Wenn Spiele unbeding eine moralische Botschaft haben wollen...

Was passiert wenn Peter Molyneux endgültig dem Casual Wahn und seiner eigenen Vision von 'Ich muss den Leuten eine moralische Botschaft überbringen!' zum Opfer...

von Tsabotavoc am: 08.06.2011

Was passiert wenn Peter Molyneux endgültig dem Casual Wahn und seiner eigenen Vision von 'Ich muss den Leuten eine moralische Botschaft überbringen!' zum Opfer fällt?

Die Fachwelt hat nun einen Namen dafür: Fable 3

Der Ursprung allen Übels

Das Huhn im Intro zeigts sehr deutlich: Albion hat die Zeit der Fantasy ziemlich hinter sich gelassen und ist nun mitten im Industriezeitalter. Kinderarbeit, Armut und Bettler sind an allen Ecken und Enden von Bowerstone zu finden.

Inmitten dieser turbulenten Zeiten spielen wir - je nach Wahl - Schwester oder Bruder des tyrannischen Königs der uns gleich zu Anfang vor eine unangenehme Wahl stellt:

Soll unser Lebenspartner hingerichtet werden oder ein paar Bürger? Wir haben die Wahl...

Fable 3 ist voll von unangenehmen Entscheidungen - leider sind Entscheidungen nicht das Einzige was unangenehm ist...

Einmal Schlachtplatte

Es gab wohl kaum jemand dem das Charaktersystem aus den Vorgängern zu kompliziert war. Trotzdem hat sich Lionhead dazu entschieden dieses Kampfsystem noch weiter zu vereinfachen: Die Kämpfe sind hübsch animiert aber im Prinzip sieht man nur zu wie der Charakter die Gegner gleich dutzendfach niederprügelt ohne das man selbst ernsthaft in Gefahr käme.

Vorsorglich hat Lionhead einen Hardcore Modus in Fable 3 für PC-Spieler mit eingepackt. Dies ändert jedoch nichts an der absolut simplen Charakterentwicklung. Neue Combos? Fehlanzeige? Rüstungen? Rein optisch.

Dementsprechend werden die Kämpfe - die mindestens die Hälfte des Spiels ausmachen - vor allem eines: Schnell sehr langweilig.

Rein vom Schwierigkeitsgrad könnte man Fable 3 einem Kind in die Hand drücken und es würde einen tollen Einstieg in die Welt der Fantasy Rollenspiele haben. Wenn nicht...

Gewalt meets Sex meets Humor

Ja wenn nicht Fable 3 auch gleichzeitig ein ziemlich brutales Spiel wäre: Da wird Menschen direkt ins Gesicht geschossen und Köpfe mit Hämmern zu blutigem Brei geschlagen.
In Zwischensequenzen gehts dann aber erst richtig zur Sache: Wenn Reaver einen wehrlosen Arbeiter zu Klump schiesst wird klar: Das ist kein Spiel für Kinder.

Dabei hat Fable 3 einen durchaus guten Sinn für Humor: Während dem Test musste ich mehr als nur einmal wirklich lachen. Das liegt schon allein an den Gesprächen der Passanten: Wenn ein Bettler mich um Geld bittet mit den Worten: 'Denkt doch bitte an meine Kinder!' und dann nachsetzt: 'Die ich vielleicht irgendwann mal haben werde' dann muss man einfach schmunzeln.

Das Spiel geht mit der Thematik Sexualität so ambivalent um wie man es sich nur bei Amerikanern vorstellen kann. Die Informationen zu den Menschen die man in Albion trifft sehen wie folgt aus: Einstellung zum Leben, Finanzieller Anspruch, Sexuelle Ausrichtung.

Wer gerne seinen weiblichen Char mit Frauen rummachen lassen will kann das tun. Gruppensex? Kein Thema. Und ungewollte Schwangerschaften sind genauso möglich wie Geschlechtskrankheiten.

Wenn es allerdings um die Sache selbst geht wird auf Schwarz geblendet und man bekommt - mehr als peinliches - Gestöhne aus den Boxen serviert. Das ist so peinlich das man sich für seinen eigenen Charakter beinahe fremdschämt. Dennoch: Wenn man Fable 3 ein Alleinstellungsmerkmal einräumen möchte dann den dass es zwar nicht mit Sex an sich - sehr wohl aber mit dessen potenzielle Folgen - ziemlich offen umgeht.

Die Zuflucht - Die Katastrophe

Lionhead wollte ein cooles Menü schaffen mit vielen Optionen. Dies wurde mit der Zuflucht gelöst. In der Zuflucht gibt es verschiedene Räume wo man seinem Helden Waffen zuweisen kann oder andere Kleidung anlegen kann. Das sieht toll aus - dient aber der Bedienung des Spiels nur bedingt.

Denn: Die Bedienung ist - wie bei fast allen X-Box-Portierungen - nicht wirklich für Maus und Tastatur optimiert.

Dadurch wird jeder Verkauf, jeder kleine Wechsel der Kleidung, jedes neue Tatoo eine einzige Qual.

Generell wurde bei der Bedienung abseits der Kämpfe ziemlich in den Dreck gegriffen. Hier wäre mit etwas mehr Arbeit und Mühe deutlich mehr drin gewesen.

So verliert man aber leider sehr schnell den Spaß daran seinen Helden zu individualisieren.

Was im Test jedoch zu gefallen wusste: Die überarbeitete Weltkarte die es erstmals in Fable erlaubt wirklich effektiv ein Handels- oder Mietshausimperium aufzubauen.

Albion - Eine schräge Welt

Ein großes Lob hingegen gebührt Lionhead mal wieder für die Quests. Diese sind nicht nur toll inszeniert und mit viel Humor gespickt sondern gehören mit zum Abwechslungsreichsten was das Genre zu bieten hat.

Dabei setzt Fable vor allem auf Wiedererkennungswert:

So besorgt ihr das - bereits aus Teil 1 und 2 berüchtigte Normanomicon, werdet in ein Buch hineingezogen oder helft als Spielfigur in der Pen&Paper Rollenspielrunde von 3 Rollenspielern aus. Gerade letzteres wurde mit soviel augenzwinkerndem Humor inszeniert dass man Fable einfach lieb haben muss.

Der Wirtschaftsteil

Wie gewohnt bietet Fable einen Wirtschaftspart. Das beginnt beim Geld verdienen mit einem Beruf, geht über den Handel mit Kartoffeln und endet beim Aufbau eines eigenen Handelsimperiums.

Was sich in der Theorie komplex und vielschichtig anhört ist es eigentlich nicht wirklich.

Die Berufe in Fable sind simple Klickspiele die noch dazu alle gleich funktionieren. Deshalb wird wohl jeder früher oder später beim Kuchen backen enden, da es einfach das höchste Einkommen bringt. Wie Berufe besser funktionieren sieht man eigentlich überall. Trotzdem hätte Lionhead das Anspielen von z.B Risen nicht geschadet.

Beim Aufbau des eigenen Handelsimperiums ist der Weg ebenso vorprogrammiert: Nach Kauf eines Ladens wirft dieser unweigerlich Gewinn ab.

Wie banal und simpel die Wirtschaft funktioniert ist der nächste Pferdefuß des Spiels: Denn spätestens nach ca. 6 bis 7 Spielstunden ist man König. Und ab dann tut man das was eines Königs würdig ist...

Kuchen backen.

Wahrhaft königlich!

Fable 3 hat einen goldenen Sinn für Humor. Ob euch dieser Sinn für Humor gefallen wird ist eine andere Frage.

In der zweiten Spielhälfte seid Ihr der Regent von Albion. Und nun werdet ihr vor Gewissensfragen gestellt die auf eine simple Milchmädchenrechnung hinauslaufen:

Jedes Goldstück ist ein Leben.

Dazu kommt das einem die Entwickler des Spiels mit Gewalt eine Lektion erteilen wollten die so nicht aufgeht:

Denn die Entscheidungen sind keine moralischen Entscheidungen. Es sind Entscheidungen zwischen Stalin und Mutter Theresa. Den geistig gesunden Mittelweg gibt es praktisch nicht.

Spätestens jetzt wird Wirtschaft sehr wichtig. Einfach um das was kommt zu verkürzen: Ich besaß eine komplette Stadt inklusiver aller zur Verfügung stehender Mietshäuser. Dadurch bekam ich alle 5 Minuten 60000 Goldstücke überwiesen.

Nun ist es aber so, dass für den moralisch 'guten' Weg ca. 8 Millionen Goldstücke insgesamt angesammelt werden müssen. Es steht euch nun selbst frei nachzurechnen wie lange so etwas dauern kann.

Die moralische Entscheidung ist also keine moralische sondern eine simple Frage von: Will ich mir den Nerv antun?

Fazit

Generell finde ich es schade: Fable 3 hätte mit etwas Mut zur Komplexität und einem etwas ausgereifteren Königspart so viel besser sein können als es ist.

Die fehlende Komplexität ist eine Sache. Die verschrobenen Vorstellungen von Ethik und Moral die nur den wenigsten Spielern zusagen werden eine Andere. Ich gratuliere Ihnen Mr. Molyneux! Sie haben von sich selbst ein Psychoprofil als Spiel veröffentlicht.

Und was ich darin gesehen habe stimmt mich sehr sehr traurig.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Hübsche Animationen und Kampfeffekte
  • Sound: Nette Musik, tolle Stimmen
  • Balance: Keine unfairen Stellen
  • Atmosphäre: Nettes Fantasymärchen
  • Bedienung: Kämpfe spielen sich sehr gut
  • Umfang: Vielseitigste Charaktermöglichkeiten
  • Quests / Handlung: Viele lustige humorvolle Quests
  • Charaktersystem: Begehbarer Talentbaum
  • Kampfsystem: Gut animierte Kämpfe
  • Items: Viele Sammelitems
  • Grafik: Unerklärliche Performanceeinbrüche
  • Sound: Nein hier gibts kein Kontra :)
  • Balance: Dafür aber auch keine fordernden!
  • Atmosphäre: Peinlicher Sex, Für das Setting unpassende Gewalt
  • Bedienung: Alles andere ist eine Katastrophe
  • Umfang: Die alle keine Auswirkungen haben
  • Quests / Handlung: Mieser Königsteil
  • Charaktersystem: Der leider kaum Skillmöglichkeiten hat
  • Kampfsystem: Die sich leider fast von selbst spielen
  • Items: Aber kaum was von echtem Nutzen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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