Rollenspiel meets Prügelspiel

Klirrend zerspringen Fensterscheiben und Matrosen springen in das Teehaus. Mit einer grazilen Rückwärtsrolle weichen Sie den Schlägen der Seeleute aus, ein...

von - Gast - am: 19.05.2010

Klirrend zerspringen Fensterscheiben und Matrosen springen in das Teehaus. Mit einer grazilen Rückwärtsrolle weichen Sie den Schlägen der Seeleute aus, ein schneller Schritt zur Seite, einige Faustschläge: der erste Angreifer geht zu Boden. Von hinten nähern sich weitere Seeleute, sie ziehen Ihren Kampfstab, einige präzise Hiebe in Richtung Feind, zwei weitere Gegner sind erledigt. Mit einem Energieschlag wird der letzte Gegner betäubt, Sie verlangsamen die Zeit und der Gegner anschließend mit einem gewaltigen, langsam ausgeholten Tritt niedergestreckt.
Moment mal, dass soll ein Rollenspiel von Bioware sein? Das liest sich eher nach einem Prügelspiel! Stimmt, aber nur teilweise. Bioware hat sich an dem Experiment versucht, Prügel- und Rollenspiel zu vereinen. Ob der Versuch gelungen ist, lesen Sie im folgenden Artikel.

Ein gewagtes Szenario

Ein gewaltiges Kaiserreich, die große Mauer, ein Reitervolk in den nördlichen Steppen - ganz klar, die Spielwelt von Jade Empire ist eine phantastische Version des alten Chinas.
Die Abwechslung zum Mittelaltereinheitsbrei der meisten Rollenspiele ist sehr gut gelungen. Eine stark stilisierte Grafik, Tierdämonen, eine fremde Kultur - binnen weniger Minuten fühlt man sich in eine andere Welt versetzt.
Die Handlung hat das gewohnt hohe Bioware Niveau, die sehr schnell Tempo aufnimmt. Sie beginnen als Lehrling einer Kampfkunstschule. Ihr Ausbilder und Meister Sun Li berichtet von einer unglaublichen Geschichte: der Kaiser wehrte eine drohende Dürre für das Kaiserreich ab, indem er den göttlichen Wasserdrachen tötete und dessen Macht übernommen hat, um selbst zum Gott aufzusteigen. Sun Li versuchte den ihn daran zu hindern, scheitere jedoch und musste fliehen. Aber damit nicht genug: Sie sind der letzte Nachkomme der Wassermönche, die Wächter eben jenes Wasserdrachen. Kurz darauf wird die Schule überfallen, Ihr Meister entführt. Selbstverständlich wollen sie diesen nun retten und nehmen die Verfolgung auf. Das sich dabei das Schicksal des gesamten Kaiserreiches entscheidet versteht sich von selbst.

Jade Empire: das Rollenspiel

Im Laufe der Geschichte erkunden sie Ruinen, die Kaiserstadt, einen finsteren Wald und zahlreiche weitere, sehr schön aufgebaute Level. Der asiatische Einfluss ist überall erkennbar, besonders in der Farbgebung. Jade Empire ist durchgehend sehr farbenfroh, düstere Höhlen besucht man eher selten.
Zur asiatischen Kultur gehört mehr als Kampfsport: der Dialoganteil im Spiel liegt bei circa 40%. Diese sind sehr gut ausgearbeitet und ausgezeichnet vertont. Auch gibt es öfters etwas zu lachen. Jedoch wiederholen sich einige Stimmen. Zudem bleibt der Hauptcharakter stumm.
Je nachdem wie sie Quests angehen, entscheiden Sie sich für gutes oder böses Vorgehen:
der Weg der offenen Hand und der Weg der geschlossenen Faust. Während die offene Hand für großzügiges und tolerantes Verhalten steht, geht es bei dem Weg der geschlossenen Faust um das Recht des Stärkeren. In einigen Teilen der Hauptquest und in nahezu allen Nebenquests hat man die Möglichkeit diese auf unterschiedliche Art und Weise zu lösen. Entsprechend unterscheidet sich auch das mögliche Finale. Wer den Pfad der geschlossenen Faust einschlägt sei jedoch an dieser Stelle gewarnt: die möglichen Taten sind teilweise sehr extrem und deutlich menschenverachtender als in vergleichbaren Spielen. So kann es passieren das man sich vor seinen eigenen Taten ekelt. Oder würden Sie ein Kind zum sterben zurücklassen, weil es zu schwach ist sich selbst zu helfen?

Begleiter, Skillsystem und Items

Wie es sich für ein Rollenspiel von Bioware gehört gibt es selbstverständlich wieder Begleiter, die im Laufe des Spieles zur Gruppe stoßen. Diese sind durchgehend sympathisch und haben einen glaubwürdigen Hintergrund. Etwas ganz besonderes ist ein kleines Mädchen, in dessen inneren zwei Dämonen leben und um die Vorherrschaft in diesem Körper ringen. Im Spielalltag wird man jedoch immer nur von einem Gefährten begleitet, der in Dialogen seine Meinung von sich gibt und Sie im Kampf unterstützt. Jedoch kämpfen diese bis auf eine Ausnahme mehr schlecht als recht und taugen kaum als verlässliche Hilfe.
Das Skillsystem ist sehr rudimentär. Mit jedem Levelaufstieg verteilt man Punkte in Lebenspunkte, Chi (Mana) und Fokus. Zudem darf man seine Kampfstile verbessern. Diese werden im nächsten Abschnitt ausführlich erklärt. Items gibt es außer einigen Questgegenständen nur in Form von Amuletten, mit denen passive Werte erhöht werden. Ausnahmen wie Schutzschilde, die sich automatisch in Kämpfen aktivieren, sind sehr selten.

Jade Empire: das Prügelspiel

Neben den tollen Dialogen und der spannenden Geschichte sind die Kämpfe das Herzstück von Jade Empire. Die Bedienung ist denkbar einfach: mit der linken Maustaste schlägt man schnell zu, mit der rechten führt man einen langsamen, aber sehr starken Schlag aus. Drückt man beide Tasten gleichzeitig löst man einen Rundumangriff aus, der nahe Gegner zu Boden schleudert. Mit doppeltem Druck auf die Bewegungstasten führt man Ausweichmanöver durch, zwischen den unterschiedlichen Kampfstilen wechselt man per Tastendruck. Dazu kommt noch die Möglichkeit, Schläge zu blocken und die Fokustime, eine sehr mächtige Zeitverlangsamung im Stil von Max Payne. Die Bedienung geht nach wenigen Minuten in Fleisch und Blut über und erlaubt innerhalb kürzester Zeit spektakuläre Gefechte.

Gekämpft wird mit unterschiedlichen Kampfstilen, die sich in fünf Kategorien aufteilen.
- Waffenloser Kampf: Selbsterklärend, zum Einsatz kommen Faustschläge und Tritte
- Waffenkampf: gekämpft wird mit Schwertern, Stäben, Doppelsäbeln oder Äxten
- Unterstützung: Zauber, mit denen Gegner verlangsamt, betäubt oder sonst wie behindert werden
- Zauber: Elementare Fernkampfangriffe in Form von Feuer, Eis, Stein oder Wind
- Verwandlung: Man nimmt die Gestalt einer mächtigen Kreatur an und verfügt über deren Fähigkeiten
- Harmonische Combo: wenn man bestimmte Schläge der unterschiedlichen Stile kombiniert, kann man extrem mächtige Combos auslösen, die Gegner mit einem Schlag töten können

Alles in allem erlauben die Kämpfe zahlreiche Möglichkeiten, gehen schnell von der Hand und sind spannend inszeniert. Von starken Einzelgegnern bis spektakulären Massenkämpfen ist alles dabei.
Der Schwierigkeitsgrad geht in Ordnung, einige Bosse sind aber relativ fordernd.
Dabei fühlt sich Jade Empire aber kaum noch wie ein Rollenspiel an und ist eher mit einem Prügelspiel zu vergleichen. Macht aber nichts, da die Kämpfe extrem viel Spaß machen.

Flugzeuge im alten China?

Gelegentlich gibt es ein Minispiel im “Space Invader” Stil zu bezwingen. Das ist jedoch freiwillig und kann übersprungen werden. Gut so, da es sehr schnell extrem schwer wird. Wer sich jedoch durchbeißt, kann einen interessanten Storyabschnitt frei schalten, der sich um eine göttliche Maschine im Himmel dreht.

Die Technik

Technisch ist Jade Empire durchgehend hochklassig. Die stark stilisierte Grafik hinterlässt einen überzeugenden Eindruck. Die Level wirken lebendig, Passanten schlendern über die Straßen, das Gras wiegt sich im Wind, die Landschaft wird in stimmungsvolles Licht getaucht. Zahlreich eingesetzte Bloomeffekte betonen das Bild. Herausragend sind auch die Animationen. Schläge, Sprünge und Tritte reihen sich nahtlos aneinander und erfreuen das Auge.
Dazu kommt ein großartiger Soundtrack, Abgerundet wird das alles durch extrem kurze Ladezeiten. Störend sind jedoch sich widerholende Gesichter: dies kommt leider viel zu oft vor und kostet Atmosphäre.
Die Zwischensequenzen sind meistens sehr spannend inszeniert, leider aber auch unscharf und körnig.

Fazit

Jade Empire ist anders. Kaum Items, ein einfaches Skillsystem, eine ungewöhnliche Spielwelt. Stattdessen beschränkt es sich auf zwei Elemente: reden und prügeln. Aber die Dialoge sind großartig, die Handlung gehört zu den besten der Rollenspielgeschichte und die Kämpfe machen extrem viel Spaß. Die Spielzeit ist mit circa 20 Stunden relativ kurz für ein Rollenspiel, der Widerspielwert jedoch durch die gut-böse Auswahl sehr hoch. Außerdem gibt es so viele unterschiedliche Kampfstile, dass man sie in einem Durchgang kaum alle antesten kann.
Wer sich dieses Meisterwerk entgehen lässt verpasst ein Rollenspielkleinod.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Animationen, Lichteffekte
  • Sound: toller Soundtrack, gute Synchronstimmen....
  • Balance: fordernd und doch immer machbar
  • Atmosphäre: man fühlt sich in eine andere Welt versetzt
  • Bedienung: Kämpfe gehen einfach von der Hand
  • Umfang: hoher Wiederspielwert, Space Invader Minispiel
  • Quests / Handlung: spannende Handlung, Gut-Böse Auswahl
  • Kampfsystem: Abwechslungsreich, einfach zu beherschen
  • Charaktersystem: unterschiedliche Kampfstile, Magie, Fukustime
  • Items: meistens nützlich
  • Grafik: wiederholdene Gesichter, körnige Zwischensequenzen
  • Sound: ...die sich oft wiederholen
  • Balance: -
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: gelegentliche Kameraprobleme
  • Umfang: mit 20 Stunden Spielzeit relativ kurz
  • Quests / Handlung: -
  • Kampfsystem: Begleiter sehr schwach
  • Charaktersystem: alles relativ ähnlich
  • Items: wenig Items, nur Amulette und Passivwerte

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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