Die Katze ist eindeutig ein Fuchs, die Besitzerin der Gaststube scheint uns mit ihren riesigen Glubschaugen permanent anzustarren und irgendwer hat unsere irre brisanten Thesenpapiere über Quantenphysik gestohlen und will mit dem darin versteckten Wissen wahrscheinlich die Welt zerstören. Denn so funktioniert Quantenphysik.
Na gut, wir haben keine Ahnung von solchen Dingen. Aber dafür gibt es ja unseren Helden Tannhauser - Blade-Runner-Fans ahnen jetzt womöglich schon, in welche Richtung die Story geht. Tannhauser ist amerikanischer Physiker. Schlacksig, mit cooler Frisur und im lässigen Mod-Outfit (James Dean vorstellen) schlägt er im deutschen Städtchen Trüberbrook der 60er-Jahre auf. Tannhauser hat eine Reise dorthin in einer Lotterie gewonnen.
Statt Urlaub erwartet uns dort allerdings eine Verschwörung. Trüberbrook präsentiert uns zunächst eine liebenswerte aber auch recht öde deutsche Kleinstadt. Zum Glück versteckt sich hinter der vermeintlichen Idylle eine packende Geschichte rund um Aliens, Parallelwelten und KIs. Wer die Serie »Eureka« kennt, kann sich die Marschrichtung zumindest grob vorstellen.
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Quantenphysik und freundliche Killer-KIs
Die Figuren wirken manchmal etwas überzeichnet und auf eine Eigenschaft festgelegt. Die dicke Trude bleibt das ganze Spiel über die unheimlich starrende, aber gutherzige Herbergsmutter und Doktor von Streck durch und durch verrückter Wissenschaftler. Uns begegnen aber auch spannendere Charaktere wie die abenteuerlustige Anthropologin Gretchen, die rund um Trüberbrook nach alten Kulturen sucht, aber eigentlich einer ganz anderen Sache auf der Spur ist, wie wir später herausfinden. Und dann ist da noch der liebenswert verwirrte Computer Barbarossa, dem ein paar Sicherungen durchgebrannt sind.
Der Kleinstadtfrieden währt aber ohnehin nicht lange: Nachdem Tannhausers Thesenpapiere gestohlen werden, macht er sich mit Gretchen sofort auf die Suche nach ihnen. Dabei landet der Arme unter anderem in einer Irrenanstalt und einem geheimen Untergrundlabor.
Trüberbrook wirft unterdessen mit allerlei physikalischen Fachbegriffen rund um Raum und Zeit, Parallelwelten und Außerirdische um sich, bemüht sich aber, diese plausibel für Laien zu erklären. Dadurch wirkt die Handlung glaubhaft und durchdacht, und auch wir Nicht-Physiker begreifen, warum Tannhauser unbedingt diesen Quantendiskriminator bauen möchte.
Die Entwicklung von »beschauliches deutsches Kaff« Richtung Science-Fiction ist schon für sich ein spannender Kontrast, Trüberbrook sorgt aber noch mit weiteren Wendungen für Spannung. So sind manche Personen nicht die, für die sie sich ausgeben. Und auch unserem Tannhauser vertraut nicht jeder. Am Ende gibt es sogar eine Entscheidung, die zwar keine Einfluss auf die Handlung mehr nimmt - aber hey, wir Spieler müssen trotzdem damit leben.
Zudem stecken die zahlreichen Kommentare unseres Wissenschaftlers und seine Dialoge mit den Einheimischen voller Humor. Wer möchte, kann sich in eine Vielzahl von absurden Gesprächen rund um wasserscheue Seemänner oder Katzen, die eigentlich Füchse sind, verstricken.
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Puppenhaus mit Jan Böhmermann
Was bei Trüberbrook indes zuerst ins Auge springt, ist die Optik. Statt auf die genretypische gezeichnete 2D- beziehungsweise 2,5D-Grafik setzt das Adventure auf handgebaute Miniatur-Modelle, deren Texturen mittels Photogrammmetrie auf 3D-Modelle projiziert werden. Dadurch entsteht der sehr eigene Look. Wir fühlen uns die ganze Zeit, als würden wir uns durch ein unglaublich detailverliebtes Puppenhaus bewegen.
Da ist zum Beispiel der Bootsverleih mit seinem kaputten Tretboot und kitschigen Dinosaurier-Schwimmreifen oder die kleine Herberge, in der die Tochter des Hauses fleißig Fernsehen schaut und vom Besonderen träumt, während hinter ihr ein Buffet mit Toast Hawaii und Eintopf vor sich hin schimmelt. Passend dazu bewegen sich Tannhauser und Co. dann auch ein bisschen wie die Knetfiguren in Stop-Motion-Filmen à la Wallace & Gromit. Mit Trüberbrook, einer frostigen Wetterstation, einem giftig-verseuchten Sumpf und weiteren Orten ist obendrein für reichlich Abwechslung bei den Schauplätzen gesorgt.
Auch die Ohren bekommen Einiges geboten: Die Figuren werden von Sprechern wie Jan Böhmermann und Nora Tschirner prominent vertont. Übrigens auch auf Englisch, was für den passenden deutschen Akzent sorgt, wenn man das Spiel auf Englisch erleben will. Nur Ami-Held Tannhauser hat zwei Sprecher bekommen. Die Betonung fällt auf Deutsch und Englisch bei den zweisprachigen Anwohnern etwas unnatürlich aus, was bei uns zuerst für Irritation gesorgt hat. Allerdings passt die seltsame Art zu sprechen wunderbar zu der überall durchschimmernden Ahnung, dass hier etwas ganz und gar nicht normal ist und unterstützt damit die Atmosphäre.
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