World of Warcraft: Classic im Test - Was ein Klassentreffen

WoW Classic, das ist wie ein Klassentreffen nach 15 Jahren: Voller Erinnerungen kehren wir in die »gute alte Zeit« zurück. In die gemütliche Welt von damals, die sich seitdem rapide verändert hat, hektischer geworden ist, aber auch einfacher. Doch welche Welt ist besser?

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Der erste umgehauene Mob. Das erste Levelup. Der erste Greifenflug. Das erste Goldstück. Das erste Reittier. Die erste Instanz. World of Warcraft: Classic, das ist nicht nur eine Reise weit zurück in die Spielegeschichte, sondern auch in die eigene Vergangenheit. Wer damals im Jahr 2004 dabei war, als die Server online gingen, hat viele magische Momente erlebt.

In einem MMORPG, das Spielegeschichte geschrieben hat wie kein anderes. Das auch nach 15 Jahren und sieben (!) Erweiterungen noch die meisten Spieler fesselt. Und das zahlreiche selbsternannte WoW-Killer hat kommen und gehen sehen - darunter Hochkaräter wie Age of Conan, Warhammer Online und Star Wars Galaxies.

Wo bleibt das Testvideo? Da wir noch Aufnahmen vom Endgame unter Live-Bedingungen machen wollen, verzögert sich unser Testvideo bis in die nächste Woche. Aber wir arbeiten daran.

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Oh. Mein. Gott.

Aber 15 Jahre sind in der Spielegeschichte eine Ewigkeit, und entsprechend ernüchternd sind unsere ersten Schritte in der neuen alten Welt. Technisch ist WoW Classic schon mal völlig veraltet, selbst grafische Verbesserungen wie mehr Pflanzenwuchs oder Spiegeleffekte auf Gewässern können die grob aufgelösten Texturen kaum kaschieren. Auch die hüftsteifen Animationen der Mobs und Spieler sind kein Vergleich zu aktuellen Konkurrenten wie The Elder Scrolls Online.

So haben wir getestet: Unser Test basiert auf der Beta-Version von World of Warcraft: Classic, die wir zu viert ausführlichst gespielt haben, bis hin zum Beta-Levelcap von Stufe 40. Die vier Spieler bringen völlig unterschiedliche WoW-Biografien mit: Benjamin Danneberg zum Beispiel kennt sich in zahlreichen MMOs aus, hat um WoW aber immer einen möglichst großen Bogen geschlagen. Gloria H. Manderfeld lebt seit 2004 eine On-Off-Beziehung mit WoW. Oliver Hartmann hingegen ist Hardcore-WoWler - er hat spaßeshalber mal per /played-Befehl nachgeschaut, wie viel Zeit er seit 2004 darin versenkt hat. Das Ergebnis: EIN JAHR, netto! Das erklärt auch, wie er nebenbei eine ganze Herde aus 270 Mounts gesammelt hat. Unser Haupttester Martin Deppe ist irgendwo dazwischen, er hat seit 2004 bei jeder Erweiterung immer wieder mal für Monate reingespielt, wurde dann aber schnell wieder »clean«. Dasselbe Team hat übrigens auch unser GameStar-Sonderheft zu WoW Classic gemacht - mehr dazu unter www.gamestar.de/wow.

Allerdings war 2004 auch das Ur-WoW kein optisches Meisterwerk, sondern punktete vor allem mit zwei Stärken: dem durchgehend stimmigen comicartigen Look und dem großen Warcraft-Bonus dank Einheiten, Charakteren und Gebäuden aus den drei Echtzeitstrategie-Vorfahren. Und diese beiden Stärken wirken heute immer noch, lassen uns gnädiger über das längst abgelaufene technische Verfallsdatum hinwegsehen. Und wir wissen ja: Azeroth ist riesig und voller abwechslungsreicher Landschaften, und die Startgebiete bilden nur einen winzigen Teil davon. Auf geht's!

Instanzen (hier die Todesminen) erfordern in Classic noch viel mehr Absprachen als im aktuellen WoW. Auch die Klassenrollen sind mit Tank, Heiler, Damage Dealer stärker festgelegt. Instanzen (hier die Todesminen) erfordern in Classic noch viel mehr Absprachen als im aktuellen WoW. Auch die Klassenrollen sind mit Tank, Heiler, Damage Dealer stärker festgelegt.

Doch die zweite Ernüchterung kommt schnell: Warum erscheinen die Questgebertexte so langsam, und warum redet der Typ von Gegnern »irgendwo im Nordosten«, statt uns gleich das Gebiet zu markieren? Während sich das erste Problem gleich in den Optionen beheben lässt, indem ihr »Questtexte sofort einblenden« aktiviert (am besten gleich noch »Schnell-Plündern« anhaken), ist das zweite schon problematischer.

Questhilfe ja, Questhilfe nein?

Denn es gibt zwar einen rudimentären Questtracker, aber auf der Minimap werden lediglich nahe Questgeber markiert. Also keine Suchgebiete oder konkrete Markierungen wie seit Äonen im regulären WoW. Das ist eine große Umstellung, denn ihr müsst die Questtexte mit den Ortsbeschreibungen oft wirklich aufmerksam lesen, statt nur Richtungspfeilen zu folgen.

Selbst mit unserer langen Erfahrung im alten Azeroth haben wir einige Questgegenstände echt lang suchen müssen. Falls euch das zu mühselig ist oder ihr mal an einer Aufgabe verzweifelt: Das Addon »Questie Classic« (gibt's zum Beispiel aufwww.wowinterface.com) markiert euch nicht nur gesuchte Items und Gegner auf der Karte, sondern auch alle Questgeber für euren Levelbereich - auf ganz Azeroth! Ob es sinnvoll ist, das Ur-Spiel dann doch wieder mit einer Questhilfe zu verwässern, müsst ihr euch selbst beantworten. Aber ihr könnt Questie ja auch jederzeit wieder ausschalten.

Als World of Warcraft noch ganz neu war - Michas Tutorial-Video von 2005 Video starten PLUS 34:02 Als World of Warcraft noch ganz neu war - Michas Tutorial-Video von 2005

Lauf, Forrest, lauf!

World of Warcraft: Classic schafft es aber auch ohne Questkomfort und Luxusgrafik wieder verdammt schnell, Mohrrüben vor unseren Heldennasen zu schwenken. Hier lockt das nächste Levelup, dort die nächste Questbelohnung mit einem etwas besseren Schwert. Allerdings läuft das Ganze langsamer ab als im aktuellen WoW 8.3: Während die ersten Levels noch ruckzuck zusammengespielt sind, wird es ungefähr ab Stufe 10 zäher. Sehr viel zäher.

Auch wenn hier reger Luftverkehr herrscht: Flugpunkte sind extrem rar, ihr müsst wahnsinnig viel laufen. Auch wenn hier reger Luftverkehr herrscht: Flugpunkte sind extrem rar, ihr müsst wahnsinnig viel laufen.

Erstens, weil Classic wieder unsere Beinmuskeln trainiert. Flugpunkte sind rar gesät. Wo heute jede Zone gleich mehrere davon hat, gibt's in Classic nur einen Bruchteil davon, wir müssen also verdammt oft hin- und herjoggen. Nicht umsonst hatte WoW damals den Spitznamen World of Walking!

Zweitens dauert es eine Ewigkeit, bis wir uns ein Mount zulegen können. Nämlich erst mit Stufe 40, nicht schon mit 20 wie heute. Level 40 erfordert für Ottonormalspieler locker eine Woche Netto-Spielzeit (zum Vergleich: im aktuellen WoW schafft ihr Level 20 an einem Abend). Außerdem müsst ihr noch 90 Gold für Reitunterricht und Mount löhnen, es sei denn, ihr spielt Paladin oder Hexenmeister. 90 Gold sind allerdings ein Vermögen, viele Spieler haben mit Level 40 nicht mal einen Bruchteil davon. Denn Gold ist bis zum 60er-Levelcap ständig Mangelware, weil zum Beispiel die Questbezahlung viel niedriger ist als heute, und ihr in Classic eure Skills teuer beim Klassenlehrer kaufen müsst.

Ihr seht allein schon daran, dass WoW Classic nichts für Ungeduldige ist. Doch es kommt noch mehr Aufwand hinzu, der früher völlig normal war, heute aber oft vergessen oder verdrängt ist. Als Jäger zum Beispiel müsst ihr euer Pet regelmäßig mit dem passenden Futter versorgen. Ihr braucht Geschosse und Pfeile für Fernkampfwaffen, Schurken müssen ihre Waffen teuer vergiften. Sämtliche Waffenarten haben eigene Skills, die ihr erst durch Kämpfe mit diesem Waffentyp steigert.

Im Gegensatz zu heute dauert es länger, bis ein Mob aus den Latschen kippt. Das macht vor allem Stoffklassen anfällig für Respawns. Lowlevel-Spieler sind bei einem Add schnell tot. Im Gegensatz zu heute dauert es länger, bis ein Mob aus den Latschen kippt. Das macht vor allem Stoffklassen anfällig für Respawns. Lowlevel-Spieler sind bei einem Add schnell tot.

Taschen sind rar und teuer, eure Inventarplätze also Mangelware. Und ihr werdet öfter sterben, denn vor allem im niedrigen Levelbereich reicht ein zweiter dazukommender Gegner, um euch in die ewigen Jagdgründe umzusiedeln. Wobei - so ewig sind die bekanntlich nicht, denn ihr werdet ja am nächsten Friedhof wiederbelebt. Aber haben wir schon erwähnt, dass es früher auch weniger Friedhöfe gab, der Rückweg zur Leiche also doch ewig dauern kann?

Wir waren Helden

Entscheidend für euren Spielspaß ist aber nicht eure Geduld, sondern auch die Klassenwahl. Denn anders als heute unterscheiden sich die neun Klassen deutlicher, ihre Rollen im Gruppenspiel sind ausgeprägter. Krieger zum Beispiel sind die ideale Tankklasse, spielen sich solo aber zäh und leveln langsam. Auch als Paladin oder Priester zieht sich die Levelphase wie Kaugummi.

Auf der anderen Seite stehen die Jäger, die mit Stufe 10 ihr Pet kriegen und dann auch gegen starke Gegner am besten klarkommen, gefolgt von Hexenmeistern, Magiern und Schurken. Alle haben eins gemeinsam: Bei Classic ist viel, viel mehr Taktik gefragt als im aktuellen WoW. Vor allem als Stoffi müsst ihr die Laufwege von Mobs sowie Respawns beachten, um nicht plötzlich Gegner am Robenzipfel zu haben.

Gold ist knapp, der Pflichtgang zum Klassentrainer teuer. Für Fernkampfwaffen braucht ihr Geschosse oder Pfeile (rechts im Bild). Gold ist knapp, der Pflichtgang zum Klassentrainer teuer. Für Fernkampfwaffen braucht ihr Geschosse oder Pfeile (rechts im Bild).

Aber umso größer ist auch das Erfolgserlebnis, wenn ihr euch Ziele erarbeitet habt: den Mount-Kauf, der erste gelegte Boss, einen absolvierten Raid. Weil es auf jedes bisschen Ausdauer und Rüstungsfitzelchen ankommen kann, ist auch Crafting wichtiger. Ihr braucht Tränke, Buff-Food, Rüstungsflicken und so weiter. Viel Equipment könnt ihr euch nur durch Do-it-yourself leisten. Und wegen der erwähnten Taschenknappheit haben Schneider und Lederer richtig viele Freunde!

Unser Tipp: Spielt Classic am besten mit Freunden von damals und mit gut verteilten Rollen, denn solo ist die Neuauflage extrem zäh. Ein gut eingespieltes Team erspart euch auch die Suche nach Begleitern für Instanzen und Raids, denn es gibt in Classic traditionell keinen Gruppenfinder!

Klar, das bedeutet mehr Kommunikationsaufwand - das finden wir aber besser als die heute üblichen automatisch zusammengewürfelten Random-Gruppen, bei denen höchstens mal ein »Hi!« ausgetauscht wird. Wir hatten bei unserer Rückkehr in die Todesminen mit unserer Testergruppe jedenfalls viel Spaß - weil wir die Instanz selbst zwar wie unsere Westentasche kennen, aber erst mal ewig lang nach dem Eingangsportal gesucht haben. Da fordern 15 Jahre doch ihren Tribut …

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In einem Land vor unserer Zeit

Das alte Azeroth ist auch ohne die Erweiterungs-Gebiete wie die Scherbenwelt aus Burning Crusade (2007) oder die Kontinente Kul Tiras und Zandalar aus der letztjährigen Erweiterung Battle for Azeroth riesig. Denkt aber daran, dass die Classic-Gebiete nicht mit eurem Level skalieren, sondern wieder nur für bestimmte Levelbereiche geeignet sind. Wer zum Beispiel ins Schlingendorntal will, sollte mindestens Enddreißiger sein, die Östlichen Pestländer sind für Helden gedacht, die am 60er-Levelcap kratzen.

Klasse: Jede Zone hat ihre ganz eigene Stimmung. Hier in Dunkelhain trefft ihr auf zahllose Untote. Klasse: Jede Zone hat ihre ganz eigene Stimmung. Hier in Dunkelhain trefft ihr auf zahllose Untote.

Das schränkt euch bei der Gebietswahl natürlich ein, trotzdem bleiben genug Zonen, die für euch infrage kommen. Classic hat übrigens noch einen letzten Nostalgie-Pluspunkt: Ihr erlebt das Ur-Azeroth, wie es vor der Erweiterung Cataclysm vom Dezember 2010 ausgesehen hat. Als das Brachland also noch keine Narbe hatte, die Schimmernde Ebene nicht überschwemmt war, Booty Bay noch nicht von Flutwellen-Trümmern bedeckt wurde.

Um die Eingangsfrage unseres Tests zu beantworten: Die Welt von Classic ist nicht besser oder schlechter als das aktuelle WoW. Sie ist nur anders. Es fällt schwer, Classic subjektiv zu beurteilen, da allein schon jeder unserer Tester andere Erfahrungen mit WoW gemacht hat und unterschiedlich frustresistent ist.

Classic kann in Arbeit ausarten und braucht Geduld - was für den einen Spieler zum entschleunigten Nostalgietrip wird, ist für den anderen pure Zeitverschwendung. Dementsprechend könnt ihr auch unsere Wertung für euch ganz persönlich anpassen: Nostalgiker packen ein paar Punkte obendrauf, wer lieber flott spielt und schnelle Erfolge braucht, zieht kräftig Punkte ab.

In der Beta wurde der Klassiker Horde gegen Allianz wieder angepfiffen: Vor Taurens Mühle (hier im Bild) und Crossroads bekämpften sich Dutzende Spieler. Dieses traditionelle Umklatsch-Happening dürfte auf dem Live-PvP-Server auch wieder toben. In der Beta wurde der Klassiker Horde gegen Allianz wieder angepfiffen: Vor Taurens Mühle (hier im Bild) und Crossroads bekämpften sich Dutzende Spieler. Dieses traditionelle Umklatsch-Happening dürfte auf dem Live-PvP-Server auch wieder toben.

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