Daedalic ist schon ein kleines Phänomen. Nach dem abgedrehten „Edna bricht aus“ und dem aufwändigen „The Whispered World“ war ausgerechnet die deutsche Spieleschmiede mitverantwortlich für den Wiederaufstieg des Adventure-Genres. Und auch dieses Mal sorgen handgezeichnete Hintergrundbilder und Figuren für den Rahmen ihres neuesten Eigengewächses, aber nun weniger melancholisch, sondern mit einer ernsten Aussage, einer Prise Zynismus und auch Naivität.
Der letzte Ausweg
Im Jahre 2113 steht die Erde kurz vor dem Klimakollaps. Die letzten Überlebenden wagen ihre letzte Hoffnung, durch eine Zeitreise den drohenden Untergang zu verhindern. Fay, die Funkerin, und ihre Teamkameraden Salvador und Delvin überleben als einzige die gefährliche Reise ins Jahr 2050, dessen Zeitpunkt sich leider als zu spät herausstellt. In den Trümmern suchen sie nach Anhaltspunkten und einen Weg, einen weiteren Zeitsprung auszuführen. Dabei stoßen sie auf den Namen Bent Svensson, der für die Entwicklung einer hocheffizienten Alge verantwortlich ist. Doch als sie ihn endlich erreichen, finden sie nur ein psychisches Wrack vor...
Umweltthematik, Aktionismus und Resignation – anders als in vielen anderen Adventure-Spielen wird hier ein ernstes Thema angepackt, die in einer Science Fiction-Atmosphäre gehüllt präsentiert wird. Durchaus mutig von Daedalic, denn der damit verbundene Comic-Look und die leise sympathische Humoreinlagen mögen da nicht so leicht reinpassen. Aber dennoch schaffen sie es, dem Spiel einen tiefgreifenden und eigenständigen Charakter anzuheften. Die Hintergründe sind wieder hervorragend geworden, und die Figuren einprägsam eingefügt. Zwar sind die Animationen recht schlecht ausgefallen, aber darüber schaut man bei der sonstigen Pracht gerne hinweg. Auch fehlende Einstellungsmöglichkeiten sind da weniger von Belang.
In seiner Fülle hat das Spiel sehr viel zu bieten. Die Szenensprünge sind recht modern gehalten, verkommen aber nicht zu einer hibbeligen Aneinanderreihung von losen Abschnitten. So gibt es nur zwei große Epochen – die des Jahres 2050 und des späten 20. Jahrhunderts. Darüber hinaus nimmt man die Stückelung gerne an, weil die Charaktere viel Tiefe besitzen. Bent ist der zynische Weltverbesserer, der für seine Arbeit seine Familie vernachlässigte, und Fay als Zukunftswaisenkind mit ihrer leicht naiven Art einfach sympathisch. Da machen auch Stinkstiefel wie Salvador Spaß.
Zukunftsmusik und Augenfreundlichkeit
Je nach Bedarf steuern wir Bent oder Fay durch die Kapitel, und keines davon ist wirklich langweilig oder undurchdacht designt worden. Alle Abschnitte haben angenehm anspruchsvolle Rätselketten inklusive Minispiele. Die sind in den meisten Fällen logisch aufgebaut, Querdenkerei passiert nur in wenigen Momenten. Trotzdem ist Aufmerksamkeit gefragt, denn so manche Aufgaben lassen sich nur durch die Eigenarten mancher Figuren oder assoziatives Denken lösen. Ein wirklich gelungenes Konzept, das zwar nicht neu ist, aber den Spielfluss nicht unnötig aufhält. So sind nicht nur die Storyentwicklungen interessant, sondern auch das Spiel selbst in sich interessant gehalten.
Kaum zu bemängeln gibt es die Steuerung und das Interface. Die Belegung der Maustasten ist wohl durchdacht, Objektanzeigen lassen sich auch zuschalten. Reine Rätselfreunde können sich auch auf eine „Überspringen“-Taste freuen, die einblendet, wenn die Lösung eines Minirätsels zu viel Zeit verschlingt. Einzig das fehlende Rennen der Charaktere ist ein Kritikpunkt, der durch das Bilddesign in vielen Fällen nicht stört.
Die schon erwähnten Zeichnungen sind sehr detailliert und stimmungsvoll erstellt worden. Die Farbgebungen passen zu jeder Zeit zu den jeweiligen Locations, auch wenn selbstredend kaum Freiraum für Effektgewitter bleibt. Ein Makel sind sicherlich die abgehackten Animationen und Ladepausen. Dennoch ist dieser erneute Schritt in die Welt der klassischen Comiczeichnungen ein innovativer und gut gelungener.
Auch beim Sound ist sich Daedalic ihrer alten Tugenden treu geblieben. Die Aktionen wurden schön vertont, die Musik kreiert den richtigen Stimmungsrahmen, nur bei den Hintergrundgeräuschen wurde wieder gespart. Ebenso zweischneidig fällt die Sprecherqualität aus. Während die Protagonisten durchweg erstklassig sind, klingen so manche Nebenrollen durchaus amateurhaft. Dennoch ist die Qualität allgemein betrachtet auf einem hohen Niveau anzusiedeln.
Fazit
Und wieder ein hochwertiger Rätselspaß aus deutschen Landen – diesmal aber mit ernstem Hintergrund. Ich verfolge gespannt die Story, die Entwicklung der Charaktere, und die Rätsel selbst passen mir persönlich sehr gut in den Kram. Vor allem gefällt mir die Verstrickung eines ernsten Themas in das Storygeflecht sehr gut, und auch die humorvollen Passagen haben einen sympathischen Beigeschmack, was dem Phänomen Daedalic einen weiteren Eintrag in der Bestenliste bescheren mag.
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