1 ohne vertonte Dialoge: Man ist halt irgendwie da in diesem Szenario. Jede Form von emotionaler Bindung ans Geschehen muss man aktiv aus sich selbst heraus schöpfen.
Natürlich ist das nicht unmöglich. Wer sich auf Outward einlässt, könnte (auch hier wieder der dicke Konjunktiv) gerade im Koop eine spannende Zeit erleben. Man muss sich nur bewusst dafür entscheiden, außerdem über dramaturgische Durststrecken hinwegsehen und - besonders wichtig - unseren Test abwarten. Denn dort werden wir deutlich besser einschätzen können, ob die Rechnung dieses Hardcore-Rollenspiels aufgeht.
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