Bereits im Jahr 2014 veröffentlichte die chinesische Regierung ein Dokument, dessen Titel sich frei als »Planungsskizze für den Aufbau eines Social Credit Systems« übersetzen lässt. Darin wird die Idee beschrieben, ein national gültiges Punktesystem für die Qualität der Bürger einzuführen. Bis 2020 sollen dafür alle privaten und staatlichen Datenbanken miteinander verbunden sein.
In die Skala fließen alltägliche Aktivitäten ein, wieviel Sport jemand treibt, was er einkauft, wie oft er Videospiele spielt. Noch mehr, mit welchen Personen er sich trifft, wieviel Steuern er bezahlt und ob er vorbestraft ist - all das mündet in eine Bewertung, die mit einer einzelnen Zahl ausgedrückt wird: dem Social Credit Score.
Wir haben mit dem China-Experten Prof. Dr. Ralph Wrobel von der Westsächsischen Hochschule in Zwickau über den SCS gesprochen. Der Volkswirt sieht das System kritisch:
"Bei der Einführung des Social Credit Scores in China handelt es sich um einen weiteren Schritt der Kommunistischen Partei Chinas zur vollständigen Kontrolle des Landes und seiner Bevölkerung. Hier wird Big Data genutzt, um eine schöne neue Welt zu schaffen, ganz im Sinne von Aldous Huxleys »Brave New World«, in der es dann gesellschaftliche Kasten gibt und kritisches Hinterfragen politischer Entscheidungen unterbunden wird."
Sag mir deine Zahl, und ich sag dir wer du bist
Bald müssen Chinesen genau darauf achten, was sie tun. Bestimmte Aktivitäten wirken sich negativ auf die Punktzahl aus, beispielsweise eben wenn jemand gewohnheitsmäßig Computerspiele spielt. Das interpretiert das Social-Credit-System als unproduktiv und wertet entsprechend ab. Hat man Bekannte mit niedrigem Score, wirkt sich das auch auf die eigene Punktzahl aus. Was sozial erwünscht und wer »vertrauenswürdig« ist, entscheidet die Regierung.
Wie weit sich das Rating dann auf das Leben auswirken könnte: Menschen mit hohem SCS erhalten womöglich Zugang zu besseren Restaurants, besseren Schulen, besserer Gesundheitsversorgung. Menschen mit niedrigem Score nicht. Ein schlechtes Ergebnis würde sich damit direkt auf die Lebensqualität der Menschen auswirken.
Ein fiktives Szenario
2021, Peking. Ein Spieler, der seinen Feierabend gerne mit seinen Freunden online verbringt und mit ihnen PUBG spielt, wird mit zwei bis drei Stunden täglichem Spielen vom SCS als unproduktiver Bürger eingestuft. Dadurch verliert er eine gewisse Menge an Punkten, denkt sich aber zunächst nicht viel dabei.
Als ihm sein Chef dann die lange versprochene Beförderung doch nicht zukommen lässt, wenden sich auch seine Kollegen von ihm ab. Schließlich ist unser Spieler inzwischen ganze x Punkte niedriger eingestuft. Der Verlust seiner sozialen Kontakte führt automatisch zu einer weiteren Abstufung, bis schließlich sogar seine Freundin um ihren Score fürchtet und die Beziehung zu ihm beendet.
Dieses Szenario ist natürlich von uns ersponnen und es gibt aktuell keinen Garant, dass es in China in Zukunft wirklich so drastisch ablaufen kann. Trotzdem zeigt es, welche Macht der SCS und alle damit einhergehenden Verkettungen bekommen könnten.
Pilotprojekte existieren bereits
Aktuell befindet sich der SCS in China mit diversen Testprogrammen in der Erprobungsphase. Eine Teilnahme an verschiedenen Rating-Systemen ist freiwillig, das ändert sich aber im Jahr 2020, wenn ein allgemeingültiges System für alle chinesischen Bürger verpflichtend werden soll.
In der Stadt Rongcheng ist der Score als Pilotprojekt bereits aktiv. Dort müssen die Bürger ihren Score vorweisen, wenn sie eine Beförderung anstreben, einen Kredit bei der Bank beantragen oder Mitglied in der kommunistischen Partei werden möchten.
Um den Score zu erproben, hat die chinesische Regierung mehreren großen Unternehmen den Auftrag erteilt, Systeme zur Bewertung der Bürger zu entwickeln.
Einer der Auftragnehmer ist China Rapid Finance, ein Partnerunternehmen von PUBG Mobile-Entwickler und Social-Media-Gigant Tencent, welcher für den Chat-Dienst WeChat mit rund 850 Millionen Nutzern verantwortlich ist.
Beim zweiten Auftragnehmer handelt es sich um die Alibaba-Tochter Ant Financial Services Group, die für die Erstellung des SCS-Vorläufers »Sesame Credit« auch Daten des Online-Bezahlportals AliPay auswertet. Ein Schelm, wer hier Böses vermutet.
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