Meinung: Star Wars Jedi: Fallen Order kämpft vor allem gegen sich selbst

Ein Star-Wars-Uncharted? Ja, bitte! Doch die Story von Jedi: Fallen Order wurde in Star Wars schon so oft erzählt, dass das Spiel gegen die eigenen Vorgänger antritt.

Wird Star Wars Jedi: Fallen Order eine spannende Geschichte erzählen? Wird Star Wars Jedi: Fallen Order eine spannende Geschichte erzählen?

Nach der ersten Gameplay-Demo von Star Wars Jedi: Fallen Order habe ich mal bei Twitter rumgefragt, was die Leute davon halten. Die Antworten fallen gemischt aus. Enttäuschung auf der einen Seite: Sieht wie ein geerdetes Force Unleashed aus, irgendwie fehlen starke Alleinstellungsmerkmale, nett, aber nicht großartig. Der Hype bleibt aus.

Die positive Seite kann man in einem einzigen (gekoppelten) Wort zusammenfassen: Star-Wars-Uncharted! Klettern, Schleichen, Springen, Kämpfen - was will der Action-Fan mehr? Endlich mal wieder eine cool inszenierte Star-Wars-Kampagne. Ich kann beide Seiten verstehen, sage aber: Am Ende des Tages wird's von der erzählten Geschichte abhängen, wie gut oder schlecht, hell oder dunkel dieser neue Krieg der Sterne in Erinnerung bleibt.

Allerdings schweben mir genau dort noch viel zu viele Fragezeichen im Raum. Denn um eine Tatsache tänzelt Entwickler Respawn in allen bisherigen Präsentationen geschickt herum: Die Story von Jedi: Fallen Order hat's doch schon gegeben. Und zwar häufig!

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Das alte Lied vom lebenden Padawan

Ein Jedi-Sprössling überlebt die Vernichtung seines Ordens, muss im Untergrund ums nackte Überleben kämpfen - und bietet dem bösen Imperium irgendwann mutig die Stirn. Über die Jahre wurde diese Blaupause für Star-Wars-Geschichten zwischen Episode 3 und 4 andauernd genutzt. So oft, dass man schon drüber witzeln kann. Offenbar waren Luke Skywalker und Leia Organa nämlich nie so wirklich die letzte Jedi-Hoffnung im Universum. Sie waren nur als einzige Hoffnung gerade in der Gegend.

Der Autor: Kollege Maurice witzelt immer darüber, dass Dimi sich so vergeblich das große Story-Comeback von Star Wars wünscht. Und das stimmt. Trotz vieler Enttäuschungen, trotz aller professionellen Skepsis angesichts der verpatzten Battlefront-2-Kampagne und der holprigen neuen Kinofilme hofft ein Teil von ihm, dass das nächste Jedi Knight 2 nur einen Release weit entfernt ist. Und Maurice hat schließlich mit der achten Game-of-Thrones-Staffel sein eigenes Päckchen zu tragen. Ätschi Bätschi.

Was ist zum Beispiel mit Star Wars: Rebels? Quasi die gleiche Geschichte. Ein machtbegabter Jüngling wird von einem überlebenden Padawan der Order 66 zum Jedi ausgebildet und kämpft teils sogar gegen die gleichen Feinde wie in Jedi: Fallen Order - namentlich die Second Sister.

Klar, ein paar Teile dieser Story-Blaupause sind anders angeordnet, im Kern bleibt die Mär aber frappierend ähnlich. Im Comic Star Wars: Kanan überlebt Padawan Kanan Jarrus das Massaker an den Jedi, schlägt sich als Schurke durch. Wieder die gleiche Grundidee.

Star Wars Jedi: Fallen Order - 14 Minuten Gameplay im E3-2019-Trailer Video starten 13:54 Star Wars Jedi: Fallen Order - 14 Minuten Gameplay im E3-2019-Trailer

Und The Force Unleashed hatte ebenfalls ein ähnliches Konzept. Jedi-Baby überlebt die Order 66, wird von Darth Vader ausgebildet, wechselt die Seiten, kämpft noch vor Luke Skywalker als Lichtschwert-Akrobat gegen das Imperium. Und dann gibt's ja noch die Bücher. Im alten Expanded Universe gab's zig Bücher hierzu, beispielsweise The Last Jedi (Achtung: Verwechslungsgefahr), wo Ex-Jedi Jax Pavan die Order 66 überlebt und das Imperium im Untergrund aufmischt.

Fallen Order muss sich beweisen!

Ich höre jetzt mal auf mit der Aufzählung, denn mein Argument wird hoffentlich auch so klar: Das neue Fallen Order muss schon ein bisschen mehr als das bisher Gezeigte liefern, um eine herausstechende Star-Wars-Geschichte zu erzählen. Cal Kestis fehlt bisher die Farbe, das Charisma - und eine spannende Bedrohung wurde abseits der Sturmtruppen noch nicht enthüllt.

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Das Potenzial ist durchaus vorhanden. Saw Gerrera wurde als Extremist unter den Rebellen bisher kaum näher beleuchtet, die Inquisitoren des Imperiums dienten ebenfalls eher als Light-Varianten von Darth Vader. Der neue Star-Wars-Kanon nach der Disney-Übernahme hat im Prinzip freie Hand, uns spannende neue Aspekte des alten Galaktischen Bürgerkriegs zu kredenzen. Nur muss Respawn auch den Mut haben, hier mehr als den klassischen Aufstieg des Jünglings zum Superstar zu liefern. Bei allem berechtigten Lob stieß hier auch das tolle Titanfall 2 an seine Grenzen.

Star Wars Jedi: Fallen Order schafft es aktuell noch nicht, mir eine wirklich starke Identität zu verkaufen. Cal wirkt wie ein netter Bursche, der auf Kashyyyk ein paar Fieslinge aufmischt, um den Rebellen zu helfen. Und im ersten Trailer sah man, dass er ziemliche Probleme beim Untertauchen hatte, weil er eben ein wirklich, wirklich netter Bursche ist. Der Rest der bisherigen Präsentation konzentrierte sich auf das Zeigen von vielfältigen Gegnern und dem Gameplay-Mix aus Klettern und Hauen.

Man vergleiche das nur mal mit dem Reveal-Trailer von The Force Unleashed. In der allerersten Szene sieht man einen Sternenzerstörer, der aus dem Orbit heraus mit der Macht zu einer Bruchlandung auf der Planetenoberfläche gezwungen wird. Klar, diese überzogenen Machtfähigkeiten sprengen jede Balance - ich mag meinen Krieg der Sterne eigentlich bodenständiger. Wie früher eben.

Aber genau um diese absurde Übertreibung ging es in der Geschichte von The Force Unleashed! Starkiller zerlegt einen Rancor, bläst Sturmtruppen durch zerstörbares Glas, schleudert TIE Fighter wie Schneebälle. Dick aufgetragen? Na, aber hallo. Doch wirksamer hätte es seine Besonderheiten kaum verkaufen können.

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Wie werden wir nach dem Abspann dasitzen?

Im Vergleich dazu hält sich Jedi: Fallen Order mit seiner Vision aktuell sehr bedeckt. Ich brauche überhaupt keine gigantischen Machtexplosionen wie in The Force Unleashed. Ganz im Gegenteil. Aber nach all den Jahren des Wartens auf ein herausragendes Singleplayer-Star-Wars würde ich schon gerne auf diese eine Sache mit dem Finger deuten können, die mich an Jedi: Fallen Order so richtig, richtig neugierig macht.

Auf der Gameplay-Seite würde mir ein launiges Star-Wars-Uncharted völlig reichen. Das Kampfsystem gefällt mir, irgendwie bodenständig wie die Lichtschwert-Duelle der alten Filme, gewürzt mit frischen Ideen wie den interessanten Machtfähigkeiten. Den Zeitstopper von Kylo Ren mal selbst im Kampf einsetzen? Richtig cool! Nicht jedes Spiel muss für mich persönlich den spielmechanischen Tiefgang eines Dark Souls erreichen.

Ich mache mir gar keine so großen Sorgen, dass Jedi: Fallen Order keinen Spaß machen wird. Viel eher frage ich mich, ob wir am Ende bloß mit einem Achselzucken vor dem Abspann hocken, weil dieser soliden Erfahrung die ganz großen Highlights gefehlt haben, die Star Wars einst so magisch machten. Und hier könnte eine spannende Geschichte einen wichtigen Unterschied machen. Star Wars hätte das nach der Schlappe von Battlefront-2-Story einfach verdient. Und ich würde mich wirklich freuen, wenn Fallen Order hier liefert.

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