Project Dylan. Das war der Projektname für Anthem und hinter ihm verbarg sich Großes. Anthem sollte der Bob Dylan der Videospiele werden und für Generationen in Erinnerung bleiben. Am Ende hat sich diese Ambition nicht erfüllt.
Statt überschwänglichem Lob und Begeisterungsstürmen bekam Anthem zum Release mittelprächtige Wertungen, auf Metacritic steht die PC-Version bei 59. Im Gespräch mit Jason Schreier von Kotaku haben 19 ehemalige Anthem-Mitarbeiter über den chaotischen Entwicklungsverlauf gesprochen und erzählt, was Anthem ursprünglich werden sollte.
Anthem im Test - Biowares Shooter-Experiment funktioniert noch nicht
Aufregende Expeditionen statt monotonem Grind
Das erste Brainstorming, Konzepte und Ideen für Anthem entstanden bereits Ende 2012. Am Anfang wusste niemand so recht, was Anthem überhaupt mal werden sollte. Nur wenige waren überhaupt in das Projekt eingeweiht, ein ehemaliger Entwickler berichtet, dass das interne Wiki sogar passwortgeschützt war.
Bald ergab sich aber eine klare Richtung: Anthem sollte ein Action-Spiel sein, das man mit seinen Freunden spielen kann. Gleichzeitig sollte es sich von den klassischen Sci-Fi- und Fantasy-Wurzeln lösen und ein frisches Setting bieten. Geplant war ein mit Gefahren gespickter Alienplanet, den man mit einem Roboteranzug erkundet.
Soweit so bekannt, doch das Gameplay selbst sollte wenig mit dem zu tun haben, was Anthem heute ist. Die Entwickler setzten den Fokus ursprünglich auf Erkundung, Überleben sowie riesige Monster und verglichen das Spiel mit Darkest Dungeon, Dark Souls und Shadow of the Colossus.
Von einem Loot-Shooter war nie die Rede. Man sollte nicht durch die Welt ziehen und hunderte Monster niederballern, man sollte mit seinen Freunden auf eine Expedition gehen, die Geheimnisse der Spielwelt aufdecken - etwa, warum ein bestimmter Vulkan ausbricht - und zusammen mit dem Team in die Basis zurückkehren. Mit gefundenen Materialien würde man schließlich Waffen verbessern und den Anzug ausbauen.
Doch als 2014 Casey Hudson, Director der Mass-Effect-Reihe, nicht die Rolle des Creative Directors für Anthem übernahm und stattdessen das Unternehmen verließ, fiel das Projekt mehr und mehr dem Chaos zum Opfer.
Tausend Meinungen, keine Führung
Unter dem Führungswechsel litt auch die Story von Anthem. 2015 stieß David Gaider zum Projekt, der als Autor für die Dragon-Age-Reihe schon viel Erfahrung gesammelt hatte. Diese Erfahrung und den typischen Bioware-Stil ließ er jetzt in die Geschichte von Anthem einfließen - und stieß damit auf Widerstand.
Viele Mitarbeiter wollten nicht schon wieder die selbe Geschichte erleben, wollten kein Sci-Fi Dragon Age sehen. Gaider, der laut eigener Aussage vom Design Director Preston Watamaniuk in die Science-Fantasy-Richtung gedrängt wurde, hat sich dazu in einer E-Mail geäußert:
"Es gab viele Leute, die bei Anthems Geschichte mitreden und etwas anderes wollten, ohne aber klar zu sagen, wie genau das aussehen sollte. Es sollte nichts sein, was Bioware bereits gemacht hatte (was anscheinend eine schlechte Sache war?). Aus meiner Sicht war das ziemlich frustrierend. [...] Mit der Zeit hatte ich keine Lust, das Spiel zu spielen, an dem ich arbeitete."
2016 verließ Gaider das Team und neue Autoren wurden eingestellt. Das führte laut einem anonymen Mitarbeiter zu noch mehr Chaos:
"Wie man sich vorstellen kann, sind für Bioware die Autoren die Grundlage für alle Spiele. Wenn sie unsicher sind, was sie tun, schadet das vielen Abteilungen."
Nach Gaiders Weggang wechselt die Leitung erneut, dieses Mal ans Kreativteam unter Game Director Jon Warner, Design Director Preston Watamaniuk, Art Director Derek Watts, Animation Director Parrish Ley und weiteren Mass-Effect-Veteranen.
Einige Mitarbeiter klagen allerdings darüber, dass Warner und Co. nie konkrete Entscheidungen getroffen haben, es habe keine Vision gegeben. Die Story habe sich auch dadurch immer wieder verändert, die Produktion immer weiter hinausgezögert.
Mehr zum Entwicklungschaos lest ihr in unserer News zum Stress und Crunch bei Bioware. Den Originalartikel von Jason Schreier findet ihr auf Kotaku.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.