Nicht makelloses, aber intensives Grusel-Adventure

Die Werke des US-amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft (1890-1937) prägten die Horror- und Fantasyliteratur des 20. Jahrhunderts und beeinflussten viele...

von Njcid am: 11.07.2012

Die Werke des US-amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft (1890-1937) prägten die Horror- und Fantasyliteratur des 20. Jahrhunderts und beeinflussten viele spätere Autoren. Sein Schaffen umfasst zahlreiche Erzählungen und Kurzgeschichten. Besondere Bekanntheit erlangte der Cthulhu-Mythos, den Lovecraft 1926 mit 'Cthulhus Ruf' begründete und bis heute viele Fans hat. Basierend auf Lovecrafts Universum entwickelte Headfirst Productions in Zusammenarbeit mit Bethesda Softworks das Action-Adventure 'Call of Cthulhu: Dark Corners of the Earth', das 2005 auf den Markt kam. Nachdem es ursprünglich nur für die Xbox erschien, folgte ein paar Monate später auch eine PC-Version.

Spieleinstieg

Das Spiel beginnt mit einem Prolog, der im Jahr 1915 angesiedelt ist. Der Ermittler Jack Walters wird von Polizisten zu einem Haus berufen, in dem sich seltsame Sektenanhänger verschanzt haben. Die okkulten Fanatiker verlangen, dass Walters zu ihnen kommt. Als der Detektiv eintrifft, eröffnen die Kultanhänger das Feuer auf die Polizisten. Walters gelangt in das marode Haus und kann sich keinen Reim darauf machen, weshalb die Sektenanhänger ausgerechnet mit ihm sprechen wollen. Er sucht im Haus nach Antworten, während die Polizisten von draußen wie wild auf das Gebäude schießen. Er findet einen der Kultanhänger, dieser wird jedoch Opfer eines Kopfschusses, noch bevor er Walters aufklären kann. Jack entdeckt ein Zimmer voll mit Fotografien von sich. Anscheinend hat ihm die Sekte seit längerem nachgestellt. Der ratlose und verstörte Walters gelangt durch einen geheimen Gang in den Keller des Anwesen, wo er Schreckliches mit ansehen muss. Etwas so Schreckliches, dass er bewusstlos zusammenbricht und eine Amnesie seine Erinnerungen löscht. Die nächsten Jahre verbringt Walters im Sanatorium. 1922 wird er entlassen, sein Geisteszustand hat sich aber kaum gebessert und nun vegetiert er als Privatdetektiv vor sich hin. Ein Auftraggeber lockt ihn mit viel Geld in die Küstenstadt Innsmouth, wo er den verschwundenen Ladenangestellten Brian Burnham suchen soll. Noch bevor Walters dort ankommt, vermittelt ihm der Busfahrer, dass Fremde in Innsmouth nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden. Die Begrüßung fällt dementsprechend unfreundlich aus. Die hässlichen Bewohner der Stadt starren den Privatdetektiv feindselig an und verhalten sich wenig hilfsbereit. Walters beginnt seine Nachforschungen und erfährt schon bald, dass es in Innsmouth nicht mit rechten Dingen zugeht. Heidnische Rituale und Menschenopferungen sind fest mit der Geschichte der Stadt verwurzelt und scheinen noch immer sehr präsent zu sein. Während Walters das Fischerdorf erkundet, machen sich die Bewohner schon einen Kopf darüber, wie sie den lästigen Schnüffler wieder loswerden. Nachdem sich Walters in einem schäbigen Hotel zur Bettruhe begeben hat, gehen sie zum ersten Mordversuch über. Und schon begeistert 'Call of Cthulhu' mit einem echten Highlight: Jacks' Flucht aus dem Hotel ist grandios schweißtreibend und gehört zu den besten Stellen des ganzen Spiels. Der Waffenstillstand ist verflogen, jetzt muss Walters um sein Leben kämpfen...

Spielverlauf

'Call of Cthulhu' spielt sich aus der Ego-Perspektive und verbindet Adventure mit Shooter-Einlagen. Auffällig ist, dass das Spiel gänzlich ohne Bildschirmeinblendungen auskommt. Auf Fadenkreuz und Gesundheitsanzeige wurde verzichtet, der physische und psychische Zustand wird akustisch und visuell dargestellt. Signale wie Herzklopfen, panische Selbstgespräche oder verschwommene Sicht sind keine guten Zeichen. Durch dieses Stilmittel bauen die Entwickler eine beklemmende Intensität auf, die zu Beginn am stärksten ist, als Jack noch ohne Waffe unterwegs ist. Außerdem zieht die spannende Grusel-Story den Spieler in den Bann und Jacks Wehrlosigkeit unterstreicht die bedrohliche Stimmung des Titels perfekt. Vorallem die Flucht des Protagonisten vor der aufgebrachten Meute ist packend inszeniert und der Spieler wird gezwungen, sich an seinen Gegnern vorbeizuschleichen. Nachdem man die ersten Schießeisen findet, nimmt die Spannung etwas ab, da sich der Spieler nun verteidigen kann und das Gameplay wird actionlastiger. Zwar bleibt 'Call of Cthulhu' vorrangig ein Adventure mit vielen Rätseln, aber die hektischen Shooter-Einlagen nehmen einen großen Teil ein. Im weiteren Spielverlauf stellen Sie Innsmouth auf den Kopf und die Bewohner sind noch das kleinere Übel, was sich Ihnen in den Weg stellt. Nachdem Brian Burnham befreit wurde, erkennt Jack, dass nur er dem okkulten Treiben in der Stadt ein Ende setzen kann. In einer Goldraffinerie kommt es zum ersten Showdown. Später infiltriert er den ortsansässigen Orden des Dagon und fährt bis zum Meer hinaus, um den Spuk zu beenden. Für den psychisch labilen Privatdetektiv erweist sich das Abenteuer als wahre Tortur und nicht nur einmal droht er durchzudrehen. Die geistige Belastung haben die Entwickler in das Gameplay einfliessen lassen: Wenn Jacks Psyche zulange strapaziert wird (z.B. durch den Anblick grässlicher Dinge), kann es vorkommen, dass er den Verstand verliert oder sich gar selbst hinrichtet. Dazu nutzt er dann eine seiner Waffen. In 'Dark Corners of the Earth' stehen dem Spieler sieben Modelle (Pistole, Gewehr, Brecheisen, Messer u.a.) zur Verfügung, dazu kommt noch eine ominöse Alien-Kanone, die er aber erst am Ende des Spiels findet und sich als wahre Wunderwaffe erweist. Da das Spiel auf ein Fadenkreuz verzichtet, muss der Spieler über Kimme und Korn zielen, um präzise feuern zu können. Ebenfalls realistisch ist die Konsequenz von Verletzungen: Jack reagiert auf Verwundungen. Wenn er zum Beispiel stürzt, beginnt er zu hinken. Außerdem kann er selbst durch leichte Treffer sterben, wenn er die Blutung nicht rechtzeitig stoppt. Um sich zu heilen, benötigt er Verbandskästen, die er in den Levels findet. Der Vorgang des Verarztens dauert ein paar Sekunden und Jack ist währenddessen wehrlos.

Technik

Das Spiel war 5 Jahre in der Entwicklung, dennoch war 'Call of Cthulhu' bereits zu Release grafisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die unscharfe Texturen und polygonarmen, kantigen Modelle sind nicht besonders ansehnlich. Die ungelenken Animationen und Clippingfehler trüben den Gesamteindruck ebenfalls. Dafür gefallen die visuellen Effekte (Bewegungsunschärfe u.a.) und die düster-triste Optik passt sehr gut zur Atmosphäre des Grusel-Adventures: Die Bewohner sind schön eklig gestaltet und die Spielwelt ist stimmungsvoll. Die Unterwasserabschnitte können sogar mit ein paar grafischen Leckerbissen aufwarten. Der Sound des Spiels ist ebenfalls gelungen: An der bedrückenden Geräuschkulisse, professionellen Sprachausgabe und passend eingesetzten Musik gibt es wenig auszusetzen. Die Gegnerkommentare wiederholen sich oft, aber das fällt nicht ins Gewicht.

Bewertung

'Call of Cthulhu' bindet menschliche Urängste als spielerisches Element ein und bietet ein intensives Gameplay-Erlebnis. Das Spiel setzt auf psychologischen Horror und kommt ohne Zombies, meterhohe Blutfontänen oder plumpe Schockeffekte aus. Für schwache Mägen ist das deftige Gruseladventure dennoch nicht zu empfehlen. Anfangs zieht die Lovecraft-Story in den Bann, später nimmt der Spannungsbogen aber stetig ab. Die Shooter-Einlagen wirken etwas deplaziert, lassen sich nach genügend Eingewöhnung jedoch meistern. Ebenfalls nicht das Wahre sind die Rätsel: Sie sind zwar gut in den Spielverlauf integriert, vereinzelte Aufgaben entpuppen sich jedoch als nerviges Trial&Error. Frei gespeichert werden kann nicht, als Checkpoints fungieren Symbole an der Wand, die meistens fair verteilt sind, aber nicht immer. Weniger verzeihlich ist die schwache Gegnerintelligenz, die sich oft Ausfälle leistet. Trotz minderbemittelter Widersacher sollte man vermeidbaren Schusswechseln jedoch aus dem Weg gehen: Munition ist knapp und Jack Walters trägt schließlich keine kugelsichere Weste.

Zusammengefasst lebt 'Dark Corners of the Earth' von seiner beängstigenden Atmosphäre und der spannenden Okkult-Story. Es versprüht einen morbiden Charme, leistet sich jedoch auch viele Schnitzer: Die KI ist schlecht, die Grafik veraltet und der Spielverlauf hat Durchhänger.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Stimmige Spielwelt, Unschärfeeffekte
  • Sound: Erstklassige Soundkulisse, professionelle Sprecher
  • Balance: Toller Auftakt, abwechslungsreicher Spielverlauf
  • Atmosphäre: Packende Gruselstimmung, interessantes Setting
  • Bedienung: Keine Nachteile durch fehlendes HUD
  • Umfang: Solide Spieldauer, 4 Schwierigkeitsgrade
  • Handlung: Packende Okkult-Story nach Lovecraft
  • Charaktere: Glaubwürdiger Held, viele Nebencharaktäre...
  • Dialoge: Treiben Handlung voran
  • Rätsel: Gut in den Spielverlauf eingebunden
  • Grafik: Unscharfe Texturen, Polygonarmut, Clippingfehler
  • Sound: Wiederholende Gegnerkommentare
  • Balance: Hektische Shooter-Einlagen, schwache KI
  • Atmosphäre: Leidet unter den Shooter-Einlagen
  • Bedienung: Schwammige Bedienung
  • Umfang: Kaum Wiederspielwert, wenig Extras
  • Handlung: Spannungsbogen nimmt ab, offene Fragen
  • Charaktere: ... die jedoch kaum eine Rolle spielen
  • Dialoge: Keine Möglichkeit zum Eingreifen
  • Rätsel: Ein paar nervige Trial&Error-Einlagen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



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