Im Rahmen der Unterhaltungselektronikmesse CES 2013 in Las Vegas wurde Anfang Januar offiziell, was sich seit mehreren Monaten abgezeichnet hat: Valve arbeitet an einer eigenen, PC-basierten Steam-Konsole fürs Wohnzimmer, seit Herbst 2012 für jeden nachvollziehbar. Im September 2012 tauchte zuerst eine dazu passende Stellenanzeige für einen Hardware-Entwickler auf, kurz darauf veröffentlich Valve eine Beta-Version der wohnzimmertauglichen Big-Picture-Oberfläche für Steam (mittlerweile fertig). Im Oktober erweitert Valve seine Vertriebsplattform um Anwendungen, im November erscheint die Beta-Version von Steam für Linux – zwei Jahre nachdem Valve seine Unterstützung von Windows auf Apples Mac OS X ausgeweitet hatte, das durch den UNIX-Ursprung technisch viel enger mit Linux verwandt ist als mit Windows.
Nun versuchen am Ende einer jeden Konsolengeneration traditionell neue Hersteller, in den lukrativen Markt einzusteigen. Die meisten Versuche sind zum Scheitern verurteilt, oft weil den Herstellern das Geld für das notwendige Marketing oder starke Exklusivtitel fehlen. Allerdings hat sich die Branche seit dem Ende des letzten Konsolenzyklus' um 2006 erheblich verändert. Neue Finanzierungsmodelle wie Kickstarter oder aber der Direktvertrieb von Spielen ohne Umwege über Publisher eröffnet kleinen, kreativen Entwicklern neue Chancen. Hat Valve – einst mit Steam Pionier der digitalen Distribution – mit der Steambox also tatsächlich realistische Marktchancen?
Sowohl der stationären Android-Konsole Ouyaals auch dem Handheld Nvidia Shielddürften Alleinstellungsmerkmale und geschäftliche Grundlage fehlen - aktuelle Tablets bieten genauso viel Rechenleistung, können die gleichen Spiele ausführen und sind kompatibel zu Gamepads. Hinzu kommt, dass die reinen Hardware-Hersteller andere Geschäftsmodelle haben als die angestammten Konsolenhersteller Sony, Microsoft und Nintendo. Das Gaming-Tablet Razer Edgeauf Basis von Windows 8 beispielsweise ist extrem teuer, weil Razer die Hardware genauso wenig subventionieren kann wie Nvidia das Shield. Sony und Microsoft hingegen finanzieren die Hardware zum Teil über die Lizenzgebühren, die für Publisher wie EA, Ubisoft oder ActivisionBlizzard bei der Veröffentlichung eines Spieles für Xbox oder Playstation anfallen, und die sie nur verlangen können, weil ihre Konsolen millionenfach verbreitet sind.
Valve hingegen hat nicht nur die eigene Steam-Plattform mit insgesamt rund 50 Millionen Nutzern – Xbox 360und Playstation 3haben jeweils rund 70 Millionen –, sondern auch seine starken Eigenmarken Half-Life, Portal, Left 4 Dead, Team Fortress, Counterstrike und Dota 2. Die sind zwar vorrangig am PC relevant und am besten mit Maus und Tastatur spielbar, aber Valve will sich mit der derzeit unter dem Codenamen »Bigfoot« entwickelten Steambox ohnehin vor allem an PC-Spieler richten. Erinnern wir uns zudem an die Markteinführung von Steam im November 2004: Wer Half-Life 2 spielen wollte, wurde zu einem Steam-Account gezwungen. Ich glaube zwar nicht, dass Valve seine starke Position bei PC-Spielern aufs Spiel setzt und Half-Life 3zuerst oder gar exklusiv für seine Steambox veröffentlicht, auszuschließen ist es aber nicht. Und wie der Steam-Zwang bei Half-Life 2oder Origin bei Battlefield 3würde eine gewisse Masse vermutlich auch diese Kröte schlucken und sich für das Spiel eine Steambox kaufen – solange die nicht allzu teuer ist.
Linux statt Windows
Für viele überraschend hat Gabe Newell gegenüber der Technologie-Webseite The Verge bestätigt, dass Valves eigene Steambox mit vorinstalliertem Linux ausgeliefert wird. Seine Aussage beinhaltet, dass andere Hersteller ihre Versionen der Steambox herstellen und vertreiben dürfen – auch mit Windows, so Newell. Das vorinstallierte Linux auf der Steambox von Valve solle zudem jeder ohne großen Aufwand durch Windows ersetzen können. Damit sich die unterschiedlichen Versionen ähnlich verhalten, könnte Valve aber einige Vorgaben machen wie etwa einen Zwang zum direkten Start in die Big-Picture-Oberfläche.
Für Valve bietet Linux Vor- und Nachteile. Zunächst einmal braucht die Steambox irgendein Betriebssystem; das neu zu programmieren, dürfte die Kapazitäten von Valve übersteigen. Außer Windows kommt dann nur noch Linux in Frage, denn Apple behält Mac OS und iOS den eigenen Rechnern beziehungsweise Smartphones und Tablets vor. Android hingegen fehlt die Hardware-Unterstützung für schnelle PC-Komponenten, unterliegt wie andere mobile Systeme andauernden Patentstreitigkeiten und ist wie die Konsolen von Microsoft, Sony und Nintendo auf einen von Valve nicht kontrollierbaren App Store ausgerichtet.
Gegen Windows 8sprechen aus Valves Sicht der ebenfalls dort integrierte App Store, über den Microsoft, App-Anbieter oder Spiele-Hersteller die Steam-Preise aushebeln und somit auf Valves Hardware Geld verdienen könnten, ohne einen Teil der Einnahmen an den Plattformanbieter abführen zu müssen. Außerdem kostet eine Windows-Lizenz selbst bei großen Abnahmemengen mindestens 20 bis 40 Euro und würde die Kosten der Konsole in die Höhe treiben beziehungsweise den Spielraum bei der Auswahl der Hardware-Komponenten einschränken. Linux dagegen kostet nichts -- und läuft auf schwächerer Hardware deutlich besser als Windows, was für eine von Newell als »Littlefoot« bezeichnete, mobile Steambox-Variante relevant sein könnte.
Weil der Quelltext von Linux für jedermann zugänglich und das System als solches kostenlos ist, gibt es mehrere sogenannte Linux-Distributionen, die jeweils ihre eigene Variante eines Linux-Betriebssystems entwickeln. Valve dürfte sich mit Sicherheit für Ubuntu Linux entscheiden, weil man die Beta-Version von Steam für Linux zuerst dafür entwickelt hat. Ubuntu ist eine auf den Desktop-Einsatz optimierte Distribution, die seit dem Anfang ihrer Entwicklung 2004 konsequent mit viel Geld von der Stiftung des millionenschweren Unternehmers Mark Shuttleworth unterstützt wird und bei Bedienung und Komfort mittlerweile voll konkurrenzfähig zu Windows und Mac OS ist. Nur noch kleinere Anpassungen dürften erforderlich sein, um das System auf die Gamepad-Bedienung anzupassen und bisher bei Steams Wohnzimmeroberfläche Big Picture fehlende Funktionen wie die Unterstützung für Betriebssystemaktualisierungen einzubauen.
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