F1 2010 - Das beste Formel 1-Spiel aller Zeiten?

Was denkt ein Rennfahrer wenn er mit 120 Sachen auf eine Harnadel zurast? Er denkt: Das Leben macht Spaß! Und was denkt ein Spieler wen er mit 120 Sachen auf...

von MirdoWu am: 23.12.2010

Was denkt ein Rennfahrer wenn er mit 120 Sachen auf eine Harnadel zurast? Er denkt: Das Leben macht Spaß! Und was denkt ein Spieler wen er mit 120 Sachen auf eine Harnadel zurast? Er denkt: Das Spiel macht Spaß! Ja, die Formel 1 und der einmalige Rausch der Geschwindigkeit eines Formel 1-Wagens ist etwas ganz besonderes für Fahrer und Gamer, aber gerade auf dem PC durften wir Zocker schon seit Jahren nicht mehr in das virtuelle Cockpit hüpfen und diesen Rausch spüren. Dank Codemasters ist es jetzt wieder so weit, die Mutter des Rennsports kehrt auf den PC zurück und treibt uns allen Tränen in die Augen. Doch eine Frage stellt sich: sind es Freudentränen oder ist F1 2010 doch so schlecht, dass man heulen muss?

Der erste Eindruck

Das Spiel beginnt recht ungewöhnlich für ein Rennspiel mit einer Pressekonferenz. Wir, ein junger und ambitionierter Rennfahrer, werden neuer Pilot in der Formel 1 und beantworten nun die Fragen der wissbegierigen Journalisten. Wie heißen sie denn? Wie möchten sie genannt werden? Für welchen Rennstall werden sie fahren? Wie lang wird ihre Karriere dauern? Mit dem beantworten der Fragen legen wir die Grundpfeiler unserer Karriere fest und stürzen uns danach direkt ins Renngeschehen. Wobei direkt hier nicht ganz stimmt, denn zunächst erklärt uns unsere Assistentin die Menüs, welche während eines Rennwochenendes in Form einer Boxengasse und unter der Woche als Fahrerlager erscheinen. Das bringt ein dickes Plus an Atmosphäre und erinnert aber auch sehr stark an dem ebenfalls aus dem Hause Codemasters stammende Dirt 2. Die gute Frau hat ihr Tutorial mittlerweile beendet und wir setzten uns jetzt ins Cockpit. Schnell wählen wir noch aus ob das Rennwochenende „kurz“, also ein Training, ein Qualifying und das Rennen, lang sein oder doch „lang“ also drei Trainings, drei Qualifyings und das Rennen, lang sein soll. Anfangs sollte man lieber die längere Variante wählen, aber dazu gleich mehr. In der Boxengasse angelangt sitzen wir bereits in unserem Wagen und navigieren uns über einen Bildschirm durch das Tuningmenü und drehen an allen möglichen Schrauben unseres Boliden. Sollte man von Autos keine Ahnung haben kann unser Ingenieur auch ein passendes Schnellsetup auflegen. Von unserem Cockpit aus können wir aber nicht nur unser Auto tunen, sondern auch die Wettervorhersage für das Wochenende anschauen, die aktuelle Platzierung von uns ansehen, den aktuellen Stand des Duells mit unserem Teamkollegen begutachten oder die laufende Session überspringen. So, genug durch die Menüs geklickt: ab auf die Strecke!

Nix mit Arcadegedöns

Vorhin schrieb ich, dass man Anfangs lieber ein langes Wochenende bestreiten sollte und nun zeigt sich wieso. Kaum aus der Box raus gefahren fällt nämlich auf: das ist ja eine Simulation! Zu stark aufs Gas gegangen? Dreher! Zu spät gebremst? Hallo Mauer! Von der Strecke abgekommen? Das geht nicht gut aus… Zum Glück gibt es die aus Grid und Dirt 2 bekannte Rückspulfunktion auch hier. Einmal die entsprechende Taste gedrückt und schon ist der Fahrfehler Geschichte! Selbstverständlich kann man nicht unendlich oft in der Zeit reisen, die Anzahl kann man vor dem Wochenende aber selbst bestimmen. Selbst bestimmen kann man auch die Fahrhilfen, und das jederzeit während des Rennens. So lässt sich Traktionskontrolle, ABS, Automatikschaltung, Geschwindigkeitsbegrenzer für die Box und Co. jederzeit an- oder ausschalten.
Aber egal ob die Hilfen nun an oder aus sind: das Fahren fühlt sich wirklich toll an. Wieder einmal schafft es Codemasters die Balance zwischen Simulation und Spielspaß zu finden und damit den Spieler nie zu langweilen. Auch das Geschwindigkeitsgefühl ist schlichtweg top – gerade in der Cockpitansicht.

Frust und Fehler

Über die Bugs kann aber auch das Geschwindigkeitsgefühl nicht hinwegtäuschen, denn in der von mir getesteten ungepatchten Verkausversion gab es zahlreiche nervige Fehler. So sind zum Beispiel die Gegner im Rennen einfach nicht an die Box gefahren, obwohl dies die Regeln vorschreiben. Oder meine recht gute Rundenzeit im Qualifying wurde nach der Verwendung der Rückspulfunktion einfach auf drei Minuten hoch gesetzt. Einmal sogar, ich bin ich in der ersten Runde an die Box gefahren, konnte ich wieso auch immer erst dann wieder losfahren als alle (!) anderen Fahrer ihren Stop beendet hatten. Das Rennen musste ich neu starten. Das wohl aber am meisten nervende in F1 2010 ist das Regelsystem. Gegner bekommen keine Strafen, dafür aber wir wenn sie uns rein fahren. Wir drehen uns und fahren zurück auf die Strecke und bekommen eine Strafe wegen Abkürzen. Ein Gegner bremst mitten auf der Geraden und wir rasen schuldlos drauf und bekommen? Richtig, eine Strafe. An dieser Stelle viel zu aggressiv sind die Strafen an andere Stelle wieder zu lasch. So konnte ich in einem Rennen einfach gerade durch eine Kurve fahren und enorm abkürzen und habe dafür nur eine Verwarnung ohne weitere Konsequenzen erhalten. Irgendwie unlogisch, oder? Negativ fällt auch das karge Schadensmodell aus. Abgesehen davon, dass die Schäden optisch recht langweilig ausfallen wirken sie sich nur marginal aufs Fahrgefühl aus. Wenn die Reifen platzen lenkt es sic zwar deutlich schwerer und wenn der Frontflügel ab ist sind die kurven ebenfalls eine Herausforderung, aber einen angeschlagenen Heckflügel etwa bemerkt man überhaupt nicht und Verformungen des Boliden kann man überhaupt nicht spüren, denn es gibt sie ja auch optisch nicht.

Das sieht mal geil aus

Auch wenn sich die Crashes nur enttäuschend auswirken, sehen sie immerhin grandios aus. Die Teile zerfliegen in tausende Einzelteile, Rauch steigt auf, die Reifen quietschen. Einfach beeindruckend. Aber ihr solltet euch die Sabber aufsparen, denn es gibt auch Regenrennen. Ohne Zweifel kann man sagen, dass dieser Regen der schönste aller Spiele ist. Alles liegt in einem grauen Schimmer, auf der Straße bilden sich Pfützen, die Gischt des Vordermannes versperrt die sich und auf der Kamera setzten sich einzelne Tropfen ab. Aber Achtung: der Regen mag phänomenal aussehen, aber macht die Straßen auch enorm glitschig. Wer hier die falschen Reifen aufzieht und nicht aufpasst hat keine Chance auf der Strecke zu bleiben. Übrigens sind Unfälle im Regen das optische Highlight (wer hätte es gedacht ;D ). Aber das Spiel vermag es auch ohne Regen und zerfetztes Karbon optisch zu beeindrucken. Gerade die Rennstarts sind atmosphärisch in einem Rennspiel nie besser gemacht wurden. Ihr sitzt in eurem Formel 1-Wagen, um euch tönen die Motoren, die Luft flimmert in der Hitze und die Ampeln schalten langsam auf Grün. Hier spürt man förmlich das Motoröl auf der Stirn.
Das Problem an dieser tollen Grafik ist aber der enorme Hardwarehunger. Während Dirt 2 auf maximalen Einstellungen und 4-fachen Antialiasing völlig flüssig mit ca. 40 Frames lief gurkte F1 2010 auf mittleren Einstellungen und 2-facher Kantenglättung mit 20 Bildern in der Sekunde herum. Dies wirkt sich auch auf das Fahrgefühl aus, denn auch wenn das Spiel für mich optisch noch flüssig wirkte war bei der Steuerung ein kleines, aber sehr nerviges Delay zu spüren.

Das Leben eines Rennfahrers

Das Leben eines Rennfahrers besteht nicht nur aus fahren und schrauben. Interviews wollen gegeben werden, Verträge müssen verhandelt und Ziele eingehalten werden. Nach jedem Podiumsplatz gibt es eine Pressekonferenz bei der man über das Rennwochenende, die Saison und über eventuelle neue Teams ausgefragt wird. Diese wirken zwar unglaublich aufgesetzt (ca. 15 Journalisten sitzen stumm da und nur eine stellt Fragen) sind aber dennoch eine coole Idee. Außerdem wirken sie sich auf die Vertragsverhandlungen aus. Ihr sagt dass euer aktuelles Team nichts kann und das Auto nicht schneller fährt als ein Trabant? Dann werdet ihr wohl kaum erster Fahrer im Team. Ihr könnt euch aber auch einen Rivalen für die laufende Saison „heraussuchen“ und wenn ihr besser als er seid, ein Cockpit in seinem Team bekommen. Diese Features sind ganz nett, aber in der Praxis gibt es nur wenige Fragen die sich in der Tat auf das Verhalten der Teams euch gegenüber auswirkt. Ab und zu steht zwar da, dass das Team erfreut über euer Verhalten gegenüber der Presse ist, aber wirkliche Auswirkung hat dies nicht. Schade, hier wurde einiges an Potential verschenkt. Viel mehr wirkt sich euer Fahrerlevel auf die Teams aus. Nach jedem Rennwochenende bekommt ihr Erfahrungspunkte, welche euch im Level aufsteigen lassen. Gute Teams lassen euch wohl kaum mit dem ersten Level in den Wagen. Aber auch hier ist wieder Inkonsequenz zu spüren, denn wenn ihr euren Rivalen in der laufenden Saison schlagt kann es auch gut sein, dass ihr bereits in der zweiten Saison in einem McLaren sitzt. So hat man nie das Gefühl sich hocharbeiten zu müssen, wozu man aber sowieso nicht die Chance bekommt, denn eine Karriere dauert in F1 2010 maximal sieben Jahre. Vielleicht sind die Entwickler aber auch nur große Schumi-Fans und wollten nicht das sein Rekord was Weltmeisterschafstitel angeht virtuell überboten wird.

Die Frage nach der Kamera

Zu diesem Leben eines Rennfahrers zählt aber nicht nur das oben Aufgezählte. Auch der Blick aus dem Fahrzeug auf die Strecke gehört dazu. Glaubt man F1 2010, dann sehen die Formel 1-Fahrer recht wenig im Renngeschehen. Die Kamera der Egoperspektive ist nämlich enorm tief, weshalb man meist nicht mehr sieht als das eigene Fahrzeug und den Horizont. Selbst wenn dies in einem echten F1-Wagen so ist (ich weis dies leider nicht, ich saß in noch keinem Formel 1-Boliden) hätte man die Kamera ein paar Zentimeter höher ansetzten können. Aber diese Perspektive hat auch einen enormen Vorteil – sie fühlt sich verdammt intensiv an. Der Kopf wackelt, der Motor dröhnt, die Kamera ist voller Regentropfen, direkt neben einem ist ein anderes Fahrzeug und das alles bei 280 Sachen. Wow! Das macht selbst NfS:Shift nicht viel besser. Wer das ganze nicht verträgt, beziehungsweise wer lieber ein übersichtliches Renngeschehen hat, der kann auf eine der vier anderen Kameras zurückgreifen. Mein Favorit ist die, ich nenne sie mal Überhelmkamera.

Fazit

Codemasters hat es mal wieder geschafft mein altes Rennfahrerherz zu entzücken. Das intensive Fahrgefühl, das dynamische Wettersystem, das realistische Fahrgefühl und der Kampf um hundertstel machen dieses Spiel zum bislang besten Formel 1-Spiel. Nichtsdestotrotz hat es viele Macken, Fehler und Unlogiken die einem ganz klar aufzeigen, dass Formel 1 nicht perfekt ist. Gerade die Strafen und das fehlende Safetycar schaden der sonst so tollen Atmosphäre enorm. Mein Tipp ist es zu warten, wer dazu die Geduld hat. Denn Codmasters hat vor jedes Jahr einen Formel 1-Ableger herauszubringen und es zum Fifa der Rennspiele zu machen. Und das erste Fifa war ja nun mal auch nicht das beste Fußballspiel, oder? In ein paar Jahren wird es der Entwickler sicher schaffen die Fehler und Logiklücken mancher Features auszumerzen und ein wirklich rund laufendes Formel 1-Spiel herauszubringen. Schlussendlich lässt sich sagen dass die Tränen, die F1 2010 mir in die Augen treibt Freudentränen sind, aber nicht weil das Spiel so perfekt ist, sondern einfach weil ich die Formel 1 liebe.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: tolle Regeneffekte, viele Details
  • Sound: tolle Motorensounds
  • Balance: Viele Fahrhilfen, jederzeit einstellbar
  • Atmosphäre: Fahrerlager als Menü, Interviews nach Rennen
  • Bedienung: mit Controller sehr gut steuerbar, reagiert genau
  • Umfang: alle Autos und Strecken, Karriere, Multiplayer
  • KI: reagiert nachvollziebar, macht Fahrfehler
  • Fahrverhalten: Simulation aber dennoch spaßig
  • Tuning: Schnellsetup oder selbst herumschrauben
  • Streckendesign: original Strecken, genau nachgebaut
  • Grafik: starker Hardewarehunger
  • Sound: Unfälle klingen nicht effektvoll genug
  • Balance: -
  • Atmosphäre: -
  • Bedienung: nichts für Tastatur
  • Umfang: max. 7 Saisins, keine historischen Fahrzeuge
  • KI: teils zu aggresiv
  • Fahrverhalten: nichts für Arcadefans
  • Tuning: für Simulation wenige Einstellungsmögichkeiten
  • Streckendesign: -

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(1)
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