MASS EFFECT 2 Die Fortsetzung eines Phänomens

Das Phänomen begann Ende 2007 mit einem Spiel, das in der Spielergemeinschaft für Furore sorgte. Es wartete mit damals extrem lebensecht wirkenden Charakteren...

von Black Baron am: 18.08.2010

Das Phänomen begann Ende 2007 mit einem Spiel, das in der Spielergemeinschaft für Furore sorgte. Es wartete mit damals extrem lebensecht wirkenden Charakteren auf, einer dichten Geschichte um einen Mann, der entscheidend dazu beiträgt die bevorstehende Vernichtung allen fortschrittlichen Lebens zu verhindern. Oder besser gesagt: Hinaus zu zögern. Vor allem sorgte das shooter-orientierte Gameplay für Aufsehen, denn eigentlich wollte dieses Spiel ein Rollenspiel sein. Und das ist es auch mit seinen zahlreichen Dialogen, Ingame-Zwischensequenzen und den vielen verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten mit samt Konsequenzen. Und das Spiel machte eine Persönlichkeit populär, die jeder Spieler für sich selbst in gewissem Maße definieren kann, sowohl im Verhalten als auch im Aussehen: Commander Shepard. Bis dahin hatte es kaum ein Spiel geschafft einen individualisierbaren Charakter so stark mit Sprachausgabe und eigener Persönlichkeit ins Spielgeschehen zu bringen und trotzdem jedem Spieler sein eigenes Erlebnis zu bieten. Und das alles zunächst für die Xbox 360… doch zum Glück vieler folgte eine PC-Umsetzung. Und nun spielt die Fangemeinde seit rund einem halben Jahr den Nachfolger, für den es auch schon einige Erweiterungen in Form von Download-Content gibt.

Eine Bedrohung taucht auf

Wir erinnern uns: Shepard begab sich im Vorgänger auf eine fast aussichtslose und riskante Mission ins Ungewisse, legte aber sein eigenes Können und das seiner Mitstreiter in die Waagschale, um den abtrünnigen Spectre Saren Arterius und seine Verbündeten, die Geth – eine Rasse von künstlichen Intelligenzen - zu stoppen. Diese wurden durch eine uralte Macht, den Reapern, korumpiert. Die Reaper sind eine Rasse von Maschinenwesen mit unglaublicher Macht und unbekanntem Alter, die immer wieder die Galaxis säubern und dabei jede fortgeschrittene Zivilisation gnadenlos vernichten, nahezu ohne Spuren zu hinterlassen. Doch diesmal wird alles anders, denn die letzte vernichtete Spezies, Protheaner genannt, hinterließ mehr, als den Reapern lieb war: Eine Warnung. Diese dringt leider nur zu Shepard durch, denn nachdem er – eher zufällig – das Gerät, welches diese Warnung enthält, benutzt, wird dieses leider zerstört. Und damit vorerst alle Beweise. Doch zum Glück steht Shepard als erster Mensch auf der Kandidatenliste für eine Elitetruppe von Geheimagenten, den sogenannten Spectres. Als solcher ist er nur dem Rat des Citadelsektors Rechenschaft schuldig und steht grundsätzlich über dem Gesetz. Er kann also für seine Aufgaben jedwede Mittel einsetzen ohne behindert zu werden. Dank dieses Umstandes gelingt es Shepard die Pläne hinter Saren Arterius‘ Handlungen aufzudecken und gerade noch zu verhindern. Doch als alle glauben die Gefahr sei vorüber ist sich Shepard absolut sicher, dass dem nicht so ist.
Der zweite Teil beginnt damit, dass Shepard mit seiner Fregatte, der SSV Normandy, rund 3 Monate nach den Ereignissen von Mass Effect im Auftrag des Rates und der menschlichen Allianz nach letzten Resten von Geth-Präsenz suchen soll, um sie auszumerzen. Dabei wird die Normandy plötzlich von einem unbekannten Feind angegriffen und zerstört… und Shepard stirbt. Doch eine Organisation der Menschen, die außerhalb jedes Gesetzes und meist im verborgenen Arbeitet, genannt Cerberus, gelangt in den Besitz des Leichnams. Und startet ein kühnes und mit astronomischen Kosten verbundenes Projekt, um den Commander wiederzubeleben. Als dies gelingt und der Commander erwacht muss er feststellen, dass er alleine ist… zumindest fast. Niemand außer Cerberus nimmt noch Notiz von der Bedrohung durch die Reaper. Somit bleibt Shepard keine andere Wahl, als die Unterstützung von Cerberus anzunehmen, obwohl er – wie viele Angehörige der Allianz und des Citadel-Sektors – große Vorbehalte gegen diese Organisation hat. Denn sie gilt als prohuman und zusätzlich noch fremdenfeindlich, mit dem Ziel die Menschheit über alle anderen Spezies zu erheben, und sie greift dafür auf teils sehr drastische Maßnahmen zurück, weshalb die Allianz und der Citadel-Rat sie als Bedrohung und terroristische Organisation einstuft. Aber nur sie können Shepard dabei helfen das Geheimnis hinter einer neuen Bedrohung, die am Horizont auftaucht, zu lüften: Schon seit der Zeit der Zerstörung der Normandy – vor rund 2 Jahren – werden immer wieder menschliche Kolonien von Unbekannten angegriffen. Dabei gibt es nie eine Spur von den Kolonisten und deren Verbleib, keine Kampfspuren und auch keine Hinweise auf die Aggressoren. Cerberus vermutet, dass die Reaper damit in Verbindung stehen. Und geben Shepard ein neues Schiff und die nötigen Ressourcen für ein neues Team… und entsenden ihn zu einer der schwierigsten Missionen, zu der je ein Mann entsendet wurde…
Der oben beschriebene Auftakt ist furios inszeniert und wohl einer der spektakulärsten „Charakter-Reboots“ im Genre der Rollenspiele. Denn BioWare hat das Gameplay des Vorgängers grundlegend überarbeitet und vor allem das Charaktersystem stark modifiziert. Aber trotzdem ein Clou: Man kann aus den Speicherständen des ersten Teils seinen damaligen Commander Shepard in den zweiten Teil importieren. Dabei werden wichtige im 1. Teil getroffene Entscheidungen übernommen und deren Auswirkungen in den zweiten Teil mitgenommen. Zwar sind diese nicht essenziell für den Verlauf der Handlung des zweiten Teils, es gibt aber nicht nur ein paar kurze Hinweise oder Erwähnungen in Textform, sondern auch den einen oder anderen Dialog, den komplett neue Shepards nicht sehen würden. Das steigert das Gefühl der Konsistenz. Ansonsten beginnt Shepard aber quasi wieder von vorne. Kräfte müssen wieder neu gelernt werden, doch diese werden nicht mehr mit so vielen Punkten verteilt wie im Vorgänger. Stattdessen lässt sich jede Fähigkeit in vier Stufen ausbauen, je höher die Stufe, desto mehr Punkte kostet diese. Pro Stufenanstieg gibt es 2 Punkte, die Levelgrenze liegt bei Stufe 30. Talente und Fähigkeiten wie „Schmeicheln“ für die Dialoge und „Dechiffrieren“ für das Hacken und Knacken von Schlössern gibt es nicht mehr. Hacken kann jetzt jeder Shepard und die Dialogoptionen hängen nur noch von den Gesinnungspunkten ab, was auch Sinn macht. Denn das System des Vorgängers war dahingehend eher doppelt gemoppelt.

Teammitglieder

Auch die Gefährten – von denen man einige aus dem ersten Teil wieder trifft – haben eine Änderung durchlaufen: Der große Auftrag des Spiels lautet nämlich ein Team aus Spezialisten zusammenzustellen, mit höchst unterschiedlichen Fähigkeiten. Hierzu spielt Cerberus dem Commander entsprechende Dossiers mit den letzten bekannten Aufenthaltsorten zu. Anders als im Vorgänger jagt man also nicht Hinweisen auf die Bedrohung hinterher und stolpert dabei über neue Mitstreiter, man sucht gezielt nach ihnen. Dabei erlebt der Spieler jedes Mal höchst unterschiedliche Rekrutierungsmissionen, die sehr gut inszeniert sind und an höchst einfallsreichen und abwechslungsreichen Schauplätzen stattfinden. Hat man erstmal einen solchen Mitstreiter rekrutiert, kann man im Laufe des Spiels standardmäßig 3 verschiedene Talente ausbauen, z.B. Tech-Angriffe wie Überlastung (schwächt und zerstört Schilde und synthetische Gegner) oder biotische Attacken wie Warp (verursacht Schaden gegen Panzerung und den Angreifer selbst). Dabei gibt es zunächst keine Fähigkeit, die man mit einer der Klassen für Shepard nicht auch lernen könnte. Im Verlauf der Story und durch Gespräche mit den Mitstreitern erfährt man jedoch von persönlichen Problemen, bei deren Lösung man sich die Loyalität der Leute sichern kann. Erneut erlebt man sehr spannend inszenierte Missionen mit einzigartigen Schauplätzen und starker Atmosphäre. Wenn man diese erfolgreich bewältigt wird das jeweilige Teammitglied loyal und man schaltet dadurch eine 4. Spezialfähigkeit frei, die zum einen einzigartig ist, zum anderen auch von Shepard erlernt werden können. Das können spezielle Munitionsarten sein oder spezielle Biotik- und Tech-Kräfte, allesamt nützlich. Dadurch wird es möglich Shepard noch stärker an die eigene Spielweise anzupassen. Allerdings kann Shepard stets nur eine dieser Sonderkräfte beherrschen. Und wenn man sich mal verschätzt hat und mit einer Kraft gar nichts anfangen kann: Im Verlauf des Spiels kann man die Möglichkeit freischalten alle Punkte neuzuverteilen. Das lädt zum Experimentieren ein!

Story und Dialoge

Einen Großteil des Spiels verbringt man mit der Rekrutierung der Teammitglieder und deren Loyalitätsmissionen. Kritiker bemängeln, dass diese Missionen inhaltlich nichts mit der Hauptstory zu tun hätten, was auch tatsächlich der Fall ist. Doch sie machen die Mitstreiter viel glaubwürdiger und lebendiger durch diese strikte Individualisierung. Denn keine Mission ist wie die andere und der Spieler konzentriert sich voll auf die jeweiligen Personen, ohne den Druck der Haupthandlung im Genick zu haben. In vielen Spielen werden Gruppenmitglieder nämlich im Vorbeigehen aufgelesen und nicht selten kann das eher lästig wirken, weil das vom Spieler womöglich bevorzugte Gruppengefüge gestört wird. Das ist bei Mass Effect 2 vollkommen anders: Zunächst kommt die Mission, in der das Teammitglied gesucht und anschließend rekrutiert wird. Dies geschieht am Ende dieser Missionen, somit wird dem Spieler nicht im laufenden Spiel ein neuer Charakter aufgezwungen. Erst bei der Loyalitätsmission wird der jeweilige Mitstreiter fest vorgegeben, worauf man sich aber selbstredend einstellen kann. Es kommt also nicht zu den Inkonsistenzen, wie es sie sehr häufig bei klassischen RPGs gibt. Doch diese Missionen sind trotz ihrer zentralen Rolle nicht das Ziel: Immer wieder bekommt man von Cerberus Informationen über den Feind und geht Hinweisen nach, besucht angegriffene Kolonien und wehrt auch einen laufenden Angriff ab. Jedes Mal erhält der Spieler mehr Hinweise auf diese Angreifer und deren Ziele. Und am Ende steht eine Mission, die sich buchstäblich als Selbstmordkommando herausstellt. Das Ziel des Spiels ist auf diese Mission hinzuarbeiten, dabei das Team gut auszubilden (also möglichst alle Mitstreiter loyal werden zu lassen) und das Schiff vollständig auszurüsten. Dadurch steigen die Überlebenschancen, wodurch der Spieler unmittelbaren Einfluss auf den Ablauf des Finales bekommt. Auch das macht Mass Effect 2 zu einem äußerst intensiven und auch persönlichen Erlebnis. Jeder Spieler erlebt die Handlung dadurch etwas anders.
Gespräche sind erneut das A und O und Rückgrat des Storyerlebnisses. Erneut muss man hierbei nicht jede Option durchkauen wenn man nicht will, erfährt dadurch aber mehr oder weniger interessante Details zu Personen, Begebenheiten, Völker und mehr. Anders als im Vorgänger gibt es aber noch weniger Gespräche mit unbeteiligten NPCs. Jeder, mit dem man einen ausführlichen Dialog führen kann, hat auch irgendwas zu bieten, sei es ein kleiner Auftrag oder eine Belohnung für gefundene Objekte. Das macht das Spiel zum einen straffer, zum anderen wurde sich aber auch mehr Mühe mit dem Inhalt der Dialoge gegeben. Besonders die vielen Gespräche mit den Mitstreitern an Bord der Normandy sind sehr gelungen, da sie mal nachdenklich stimmen, mal sehr witzig sein können (besonders der Pilot Joker und der salarianische Wissenschaftler Dr. Mordin Solus sind für einige Lacher gut). Erneut spielt die Gesinnung bei den Gesprächen eine Rolle und so lassen sich hiermit besondere Situationslösungen herbeiführen, die zu mehr Erfahrung und teils auch Belohnungen wie Forschungsdaten führen können, oder einfach nur schwierige Situationen entschärfen bzw. eskalieren lassen. Gerade dafür gibt es neue Reaktions-Einlagen: In manchen Dialogen wird entweder ein blaues Maussymbol für vorbildliche Aktionen oder ein rotes für schurkische Aktionen eingeblendet. Mit ersteren lassen sich Handlungen der Gnade und Sympathie ausführen, um jemanden daran zu hindern aus dem Affekt heraus zu töten zum Beispiel. Mit letzteren lassen sich Gespräche als Ablenkung für schnelle und hinterhältige Attacken oder zum Druck ausüben bei unwilligen Gesprächspartnern nutzen. Beides verleiht den Gesprächen mehr Dynamik, Shepard erhält mehr Persönlichkeit und man kann seine Gesinnung noch deutlicher ausspielen. Eine gute Idee!

Kein Inventar, dafür Forschung

Wie schon erwähnt hat BioWare stark am Charaktersystem gefeilt und dabei auch das Kampfsystem verfeinert. Kritiker unken, dass das Spiel dadurch nur noch einen Rumpf an Rollenspielelementen habe, und Puristen liegen damit irgendwo auch im Recht. Doch diese Änderungen sind dem Gameplay überaus dienlich, denn einiges im Vorgänger wirkte etwas unausgegoren und unpassend, und manches an der Mechanik ließ sich mit dem futzligen Upgradesystem aushebeln. Während es in Teil eins ein – schlecht zu verwaltendes – Inventar gab, wurde dies in Teil 2 gestrichen. Anstatt jeden Ausrüstungsgegenstand separat mit Upgrades aufzuwerten und dabei einen unübersichtlichen Wulst an Gegenständen anzuhäufen, werden Upgrades nun in einem Labor auf der neuen Normandy erforscht und damit für alle Mitstreiter – oder teils auch nur Shepard – freigeschaltet. Munitionsarten sind nun keine Munitionsupgrades mehr, sondern Soldaten-Kräfte oder Spezialkräfte. Dadurch spielen diese Munitionsarten aber auch eine wichtigere Rolle und sie wirken sich stärker spürbar auf den Kampf aus. Upgrades für die Anzüge erfolgen nach dem gleichen Prinzip. Dabei muss man diese Upgrades mit Ressourcen finanzieren, die man mittels Planetenscan in den Sonnensystemen vom Orbit aus per Sonden einsammelt… einer der wenigen Schwachpunkte des Spiels, denn dieses Minispiel wird schnell ermüdend und nervig. Man ist der Kommandant eines Schiffes, muss aber trotzdem selbst bei so einer Tätigkeit Hand anlegen, obwohl man eine komplette Crew neben den Teammitgliedern an Bord hat? Unglaubwürdig. Davon abgesehen ist das neue Upgradesystem aber ein Segen, denn es erspart nerviges Mikromanagment und man kann sich voll aufs Spiel konzentrieren, was bei diesem actionorientierten Gameplay auch besser ist. Und auch wenn es stimmt, dass dadurch vieles fest vorgegeben ist und man mit den nun wenigen Talenten nicht viel an der Eigenbestimmung des Gameplays schrauben kann: Das Spiel ist nicht taktisch wie Dragon Age. Es ist dynamisch wie ein Shooter.

Das neue alte Kampfsystem

Und damit zu einem weiteren Kern des Spiels: Die Gefechte. Wie schon im Vorgänger kämpft man schießend, nicht schlagend, und damit in Echtzeit. Dabei haben die Spezialkräfte eine Abklingzeit wie in einigen RPGs mittlerweile Standard. Doch während der Vorgänger schlecht ausbalanciert war und vor allem als Soldat recht einfach, mit anderen Klassen aber oft ziemlich schwer war, findet Mass Effect 2 eine gute Balance. Der Anzug zum Beispiel lässt sich an die Spielweise anpassen und modifiziert mit verschiedenen Teilen die Gesundheit, Stärke der Schilde, Wiederaufladerate der Schilde und Abklingzeiten bestimmter Fähigkeiten. Trotzdem sind aber alle Shepards grundstätzlich gleich. Ein Soldat ist nicht von Haus aus zäher als ein Adept und sie können beide die gleichen Anzüge tragen. Erst mit dem Erlernen des Klassentalents verlagern sich die Eigenschaften: Ein Soldat erhöht seine Gesundheit und seinen Waffenschaden, ein Adept verstärkt die Kraft seiner Biotik-Attacken. Dabei gleicht sich die zunehmende Stärke der Biotiken gepaart mit der geringeren Bewaffnung des Adepten mit der umfangreichen Bewaffnung und effektiveren Munition des Soldaten gut aus. Die Klassenwahl bestimmt somit weit weniger den Schwierigkeitsgrad, sondern mehr das Spielgefühl, so wie es sein sollte. Zwar ist der Soldat zwar nachwievor tendentiell am leichtesten zu spielen, aber anders als im Vorgänger muss er nun mit seiner Munition weitsichtig umgehen, besonders mit der seiner schweren Waffen, da diese recht selten ist. Moment, Munition? Ja, Munition. Zwar wird diese im Spiel mit „Thermomagazinen“ bezeichnet, die ein Kühlsystem mit begrenzter Schusszahl darstellen sollen, im Prinzip handelt es sich aber um Munition. Die findet man an manchen Stellen in den Levels oder erhält sie von Feinden, wenn man diese ausknipst während ihre Waffen heiß geschossen sind. Diese entscheidende Änderung führt dazu, dass es nicht mehr wie im Vorgänger möglich ist mit permanenten Dauerfeuer herumzulaufen. Eine weitere Änderung: Man kann sich zwar im Gefecht auch notfalls heilen wenn es kritisch wird, grundsätzlich heilt sich Shepard aber wie in modernen Shootern üblich selbst, wenn er sich hinter Deckung aufhält. Das aus dem Vorgänger bekannte Medigel dient in erster Linie zum Wiederbeleben der Mitstreiter. Dafür hält Shepard deutlich weniger aus als im Vorgänger, sobald sein Schild weggeschossen wurde. Das wiederrum führt dazu, dass Deckung eine viel stärkere Rolle im Kampf einnimmt, als im Vorgänger. Deshalb werden die Gefechte davon bestimmt geeignete Deckung zu finden und den Gegner mit gezielten Salven und Kräfteattacken zu schwächen und auszuschalten. Dabei agieren die Mitstreiter weitgehend selbstständig, nur hin und wieder gibt es Aussetzer und sie lassen sich offen von den Gegnern ummähen. Man kann sie aber mit jeweils einer Taste gezielt hinter Deckung Stellung nehmen lassen und sie verlassen diese erst wieder, wenn sie keine Sicht auf den Gegner haben. Oft kann ein Stellungswechsel nötig werden, nur um Munition der Gegner aufnehmen zu können, doch das macht die Kämpfe sehr dynamisch: Man muss oft auch Angriffswellen abwehren, kann aber mit ein wenig Geschick den Gegner zurückdrängen und so die Angriffswellen unterbrechen. Je nach Schwierigkeitsgrad ist dies mehr oder weniger schwierig, auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad 'Wahnsinn' kann es oft vorkommen, dass es leichter ist alle Wellen aus der sicheren Deckung heraus abzuwehren, weil die Gegner fast schneller nachrücken als man sie ausschalten kann. Aber das macht das Spiel erfreulicherweise herausfordernd. Auch schön: Kräfte lassen sich in der Wirkung kombinieren und verstärken. Wenn man beispielsweise einen Biotiker spielt und einen weiteren in der Gruppe hat, kann ein Biotiker einen Gegner per „Ziehen“ anheben, wonach der zweite Biotiker sofort mit „Werfen“ nachsetzt, wobei sich der Schaden durch „Werfen“ erhöht. Auch lassen sich die Wirkungen mancher Kräfte wie Verbrennung durch umherstehende explosive Behälter verstärken. Trotz aller Dynamik und Ballerei läd das Spiel also immer noch zu taktischen Experimenten ein, die bei Gelingen oft eine große Erleichterung im Kampf bringen können.

Die Waffen

Gesondert betrachtet werden müssen die Waffen, denn auch die haben sich grundlegend verändert. Während man im Vorgänger wie bei den Kampfanzügen Waffen in verschiedenen Gattungen und Stufen finden konnte, gibt es jede Waffe in Mass Effect 2 quasi „nur einmal“. Man findet nicht immer wieder stärkere Ausbaustufen. Wie schon erwähnt wird die Effektivität durch Forschungsupgrades erhöht und durch das Verwenden der Munitionskräfte. Dafür hat BioWare aber großen Wert auf unterschiedliche Waffenarten gelegt. Es gibt nach wie vor Sturmgewehre, Schrotflinten, Pistolen, MPs und Scharfschützengewehre. Neu sind die schweren Waffen wie Raketen- und Granatenwerfer, Ein Kryo-Strahler, sogar eine Art Atombombenwerfer. Neu ist aber auch, dass die Waffen innerhalb einer Gattung sich sehr voneinander unterscheiden: Es gibt Sturmgewehre mit hoher Feuerrate, dafür wenig durchschlagender Munition und je nach Feuergeschwindigkeit mehr oder weniger hoher Streuung, es gibt aber auch ein Gewehr, welches nur in gezielten Feuerstößen feuert und dabei recht präzise wirkt und pro Schuss mehr Durchschlagskraft hat, dafür aber weniger Muntionskapazität. Scharfschützengewehre können wie halbautomatische Waffen schnell hintereinander feuern, dafür aber mit geringerer Durchschlagskraft aber wiederrum mit mehr Munitionskapazität. Schrotflinten können eine schnelle Repetierzeit haben, dafür weniger Wumms, aber mehr Fehler beim aus der Hüfte Schießen verzeihen ohne den Spieler wertvolle Sekunden ohne Deckung beim Nachladen dastehen zu lassen. Pistolen sind erneut eher für stark spezialisierte Biotiker interessant, ansonsten aber probates „Letztes Mittel“, denn auch wenn sie kein Sperrfeuer erlauben und keine große Mann-Stopp-Wirkung haben, sie sind sehr präzise. Somit verschiebt sich Mass Effect 2 beim Gameplay erneut mehr in Richtung Shooter, weil man Waffen auf Grund des eigenen Gameplays wählt, nicht mehr nur wegen der Werte. Wenn man ein Spieler mit gutem Reaktionsvermögen und präziser Hand an der Maus ist, wird man die durchschlagsrkäftigen, präzisen Waffen bevorzugen, weil man weniger daneben schießt. Wenn man es bevorzugt die Gegner reihenweise umzumähen, wird man auch die Schnellfeuer-Waffen mit großer Munitionskapazität bevorzugen, um damit nahe beieinanderstehende Gegner mit vielen Salven zu überstreichen. Auch die schweren Waffen sind eher eine Gusto-Wahl: will man sie ausschließlich gegen dicke Brocken einsetzen oder auch gegen Gegnergruppen? Oder gegen beides? Nicht jede Waffe eignet sich dafür und manche Waffen haben auch einen enormen Munitionsaufwand, weshalb dann jeder Schuss wohl überlegt sein will.

Minispiele und Planeten

Auch hier hat sich einiges gegenüber dem Vorgänger getan: Während die Minispiele in Teil eins sich teils durch den Einsatz verwerteter Gegenstände überspringen ließen muss man sich in Mass Effect 2 damit auseinandersetzen. Zwar sind es andere Einlagen, als in Teil eins, aber sie sind nicht abwechslungsreicher oder herausfordernder. Zum einen gibt es eine Memory-Variante zum Überbrücken von Platinen in Tür- und Behälterschlössern, zum anderen gibt es ein einfaches Zuordnungsspiel, in der man aus herunterscrollenden – und auch leider unleserlichen – Textpassagen an Hand von Schriftbild, -farbe und Absatzanordnung die richtigen in der richtigen Reihenfolge wählen muss.
Zu den Planeten sei zu sagen: Man kann sie nicht mehr wie im Vorgänger frei befahren, denn ein Fahrzeug wie den Mako gibt es nicht. Nur in einem DLC gibt es ein Hovercraft-Panzerfahrzeug, welches aber nur in dafür vorgesehenen – und zahlenmäßig geringen – Missionen nutzbar ist. Ansonsten sind die Planeten nur durch die vorgesehenen Missionsareale gestaltet. Es gibt aber nachwievor Nebenmissionen, mit denen sich Geld verdienen und das eine oder andere Forschungsupgrade finden lässt, teils in mehrstufigen Aufträgen wie das Ausschalten einer Söldnerorganisation oder das Beschaffen von Forschungsdaten, die über mehrere Systeme verteilt sind. Nicht so spannend wie die Hauptmissionen, aber deutlich besser und hochwertiger wie die langweiligen Aufgaben des Vorgängers auf öden und vegetationsarmen Planeten, die absolut steril und generisch wirkten. Anstatt Ressourcen wie im Vorgänger per Herumfahren auf dem Planeten zu entdecken und zu verkaufen gibt es nun ein Minispiel, das bei der Spielerschaft mehrheitlich unbeliebt ist: Das Planetenscannen. Dabei tastet man einzelne Planeten auf dem Bildschirm mit einer Art Fadenkreuz ab und hat einen akustischen und optischen Spektographen, der auf vier verschiedene Elemente anschlägt. Wenn der Ausschlag hoch genug ist kann man eine Sonde zum Einsammeln der betreffenden Elemente losschicken. Das kann recht langweilig und mühselig sein, wenn man nicht gezielt für einzelne Forschungsprojekte abbaut. Denn genau für die Upgrades braucht man diese Ressourcen, jedes Upgrade benötigt eine bestimmte Menge eines Elements. Da die Sonden aber Geld kosten und man manche Forschungsdaten auf Planeten gegen teures Geld kaufen muss, sollte man nicht maßlos drauflos sondieren, sondern je Element nur ein bestimmtes Grundkontingent an Bord der Normandy haben. Sonst hat man vielleicht deutlich mehr Ressourcen, als man eigentlich benötigt. Grade beim ersten Durchgang ist die Gefahr dafür groß. Ansonsten läuft das Erkunden der Sonnensysteme fast genau wie im Vorgänger auf der Galaxis-Karte ab. Nur dass man das Schiff jetzt als Miniatur auf der Karte per Maus steuert und für das Reisen zwischen Systemen Treibstoff benötigt, der auch teures Geld kostet.

Grafik und Sound

Zunächst zur Grafik: Auch wenn nicht alle Texturen hochauflösend sind, was besonders in den Cutscenes mit den Nahaufnahmen zu Tage tritt, die Gesichter sind wieder nahe am Fotorealismus und hauchen den Charakteren sehr viel Leben ein, ebenso die Mimik und Gestik bei den Gesprächen. Vor allem die Augen sind sehr ausdrucksstark! Im Vergleich zum Vorgänger ist die grafische Qualität deutlich gestiegen, die Farbwahl ist atmosphärischer, die Gestaltung der Schauplätze ist deutlich individueller, detailreicher und aufwändiger, Licht spielt eine größere Rolle und insgesamt wirkt das Spiel realistischer und dreckiger, als der Vorgänger mit seinem Plastiklook. Den gibt es zwar nach wie vor an „sauberen“ Orten wie der Citadel-Station oder dem Stadt-Planeten Illium. Aber es gibt auch Orte, an denen die Vegetation über die Technologie siegt oder sie sich zumindest einen fortwährenden Kampf liefern. Verwitterte Gebäude und Ausrüstungsgegenstände bekommt man nun häufig zu sehen, was erneut das Spiel deutlich glaubwürdiger macht. Dabei ist die Performance aber durchweg konstant und der Hardwarehunger ist sehr moderat für die gelieferte Qualität. Für den dritten Teil muss BioWare aber vor allem an der Qualität der Texturen arbeiten, denn ein fein texturiertes Gesicht eines Charakters, der eine grobtexturierte Kleidung trägt, sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Aktuelle Hardware ist schon lange zu weit mehr fähig, das beweist eigentlich auch das vom Engine-Entwickler Epic-Games eigen entwickelte Unreal Tournament 3, das auch heute noch unglaublich hübsch texturierte Maps und Charaktere zeigt. Die Technik kann das also durchaus leisten.
Zum Sound: Der Vorgänger hatte noch Probleme mit manchen Soundkarten, vor allem in Sachen 3D-Sound, und auch die Qualität an sich war nicht sonderlich hoch, da arg mit Effekten und Atmosphäre-Sound gespart wurde. Im zweiten Teil ist das anders: Jede Umgebung hat seine eigene Geräuschkulisse, und wenn man dabei ist eine Diskothek auf einer Raumstation zu betreten, dann hört man die laute Musik bereits gedämpft vor dem Etablissement wummern. Toll! Und bei Gesprächen ändert sich der Klang der Stimme mit der Umgebung. Mal unbeeinflusst an der frischen Luft auf einem Planeten, gefiltert durch einen Helm mit Atemmaske, leicht metallisch hallend an Bord der Normandy… Sehr glaubwürdig. Auch die Waffensounds haben sich stark verändert, sie klingen jetzt mehr wie echte Waffen anstelle des merkwürdig synthetischen Pöff-Pöff aus dem Vorgänger. Nicht falsch verstehen, der Vorgänger hat dadurch für frischen Wind gesorgt, eben weil er insgesamt so andersartig wirkte. Aber Mass Effect 2 macht das besser. Denn manche Waffen „klingen“ immer noch nach High-Tech, haben aber auch den Wumms, denn man von durchschlagskräftigen Waffen erwarten würde. Auch der Raumklang ist nahe an der Perfektion, wenn man einen entsprechende Anlage zur Verfügung hat. Die Musik trägt wie im Vorgänger die Atmosphäre mal mit epischen Stücken, mal mit sphärischen Klängen, fällt aber insgesamt deutlich orchestraler aus, als die des Vorgängers, die noch stark von Synthesizern dominiert war. Geschmacksache, aber auch von hoher Qualität.

Das Cerberus-Netzwerk

Ähnlich schon wie bei BioWares Dragon Age: Origins hat auch Mass Effect 2 im Spiel eine Einrichtung für herunterladbare Inhalte. Anders als bei Dragon Age herrscht nach dem Herunterladen dieser Inhalte jedoch keine Onlinepflicht zur Authenifizierung. Und dennoch legt der Hersteller und auch der Publisher EA großen Wert auf diese DLC genannten Inhalte. Bereits jetzt nach einem halben Jahr gibt es bereits viele Inhalte, die über neue Waffen, Kampfanzüge und vom Sinn her fragwürdige Klamottensets für Mitstreiter bis hin zu neuen Story-Inhalten gehen. Dabei muss gesagt sein, dass sämtliche Inhalte nicht entscheidend zum Hauptspiel beitragen, wer also auf solche Inhalte aus Prinzip verzichtet erlebt im Hauptspiel keine Nachteile. Dafür entgehen einem so aber durchaus gute bis hervorragende Inhalte, wie den Overlord-DLC, der eine ganz eigene Atmosphäre erzeugt und besonders gegen Ende hin mit vielen netten Einfällen überrascht. Bezahlt werden die Inhalte mittels eines Punktesystems, wie man es von Dragon Age schon kennt. Zuvor muss man allerdings mit diesem Punktesystem den Zugang zum Cerberus-Netzwerk freischalten, welches erst die Nutzung solcher Inhalte ermöglicht. Das kostet ca. 11 Euro extra, aber man erhält zumindest nicht nur den Zugang, sondern auch einige kostenlose Extrainhalte, wie z.B. einen Schwebepanzer mitsamt eigenen Missionen. Die wirklich interessanten Inhalte gibt es aber erst gegen den eigens zu entrichtenden Preis, wie eben schon erwähntes „Overlord“, wobei sich die Preise meist um die 4 Euro bewegen, bei ca. 1 ½ bis 2 Stunden Spieldauer. Über Sinn und Unsinn streitet die Spielerschaft regelmäßig, letztlich liegt die Entscheidung aber bei jedem Spieler selbst. Dank des hohen Wiederspielwerts von Mass Effect 2 kann sich das aber durchaus lohnen. Wer jedoch nach einmaligem Durchspielen nur noch wenig Interesse für neue Durchläufe hat sollte sich das Geld wirklich lieber sparen, denn als Ergänzung sind die Inhalte hervorragend geeignet, weil sie auch Vorteile wie zusätzliche Upgrades liefern, aber als eigenständige Inhalte sind sie zu mager für ein erneutes Installieren des Spiels.

Fazit

Mass Effect 2 ist eine konsequente Weiterentwicklung des Konzepts, das man mit Mass Effect begonnen hat: Ein actionreiches Rollenspiel in einem neuen Sci-Fi-Universum, mit starken Charakteren und kinoreifer Inszenierung. Nicht alle Neuerungen sind perfekt, aber die meisten davon dienen dem Gameplay. Rollenspielpuristen, die gerne mit vielen Zahlenwerten jonglieren werfen Mass Effect 2 vor noch viel weniger Rollenspiel zu sein, als der Vorgänger. Spieler, die hingegen gut erzählte Geschichten bevorzugen, in die man als Spieler maßgeblich eingreift, nicht nur in Tat, sondern auch in Worten, werden dem jedoch entgegenhalten, dass es darum geht einen herausragenden Kämpfer zu verkörpern, der deutlich mehr Tiefgang hat als ein durchschnittliches Alter-Ego eines reinen Shooters. Egal in welcher Ausführung, Commander Shepard ist eine Persönlichkeit! Und so wie Deus Ex vor zehn Jahren die Symbiose aus Rollenspiel und Ego-Shooter perfekt machte, so macht Mass Effect 2 die Kombination aus 3rd-Person-Shooter wie Gears of War und dialoglastigen Rollenspielen perfekt. Was Star Wars für die Filmbranche ist, ist Mass Effect für die Videospielbranche: Eine epische Sci-Fi-Saga mit viel Bombast, aber auch viel Hintergrund. Eben ein Phänomen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: detailreich, Charaktere, Farbgebung, Effekte
  • Sound: exzellente Qualität, Effekte, Raumklang, Waffen
  • Balance: Klassen, Kräfte, Waffen
  • Atmosphäre: cineastische Inszenierung, Dialoge, Hintergrund
  • Bedienung: eingängige Steuerung, Pausenfunktion
  • Umfang: viele versch. Orte, umfangreich
  • Quests / Handlung: durchweg gute Qualität, sehr unterschiedlich
  • Charaktersystem: übersichtlich, verschiedene Kräfte, Upgrades...
  • Kampfsystem: Deckungssystem, verbrauchbare Munition, Tempo
  • Items: keine Itemflut, Waffen unterschiedlich, Kampfanzug
  • Grafik: teils grobe Texturen, Probleme bei Animationen
  • Sound: deutsche Vertonung mit kleinen Fehlern
  • Balance: wegen Shooternähe für ein RPG stark eingeschränkt
  • Atmosphäre: spielerische Freiheit großteils vorgegaukelt
  • Bedienung: Deckungssystem manchmal etwas hakelig
  • Umfang: Missionen sehr linear
  • Quests / Handlung: manchmal sehr kurze Nebenmissionen
  • Charaktersystem: ...die einheitlich sind, für Puristen zu mager
  • Kampfsystem: manchmal Grabenkämpfe
  • Items: kein Inventar

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(3)
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