Tagtäglich verlieren wir Dinge, mal wichtige, mal weniger wichtige. Die linke Socke, die ganz bestimmt von der Waschmaschine gefressen wurde, der in der Bahn liegengelassene Schirm oder der aussortierte Kühlschrank, den man beim nächsten Umzug einfach im Keller vergisst. Wäre es nicht schön, wenn man wüsste, dass diese vergessenen Gegenstände nicht ganz verloren sind, sondern irgendwem irgendwo nützlich sein können? Diese Idee greift Forgotton Anne auf, verpasst ihr allerdings einen märchenhaften Twist.
Denn die Welt, in der ihr die titelgebende Heldin Jump&Run-Passagen bewältigen und Schalter- und Umgebungsrätsel lösen lasst, ist bevölkert von sogenannten »Vergessenen«. Nur, dass es eben keine leblosen Gegenstände, sondern Charaktere mit eigener Persönlichkeit sind - was für Anne, die als Hüterin für die Sicherheit der »Gefilde« genannten Spielwelt verantwortlich ist, und ihren Meister Bonku ein großes Problem darstellt.
Viva la revolución
Während Bonku an der Ätherbrücke arbeitet, die alle Vergessenen wieder in die reale Welt und zurück zu ihren Besitzern befördern soll, begehren einige anthropomorphe Gegenstände gegen diese Fremdbestimmung auf. Sie sabotieren die Infrastruktur der namenlosen Stadt und des Turms, in dem Anne und Bonku sich häuslich eingerichtet haben. In der Haut von Anne verfolgt ihr zunächst die Rebellen unter ihrem Anführer Mr. Fig, einer lebendigen Schneiderpuppe, um sie ihrer gerechten Strafe zu überführen.
Forgotton Anne - Screenshots ansehen
In einem relativ vorhersehbaren Twist nach etwa einem Drittel Spielzeit legt Forgotton Anne allerdings eine weitere Deutungsmöglichkeit der Motivation der Rebellen frei. Denn in ihrer eigenen Welt können die Dinge sich selbst verwirklichen, während die reale Welt, im Spiel »Äther« genannt,. den Gegenständen ihre Seele rauben würde.
Diese flüchtige Energie, die den Vergessenen Leben einhaucht, ist es auch, die euer Hauptwerkzeug im Spiel befeuert: den Arca-Handschuh. Ist Annes Arca mit dem sogenannten Anima befüllt, könnt ihr beispielsweise ihre ausklappbaren Flügel nutzen, um besonders schwierige Sprünge zu meistern.
Auch die Umgebungsrätsel, die sich meist auf das Umlegen von Schaltern und das Manipulieren von Energieventilen oder die korrekte Anordnung verschiebbarer Kugeln in einem Wandbild drehen, könnt ihr nur lösen, wenn der Arca-Handschuh voll aufgeladen ist.
Ein märchenhafter Spaziergang
Glücklicherweise ist der nächste randvolle Zylinder, dem ihr mit einem Mausklick die wertvolle Ressource abzapfen könnt, nie weit. Ohnehin legt es Forgotton Anne nicht darauf an, Spieler durch Sackgassen zu vergrätzen. Alle Rätsel lassen sich ohne Zeitbeschränkung lösen, und wenn ihr den Sprung an die rettende Kante dank der leicht fummeligen Steuerung wieder um ein paar Millimeter verpasst, gibt es garantiert in nächster Nähe eine Leiter, die euch sicher an den Absprungpunkt zurückbringt.
Wenn ihr nicht von Balkon zu Balkon hüpft oder Anima zwischen Ventilen und Generatoren hin und her verteilt, gibt euch das Adventure jede Menge Luft, die Welt zu erkunden. Die Stadt, in der ihr euch bewegt, ist zwar düster und regnerisch, erfreut das Spielerauge aber mit geschickt platzierten Farbklecksen und Lichteffekten. Gerade deswegen ist die grafische Umsetzung eines der Highlights des Spiels.
Der stimmungsvolle Wechsel zwischen Licht und Schatten, die Farbpalette, die vielen kleinen Dinge, die sich im Hintergrund und zwischen den Zeilen abspielen: All das trägt maßgeblich zur einnehmenden Atmosphäre von Forgotton Anne bei. In Umgebungen wie dem heruntergekommenen Theater, dem Hauptquartier der Rebellen in der Kanalisation oder der dreckigen Kaschemme Scrappers, in der Vergessene um Anima pokern und sich Energiecocktails hinter die Binde kippen, kommt beinahe Film-Noir-Feeling auf - ein interessanter Gegensatz zum eigentlich recht gut gelaunten, quirligen Grundtenor.
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