Weniger ist manchmal mehr?

Ende. Nach 45 Stunden und 13 Minuten laufen die Credits über den Monitor. Die letzte Schlacht ist geschlagen, die Geschichte ist erzählt. Was bleibt? Die...

von marajango am: 19.03.2011

Ende. Nach 45 Stunden und 13 Minuten laufen die Credits über den Monitor. Die letzte Schlacht ist geschlagen, die Geschichte ist erzählt. Was bleibt? Die Credits laufen und ich werde stutzig: keine Musik? Kein krasser Song, der mir jetzt zum Abschluss noch einmal das Gefühl geben soll ein epochales Meisterwerk beendet zu haben? Ein Gefühl der Ernüchterung kommt auf und das nicht zum ersten Mal.
Dragon Age II, das neueste Werk der Rollenspielschmiede Bioware, ist nun schon seit dem 10. März im Handel erhältlich und sollte eigentlich sowohl den Ruhm Biowares, als auch des gesamten Dragon-Age-Franchise mehren. Erhitzte Gemüter unter den Spielern sorgen jedoch für heftige Diskussionen, ob es sich hierbei denn überhaupt noch um ein „echtes“ Dragon Age, geschweige denn ein echtes Rollenspiel handelt.

Story

Das Spiel beginnt mit der größten Neuerung, die Bioware in Sachen Storytelling mit ihren Spielen beschreitet. Ein Zwerg wird von Wachen in einen Verhörraum geschleift, und soll fortan, aufgrund seiner Verstrickung in einen katastrophalen, dem Spieler noch unbekannten Vorfall die Ereignisse rund um den „Champion“ schildern, der für all das Unheil angeblich verantwortlich sein soll.
Damit wendet sich Bioware von ihrem klassischen Konzept ab, in dem der Spieler die Ereignisse des Spiels von Anfang bis Ende lückenlos selbst erlebt. Stattdessen werden einem mehrere Episoden aus dem Leben besagten Champions präsentiert. Dieser stammt ursprünglich aus Lothering, einem kleinen Dorf in Ferelden, das Spielern von DA:O (Dragon Age: Origins) bereits bekannt ist. Neueinsteiger erfahren nur so viel, dass der Held des Spiels und seine Familie aus ihrem Heimatort fliehen müssen, weil orkähnliche Bestien, genannt „Dunkle Brut“, das Land überfallen und nur Leichen und Asche auf ihrem Weg zurücklassen. Gemeinsam suchen sie Asyl in dem Stadtstaat Kirkwall in den Freien Marschen, einem Land nördlich Fereldens und jenseits eines Meeres. Dort angekommen beginnt die eigentliche Geschichte, wie der Held in einer Zeitspanne von 10 Jahren vom einfachen Flüchtling zum sogenannten „Champion von Kirkwall“ aufsteigt und irgendwie mit der Eingangs beschriebenen Katastrophe zu tun hat.
Bei dem Zwerg, der diese Geschichte zum Besten gibt, handelt es sich um Varric, dem langjährigen Weggefährten des Champions, der mit ihm ein Jahr nach dessen Ankunft in Kirkwall zusammenstieß.
Über die Geschichte des Spiels lässt sich streiten. Ich habe viele Stimmen vernommen, die beklagen, dass die Geschichte von Dragon Age II nicht an die Epik des Vorgängers heranreicht. Das stimmt so weit, dass es nicht um den verzweifelten Überlebenskampf der zivilisierten Welt gegen eine diabolische Verderbnis geht, sondern um die Geschichte eines Mannes (bzw. Frau, je nach Wahl zu Spielbeginn) der sich als Niemand Stück für Stück zur wichtigsten Person in dieser Welt mausert. Ich persönlich begrüße diese Abwechslung, die uns Bioware damit bietet. Denn allmählich hängt mir dieses Standardgewäsch zu den Ohren raus: die Welt/Galaxis steht am Rande der Vernichtung und du bist der/die Einzige/r , der/die uns jetzt noch vor dem personifizierten (gesichtslosen und platten) Bösen retten kann, bla bla bla… Stattdessen bekommt man es in Dragon Age II stets mit Charakteren zu tun, die lebensecht wirken. Die ein bestimmtes Motiv für ihr Handeln vorweisen und nicht einfach nur „böse“ sind. Es gibt keinen großen Endkampf gegen den teuflischen Obermotz auf den man von Anfang an hinarbeitet. Eure Entscheidungen bestimmen vielmehr, wen ihr euch auf eurem Weg nach oben zum Feind macht. Und selbst wenn ihr euch nun für eine bestimmte Seite entscheidet, euch den Einen zum Freund und den Anderen zum Feind macht, könnt ihr eurem Gegenüber doch nicht abreden, dass auch er in gewisser Weise mit seinem Standpunkt recht hat.
Die Nebenquests bieten ebenfalls Stoff für hitzige Diskussionen. Zum einen gibt es die, wie von Bioware gewohnt, sehr stimmigen, spannenden und toll inszenierten Geschichten, die euch die Bewohnern der Welt und auch die Welt an sich näher bringen. Ob es nun die Verfolgung eines Serienmörders oder die Unterstützung eines eifrigen Geschäftsmannes ist, in dessen Mine es zu allerlei unerfreulichen „Unfällen“ kommt. Ich hatte großen Spaß damit all diese Geschichten zu verfolgen und zu einem Abschluss zu bringen. Allerdings gibt es auch einige Sammelquests nach dem Schema „ziehe los und bring mir das, das und das“ und einige, wie soll ich es nennen, „Fundbüro“-Aufträge. Man findet in der Spielwelt immer wieder diverse Gegenstände und soll diese dann einfach nur einer bestimmten Person in die Hand drücken und man kassiert dafür einen Finderlohn. Das ist zwar ziemlich plump, trübt aber nicht den sehr positiven Gesamteindruck der Quests.
Auch die Geschichten der Gefährten, die ihr im Laufe des Spiels um euch sammelt, fallen zum Glück sehr motivierend und spannend aus. Jeden der Charaktere treibt etwas an, hat ein bestimmtes Ziel (oder glaubt dies zumindest zu haben) und ihr begleitet sie auf ihrer Suche nach Erlösung, Rache, Selbstfindung. Dabei entscheidet sich anhand eures Vorgehens, ob ihr sie euch zum Freund oder Feind macht, wodurch bei jedem Charakter auch bestimmte Verbesserungen freigeschaltet werden, die aber allesamt kaum Einfluss auf den Kampfverlauf haben.
Insgesamt war ich von der Geschichte in Dragon Age II sehr angetan und sie steht, meiner Meinung nach, der von DA:O in nichts nach, sondern macht hier und da sogar einiges besser.

Gameplay

Kommen wir nun zu der wohl größten Schwäche von Dragon Age II. Bereits der Vorgänger legte sein Hauptaugenmerk auf pausierbare, taktische Gruppenkämpfe. Klar, einige Gewaltausbrüche ließen sich mit dem nötigen, fähigkeits- und talentbasiertem Verhandlungsgeschick vermeiden aber am Ende des Tages lief es doch größtenteils auf massenhaft Schlägereien hinaus. Davon abgesehen gewährte einem DA:O aber auch kleine Freiheiten, wie die Möglichkeit Passanten per Taschendiebstahl um ihr Hab und Gut zu erleichtern oder das Sammeln von Rohstoffen, um daraus Tränke, Fallen, Gifte u.ä. herzustellen. Diese Freiheiten sucht man in Dragon Age II jedoch größtenteils vergeblich. Zwar kann man noch immer einige Rohstoffe finden, das gesamte Handwerkssystem wurde aber auf das absolute Minimum reduziert. Der Fund neuer Rohstoffe schaltet nun lediglich bei speziellen Händlern neue Waren frei, die man sich gegen Bezahlung herstellen lassen kann. Auch der Taschendiebstahl ist von der Reduktion des Gameplays betroffen: es gibt keinen mehr.
Somit lässt sich das Gameplay faktisch auf zwei Aspekte herunterbrechen: reden und kämpfen – für ein Actionspiel Standard, für ein Rollenspiel lächerlich. Dafür muss man Dragon Age II allerdings wieder zugutehalten, dass es in diesen beiden Aspekten nicht schlecht dasteht. Die Kämpfe laufen ähnlich wie in DA:O ab: Gruppenmitglied auswählen, Feind anklicken, zur Not das Spiel pausieren und/oder Spezialfähigkeiten einsetzen. Auf die übersichtliche Iso-Ansicht des Vorgängers wurde diesmal verzichtet, was für mich persönlich verkraftbar ist, da ich diese nie benutzt habe. Gruppenmitglieder, denen man keine Anweisungen gibt, kämpfen selbstständig, gemäß Taktiken, die man ihnen für bestimmte Situationen zuordnen kann aber nicht muss, da oftmals bereits die Standard-Voreinstellungen genügen. Das ist zumindest bei den einfacheren der vier Schwierigkeitsgrade der Fall, aus denen man jederzeit wählen kann. Vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgraden ist es jedoch unabdingbar den Kampf genau zu beobachten und jedem Charakter die richtige Aktion zuzuweisen. Rollenspielveteranen empfehle ich gleich auf einem der zwei schwersten Grade zu beginnen, da mir Dragon Age II deutlich einfacher erscheint als der Vorgänger. Verwunderlich fand ich, dass Verbündete nur auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad von schädigenden Zaubern und Flächenangriffen meinerseits in Mitleidenschaft gezogen werden. Auf allen anderen Graden juckt es sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht im Geringsten, wenn ich ihnen mal einen explodierenden Feuerball direkt vor die Haube knalle.
Die Präsentation der Kämpfe gestaltet sich um einiges flotter als noch in DA:O, jedoch wieder im gleichen Maße übertrieben, was die Darstellung von Gewalt angeht. Dass ein Gegner durch einen mächtigen Schwertstreich entzwei geschlagen wird, wäre nachvollziehbar. Dass er in einer riesigen Blutfontäne in zig Einzelteile zerspringt, ist dann doch reichlich albern. Auch, dass die Charaktere nach einem Kampf blutverschmiert sind, mag den einen oder anderen stören. Dies lässt sich jedoch in den Optionen deaktivieren.

Grafik & Sound

Hier hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht viel getan, was auch damit zusammenhängen mag, dass Dragon Age II auf der gleichen Engine wie DA:O läuft. Die Charaktermodelle wirken zwar diesmal detaillierter, dafür enttäuschen die Umgebungen mit Detailarmut. Dass Dragon Age II in gerade einmal 18 Monaten entwickelt wurde, merkt man vor allem durch die immer gleichen Levelabschnitte. Es gibt z.B. ein einziges Modell für ein Höhlensystem, durch das ihr im Spiel immer wieder geschickt werdet. Mal ist der eine Durchgang versperrt, mal der andere. Gutes, geschweige denn akzeptables Leveldesign sieht anders aus.
Auch der Soundtrack plätschert ohne wirkliche Höhen vor sich hin. Während DA:O noch starke Tracks wie „Lelianna‘s Song“ oder „Ruins of Ostagar“ bot, kommt es mir bei Dragon Age II auch hinsichtlich der Musik so vor, als hätte die Zeit für einen besseren Score gefehlt.

Fazit

Technisch bewegt sich Dragon Age II von Mittelmaß bis „unter aller Sau“. Die Geschichte hingegen wird so schön erzählt, dass ich, alles in allem, Spaß mit diesem Spiel hatte. Wer jedes Rollenspiel mitnimmt oder bisher Vergnügen mit den Titeln von Bioware hatte, kann zugreifen. Alle anderen sollten zumindest auf eine günstigere Version warten, bestenfalls mit allen bis dahin erschienenen Extras.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: hübsche Charaktermodelle
  • Sound: stimmige Soundeffekte
  • Balance: vier Schwierigkeitsgrade
  • Atmosphäre: stimmige Spielwelt, spannend erzählte Geschichte
  • Bedienung: eingängig, wie in DA:O
  • Umfang: ...
  • Quests/Handlung: größtenteils spannend und motivierend
  • Kampfsystem: flotter als DA:O, taktische Feinheiten möglich
  • Charaktersystem: motivierend
  • Items: akzeptable Menge
  • Grafik: triste Umgebungen
  • Sound: nichts besonderes
  • Balance: allgemein zu leicht
  • Atmosphäre: ...
  • Bedienung: keine Iso-Ansicht wählbar
  • Umfang: für ein Rollenspiel sehr kurz
  • Quests/Handlung: einige lächerlich simpel
  • Kampfsystem: ...aber erst auf hohem Schwierigkeitsgrad nötig
  • Charaktersystem: ...aber im Vergleich zu DA:O stark reduziert
  • Items: viel unnötiger Plunder

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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