Ab in die Renaissance!

Auch wenn es politisch inkorrekt erscheint: Rachestorys verkaufen sich meistens gut. Essentiell für eine gute Rachestory ist allerdings eine glaubwürdige, greifbare, sympathische, nachvollziehbare Hauptfigur!

Vorhänge zur Seite, Auftritt Ezio Auditore! Der junge Mann aus Florenz ist ein Meister in diesem Gebiet, Spieler können sich in jeder (Spiel-)Situation gut mit dem Protagonisten von Assassin's Creed 2 identifizieren. Der adelige Frauenheld führt ein unbeschwertes Leben ohne jedwede Verantwortung und prügelt sich auf der Straße.

Zurück in die Gegenwart!

Doch zurück zu unserem eigentlichen Alter Ego, Ezios Nachfahre Desmond Miles. Der (ACHTUNG! SPOILER!) entkommt mit Lucy aus dem Gebäudekomplex von Abstergo, in dem er während des ersten Serienteils festsaß. Sie bringt uns zu den übrigen Assassinen, wo wir gleich mal in eine neue Version des Animus steigen können, den Animus 2.0. Dieser eroeffnet uns ein Fülle neuer Möglichkeiten. Beispielsweise kann Ezio nun schwimmen und die Minimap ist um einiges detaillierter als noch Assassin's Creed. Doch auch wenn Desmond unser eigentliches Anderes ich ist, spielen wir die meiste Zeit mit Ezio.

Der Weg des Assassinen

Und das ist auch gut so, denn ihn kennen wir von ganz klein auf kennen. Wir sehen ihn heranwachsen, was eine ganz eigene Art der Identifikation schafft, die man nur selten in Spielen sieht. Als er dann durch eine groß angelegte Verschwörung seinen Vater und seine beiden Brüder verliert, können wir ihm nur allzu gut nachfühlen, als er zum Assassinen wird und loszieht um sie zu rächen. Bald wird ihm bewusst, dass dahinter weit mehr steckt...
Sein Rachefeldzug nimmt viele überraschende Wendungen, verliert nicht an Dramatik und hat nach gut 30 Stunden (+Nebenaufgaben) ein überraschendes Ende, das noch mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet.

Ohne Geld gibt's nix

An der beachtlichen Spielzeit ist auch schon der großen Umfang des Spiels abzulesen. Neben der Hauptstory gibt es zusätzlich noch jede Menge (optionale) Nebenaufgaben (Auftragsattentat, Schlägerei, Rennen, usw.). Außerdem sind wieder Sammelobjekte vorhanden, die da wären: Federn, Glyphen, Kodexseiten, Statuetten und auch Schätze gibt es zu entdecken. In Assassin's Creed 2 spielt nämlich erstmals Geld eine Rolle. Das bekommen wir durch Diebstähle, Plünderung von Taschen toter Gegner, die eben erwähnten Schätze oder als Einnahmen unserer Villa: Ezio erhält von seinem Onkel Mario die Familienvilla der Auditore in Monterriggioni. Die ist allerdings recht heruntergekommen und wartet darauf wiederaufgebaut zu werden. Wie in einem kleinen Strategiespielchen können wir die einzelnen Gebäude von Monterriggioni renovieren lassen und locken damit 'Touristen' an, die wiederum Geld in unsere Kassen fließen lassen.
Mit dem Geld koennen wir uns bessere Waffen, Medizin, Gift, größere Beutel, Munition, Kleiderfärbungen, Schatzkarten oder aber Gemälde kaufen, die ebenfalls den Wert der Villa steigern. Bei 'Reisebüros' können wir uns eine Schnellreise in eine andere Stadt kaufen.
All das kaufen wir uns bei Händlern in den Städten. Somit sind wir nicht mehr abhängig von den Entscheidungen eines Obersten (im 1. AC war das Al Mualim, auch genannt 'der Alte vom Berg'), sondern sind sozusagen Eigenversorger.

Insieme per la vittoria!

Unter den Waffen befinden sich allerhand zeitgenössische 'Werkzeuge', doch Ezio bekommt im Laufe des Spiels auch andere, sehr nützliche Gimmicks, wie z.B. eine Unterarmpistole, eine Giftklinge oder eine Rauchbombe. Zudem erhält Ezio eine zweite versteckte Klinge, sodass zwei Wachen nebeneinander nun auch kein Problem mehr darstellen. Ezio ist aber kein einsamer Wolf wie sein Quasi-Vorgänger Altair: Er kann sich Diebe, Kurtisanen und Soeldner zu Hilfe holen. Dadurch lässt sich nun vieles auch ohne großes Blutvergießen lösen. Schleicher werden ihre helle Freude an den neuen Attentatsmoeglichkeiten haben: Zur Wahl stehen neben den alten, bekannten aus Assassin's Creed auch Stealth-Attacken aus einem Heuhaufen oder an einem Vorsprung hängend. Die Giftklinge ist auch allemal nützlich, wenn auch grausam. Hier tut es fast schon weh, dass die Entwickler so lebensnahen, flüssige Animationen kreiert haben. Das gilt auch für die fetzigen, schnellen Kämpfe. Zwar lassen sich diese immer noch durch bloßes Kontern gewinnen, aber da die Konterattacken nur mehr bei den schwachen Gegnern wirklich wirksam sind (alle anderen bekommen nur kurz eins auf die Mütze), wird das schnell langweilig und wir gehen lieber in die Offensive. Außerdem können wir unsere Gegner nun entwaffnen - einige der schlaueren Burschen werden nach ein paar Sekunden die Flucht ergreifen. Die KI im Kampf schlauer geworden als im Vorgänger, die Abstände zwischen den Angriffen sind kürzer geworden und einige Gegnertypen (z.B. Rohlinge) können gar nicht gekontert werden. Bei Verfolgungen stellen sich die Wachen auch ganz gut an, nur manchmal verlieren sie den Faden. Egal, die Animationen sind ein echter Hingucker.

Mit Gamepad haben's Assassinen leichter!

Wenn Ezio, agil wie er ist, behände über die Dächer von Florenz, Venedig, San Gimignano, Forli (oder kurzzeitig sogar Rom) sprintet und kraxelt, gucken auch die Leute und geben verwunderte (und meist lustige) Kommentare ab (Ein Beispiel: 'Lebenserwartung? Etwa fünf Minuten, schätze ich!!') Die Akrobatikeinlagen machen wieder enorm viel Spaß, was vor allem dem cleveren Design der Städte und Innenlevels zu danken ist. Mit der Tastatur gestalten sich die Klettereien aber manchmal als etwas knifflig, doch mit der Zeit hat man den Dreh raus.
Wenn wir aber in einem Assassinengrab (optionale Instanzen, in denen wir am Ende einer vorgegebenen Kletterstrecke in Siegel finden, um, wenn wir alle sechs haben, Altairs Rüstung (Rüstung! Nicht Umhang!) freizuschalten) rumklettern, merken wir, dass die Entwickler gleich eine doppelte Berechtigung haben, diese Abschnitte 'Prince of Persia-Abschnitte' zu nennen, denn sie haben nicht nur die Linearität mit der PoP-Serie gemeinsam, sondern auch die teils unglücklichen Kamerawinkel, die einerseits gut auf das Ziel hinweisen, andererseits die Schuld dafür tragen, dass Ezio wie der persische Prinz am Ziel vorbeihüpft. das nervt doppelt, wenn wir unter Zeitdruck arbeiten, denn dann passiert es wesentlich häufiger, dass Ezio einen Absturz erleidet. Gott sei Dank bricht aber oftmals eine Leiter oder Ähnlichen herunter, damit wir in diesem Fall nicht nochmal den ganzen Weg zurücklegen müssen.
Einsteiger werden ohnehin oft einen Blick ins Handbuch werfen müssen, da sämtliche Tipps und Tutorials mit Symbolen statt mit Tasten erklärt werden. Assassin's Creed 2 hat zwar nur einen Schwierigkeitsgrad, der jedoch ist voll und ganz ausreichend. Wer will sich schon mit Frust herumschlagen?

Treibender Sound

Die Sounduntermalung des Spiels lässt keine Wünsche offen: Gute Sprecher, super Musik und klirrende Waffenklänge...was will man mehr? Zudem sind immer wieder Elemente aus der italienische Sprache eingebaut, was wiederum mich, der italienisch lernt, auch besonders erfreut hat ;-)

Atmosphärisch und grafisch top!

Ein weiteres Merkmal von AC 2 ist die lebendige, große, atmosphärische Spielumgebung. Der kunsthistorische Stil kommt gut zur Geltung. Immer wieder gibt es kleine Miniereignisse wie z.B. einen Taschendiebstahl, der in einer kleinen Verfolgungsjagd mündet. Dazu ist zu sagen, dass es an Aha-Momenten nicht mangelt. Wer beispielsweise mitverfolgt, wie sich ein Bodenmosaik in einer Kirche nach und nach zum Assassinensymbol wird, dem bleibt erst mal die Luft weg. Die Metropolen Florenz, Venedig, Forli und San Gimignano könnten glatt aus dem Reiseführer stammen. Sämtliche Wahrzeichen (etwa der Florenzer Dom) wurden detailliert und mit viel Herzblut nachgebaut. All dies schafft eine äußerst dichte Atmosphäre. Wesentlich karger fallen die ländlichen Gegenden aus; hier wurden zweitklassige Ressourcen verwendet.
Dennoch ist die Grafik von Assassin's Creed 2 wunderbar geraten: Scharfe Texturen, perfekt eingefangener Renaissance-Stil, enorme Weitsicht, super Animationen,... die ländlichen Gebiete sind nur ein kleiner Wermutstropfen.

Alles Gute kommt von oben

Ezio trifft auf seinen Reisen auf allerhand markante Charaktere, etwa Leonardo da Vinci, DAS Universalgenie jener Zeit, der uns auch einige Male seine Flugmaschine leiht. Die hat natürlich keinen Kerosin-Antrieb, uns so müssen wir über Leuchtfeuer fliegen , um wieder an Höhe und Geschwindigkeit zuzunehmen. Generell sind die Missionen mit Ezio viel abwechslungsreicher als jene, die wir mit Altair erlebt haben. Und das Ganze 30 Stunden lang - gut gemacht, Ubisoft Montreal!

FAZIT: Vittoria agli assassini!

Wer Assassin's Creed 2 noch nicht gespielt hat und ein Actionfan bzw. ein Fan der Serie ist, sollte das schleunigst nachholen. Letztendlich war es die 20 Euro, die ich investiert habe, mehr als wert!!