Black Mirror - Die Zehn Stunden Hätt Ich Gern Wieder.

Ich war tatsächlich recht optimistisch gestimmt, als ich die Vollversion von Black Mirror auf meiner GameStar DVD gesehen habe. Immerhin hat das Spiel ja...

von Mangalf am: 29.01.2011

Ich war tatsächlich recht optimistisch gestimmt, als ich die Vollversion von Black Mirror auf meiner GameStar DVD gesehen habe. Immerhin hat das Spiel ja durchaus eine sehr gute Bewertung erhalten (besser als jede Tales of Monkey Island bzw Sam and Max - Episode, wenn ich mich richtig erinnere). Dementsprechend habe ich mich optimistisch, aber auch mit angemessenen Erwartungen an das Spiel gesetzt.


Die positiven Aspekte zuerst:
Das Spiel schafft es durchaus, über den Großteil seiner Spielzeit die bedrückend mysteriöse Stimmung herüberzubringen, die es vermitteln möchte. Die Handlung ist interessant, solange man öfter mal ein Auge über den ein oder anderen Logikpatzer oder sinnfrei agierende Charaktere zudrückt.
Nutzlose Hotspots werden nach Beobachtung ausgeblendet.
Die gerenderten Hintergründe sind sehenswert. Bei den Details hat man sich deutliche Mühe gemacht.


Das war's. Auf der anderen Seite dann dies:

Das Hot-Spot-Dilemma
Ein bedeutender Teil des Spiels basiert nicht auf Rätseln, sondern dem systematischen wiederholten Abforsten der immer gleichen Locations, um jedes Objekt anzuklicken und jede Person anzusprechen. Dabei schaffen gerne völlig unbedeutende Aktionen neue unzusammenhängende Interaktionsmöglichkeiten mit der Umgebung. Neue Hot Spots werden aktiviert, wo etwas vorher nur Dekoration war. Das bemerkt man natürlich nur, wenn man Freude daran hat, den Bildschirm wiederholt abzusuchen, da eine Taste zur Anzeige aller Hot Spots fehlt.
Der gröbste Blödsinn? Mit der linken Maustaste untersucht und nimmt man Gegenstände. Wenn der Hot Spot nicht verschwindet, kann man wahrscheinlich einen Gegenstand mit ihm benutzen. Oooooder, man drückt die rechte Maustaste. Was tut die? Untersuchen und aufnehmen von Gegenständen. Allerdings 'intensiver' oder so. Man findet Sachen, die man mit der linken Taste findet. Aber nur manchmal. Ich habe in grob 19 Jahren Spiele-Erfahrung kaum ein dümmeres, sinnloseres Feature gesehen. Das ist eine Leistung.

Weiterhin gibt es ständig Stellen, an denen das Spiel einem schlicht keine Hinweise gibt, was als nächstes zu tun ist. Das Paradebeispiel ist in Kapitel 2 oder 3. Ein völlig abgelegener, bis dahin ungenutzter Briefkasten, der plötzlich und ohne jegliche Benachrichtigung des Spielers einen Brief beinhaltet, ohne den die Handlung nicht weiter geht. Den erwartet man aber nicht, weil er aus 'dem Nichts' kommt. Good times.


Stupides Im-Kreis-Laufen
Oft schickt das Spiel den Spieler an einen Ort oder zu einer Person, um zwei Meter weiter wieder auf die Ausgangsposition/-person zurückkommen zu müssen. 'Sag ihm, er soll den Rasen mähen.' - 'Ich mäh den Rasen später' - 'Er soll den Rasen jetzt mähen' - 'Mach ich's eben jetzt'. Oder man rätselt irgendwo herum, öffnet ein Grab, braucht dann einen Gegenstand, der fünf Bildschirme entfernt (erst jetzt anwählbar) benötigt wird, um eine Tür zu öffnen, benötigt dann einen weiteren Gegenstand, ebenfalls fünf Bildschirme entfernt (ebenso erst jetzt anwählbar), um an etwas heranzukommen.

Grundsätzlich verbietet es das Spiel dem Spieler, Gegenstände 'zu früh' aufzusammeln, die völlig offensichtlich gebraucht werden. Hot Spots werden dann aktiv oder nutzbar, wenn es das Spiel für angemessen hält. Der Spieler wird nur meist in keiner Weise in Kenntnis von dieser Veränderung gesetzt. Dieser völlig unnötige Effekt, der nur Spielzeit schindest und Frust schafft, wird immens dadurch (und durch die fehlende Anzeige aller Hot Spots) gesteigert, dass der Hauptcharakter nicht rennen kann. Doppelklicks auf Bildübergänge teleportieren den Spieler sofort, dennoch nervt das ewige hin und her. 40-sekündige Laufpassagen im Kirchenhof kommen schon mal vor.

Ebenso, dass angesprochene Charaktere gerne mal noch fünf Sekunden in Büchern herumblättern oder Gläser putzen oder aus Krügen trinken, bevor sie diese in Zeitlupe weglegen, das Gesicht mit der Ruhe einer tektonischen Plattenverschiebung zum Spieler wenden, und höflich fragen, warum zum Geier sie denn belästigt werden.

Das Rätseldesign ist grober Mist.
Man findet ein Schwert und einen Helm. Toll. Was macht man damit? Blöde Frage, natürlich in ein Loch werfen. Damit eine automatische Steinplatte sich aus dem Nichts über das Loch schiebt. Klingt jetzt so, als würd da irgendwie mehr dahinter stecken. Tut's nicht. Es ist absolut so 'simpel' und so strunzdumm. Wenn die Rätsel nicht derartig sinnfrei sind, haben sie oft überhaupt gar keine Anforderung, sondern bestehen nur darin, offensichtliche Charaktere abzuklappern und offensichtliche Gegenstände zu benutzen. Gilt nicht generell, aber viel zu oft, um es nicht anzumerken.

'Ich brauch mal fünf Minuten dafür.'
Mehrfach sind Charaktere mit einer Tätigkeit für den Spieler beschäftigt, woraufhin man sich später noch einmal melden soll. Einmal habe ich einen NPC über 15 (fünfzehn) Mal anreden müssen, ständige 'nötige' Gebietswechsel inklusive, bis er mir dann plötzlich weiterhelfen konnte, ohne dass ich irgendetwas anderes im Spiel gemacht hätte (oder die Möglichkeit dazu gehabt hätte).

'It is definitely not a good day to die'
Ab und zu stirbt der Spieler. Glücklicherweise geht das nur bei einer Hand voll Möglichkeiten. Da das Spiel aber nicht automatisch speichert und keine Check Points setzt, mag es den unglücklicheren Spielern schonmal passieren, nach 30 Minuten ungesichertem Spiel eine Öffnung anzuklicken, um drei Sekunden später einen durchbohrten Schädel zu haben. Nur um durch stupides Trial and Error irgendwann herauszufinden, dass eins der x Löcher keine Todesfalle enthält, sondern einen wichtigen Gegenstand. Purer Spaß.

Die Story wird schlecht. Richtig, richtig schlecht.
Das Ende ist erbärmlich. Das ganze Spiel setzt Akzente mit spannenden mysteriösen Details. Fragen werden aufgeworfen, und dann nie beantwortet. Warum fehlt bei einer Leiche vollständig das Blut? Darauf weisen zwei Charaktere intensiv hin, und es wird nie aufgeklärt, zumal es am Ende ein Einzelfall bleibt.
Warum verschwindet der Antagonist, kurz bevor überhaupt klar wird, dass er 'der Böse' ist? Und taucht nie wieder auf, um in einer Randnotiz aus dem Spiel zu verschwinden? Was hat es mit seinem ominösen Masterplan auf sich? Das wird ständig vage angesprochen, aber nie in irgendeiner Weise konkretisiert. Scheitert eben automatisch so nebenbei. Am Ende türmen sich Fragen über Fragen, die Handlung baut immer dramatischer auf einen Höhepunkt auf... der dann völlig ausbleibt. Nicht auf die Art von wegen 'Wir sparen uns die Aufklärung für die Fortsetzung!', sondern eine ganz besondere Art von 'Wir ignorieren vehement 90% der aufgetretenen Handlungsaspekte und machen das Ende so abrupt und unbefriedigend sinnlos wie möglich'.

Schlimmerweise lässt sich bei genauerer Überlegung dies sagen: 90% der Handlung erscheinen nur im Verlauf des Spiels wichtig, sind für den letztendlichen Verlauf aber absolut irrelevant, sprich: haben nichts damit zu tun.

Das Fazit:
Black Mirror ist ein Spiel mit netter Geschichte, aber sehr schlechtem Ende. Vor allem ist es ein Paradebeispiel für unfassbar miserables Game Design.
Es spielt sich anstrengend, frustrierend, verbaut dem Spieler den Weg, ignoriert grundsätzliche Komfortfunktionen, und baut stattdessen sinnlos
komplizierte, überflüssige Extramechanismen ein. Lohnt es sich dennoch, über die Schwächen hinwegzusehen?
Nein. Ich bereue meine verschwendete Zeit mit Black Mirror. Es ist zu quälend und belohnt den Spieler am Ende mit höhnischer Verachtung. Es macht keinen Spaß und ist Fleißarbeit. Ich kann Black Mirror niemandem mit gutem Gewissen empfehlen, da es glücklicherweise zu viele bessere Adventure-Alternativen gibt, in denen weniger „Scheiss egal“-Mentalität steckt. Black Mirror ist nicht 'so schlecht, dass es gut ist'. Es ist leider einfach nur schlecht.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Hintergründe, Details, trifft Stimmung
  • Sound: stimmige Musik, gute Sprecher
  • Balance: nichts.
  • Atmosphäre: durchgehend stimmig
  • Bedienung: Reisekarte, Doppelklick zum Raumwechseln
  • Umfang: mit 10 Stunden zwar akzeptable Länge
  • Quests und Handlung: Handlung fängt vielschichtig und interessant an
  • Charakter: Charaktere besitzen Persönlichkeitsansätze
  • Dialoge: meist passend, authentisch
  • Rätsel: nutzlose Hot Spots verschwinden nach Beobachtung
  • Grafik: Modelltexturen, Animationen, Abwechslung
  • Sound: Musik wiederholt sich schnell und wird eintönig
  • Balance: schwankt: kinderleicht / Suchen und Raten
  • Atmosphäre: am Ende durch die Handlung verstimmt
  • Bedienung: kein Rennen/HotSpotanzeige, nervende 2. Maustaste
  • Umfang: entstehen nur durch extrem zähen Spielfluss
  • Quests und Handlung: und gipfelt in sinnlos dummer Trivialität
  • Charakter: verfallen aber am Ende der Bedeutungslosigkeit
  • Dialoge: manchmal trivial, unlogisch
  • Rätsel: Fleiß- und Frustaufgaben, schwankende Anforderung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(20)
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