Erinnern Sie sich noch an die Anfänge des Crowdfunding-Booms? Es muss wohl 2012 und 2013 gewesen sein. Als Liebhaberkonsolen wie die Ouya oder Nischentitel wie Pillars of Eternity und Broken Age zur Disposition standen.
Was sind wir damals nicht alle aus dem Häuschen gewesen? Unsere Helden von früher stellten sich quer und führten die angeblichen »Regeln des Marktes« ad absurdum. Sie bedienten Nischen, die kein Publisher, kein Hersteller aus eigener Tasche zu finanzieren wagte. Und sie bewiesen: Das funktionierte!
Kunden belohnten die Treue von Videospielentwicklern, die ihnen ans Herz wuchsen. Sie wollten Spiele und Produkte, so wie sie sie von früher kannten und nicht noch mehr von dem Einheitsbrei, der auch bitte jedem gefallen sollte. Es war der Kampf David gegen Goliath. Wir gegen die - Kunde gegen hochnäsigen Publisher, der nicht verstand, was wir Hardcore-Gamer wirklich wollten.
Schlechte Erfahrungen gemacht
Heute hat sich das völlig verdreht. Das Konzept Crowdfunding ist so gut wie gestorben. Es existiert noch, keine Sorge. Entsprechende Plattformen schießen wie Pilze aus dem Boden. Aber für mich ist der Gedanke dahinter tot.
Der Underdog-Charakter ist einfach weg. Projekte mit Substanz gibt es kaum noch, innovative Ideen schon gar nicht. Vermutlich die logische Schlussfolgerung, nachdem Crowdfunding-Hits wie Mighty No. 9 und Star Citizen sich immer weiter verspäteten, Spiele wie Yogventures einfach komplett eingestellt wurden oder die Ergebnisse eben doch nicht so genial waren, wie die Werbevideos es anfangs versprachen. Kunden werden vorsichtiger.
GameStar TV:Wie es zur Pleite von Yogventures kam
Der Markt holt auf
Und der neueste Trend zeichnet sich schon seit einiger Zeit ab: Viele Projekte, die heute auf Kickstarter oder Indigogo zu finden sind, haben eigentlich bereits einen Publisher oder suchen nach einem. Sie wollen nicht unser Geld, um ihr Produkt zu entwickeln, sondern unser Geld, um die Aufmerksamkeit von Konzernen zu erlangen.
Für sie ist Crowdfunding nicht mehr nur eine Möglichkeit, ihre Vision von echten Fans finanzieren zu lassen. Sondern eher eine Möglichkeit, schon erste Pre-Order-Bestellungen einzusacken, die man auch nicht mehr zurückziehen kann, wenn sich das Spiel als mittelmäßiger Unfug herausstellt.
Aktuelles Beispiel: Das PC-MMO Wild West Online. Bekanntheit erlangte es, nachdem ein Screenshot im Internet geleakt und mit Red Dead Redemption 2 »verwechselt« worden war. Wie der Zufall es will, gab es schon am Tag drauf die Exklusiv-Enthüllung beim US-Blog PC Gamer mit der Ankündigung einer Kickstarter-Kampagne. PR-Stunt geglückt, jetzt ist es überall als »Red-Dead-Redemption-PC-Spiel« bekannt. Einen Publisher, der das finanziert, haben die Wild-West-Entwickler auch schon. Trotzdem: Crowdfunding!
Oder nehmen Sie die Kartenspiele von Elan Lee und Matthew »The Oatmeal« Inman: Exploding Kittens und Bears vs. Babies sind zwei der erfolgreichsten Kickstarter-Kampagnen aller Zeiten. Haben die Macher sie wirklich gebraucht, um die Finanzierung der Spiele zu stemmen? Haben sie auf Augenhöhe mit ihren Fans kommuniziert? Vermutlich nein. Für sie war Crowdfunding ein Marketing-Tool. Es sollte Schlagzeilen vom Typ »Kartenspiel innerhalb weniger Stunden zu 1000% finanziert« generieren.
Ist das alles schlimm? Natürlich nicht! Als Bears vs. Babies angekündigt wurde, war ich Backer der ersten Stunde! Man muss sich nur vor Augen halten, dass man mit dem Spenden-Knopf keine Wohltat ausführt, sondern einen Kaufvertrag unterschreibt. Einen, den der Vertragspartner auch einfach einseitig auflösen kann, indem er nicht liefert. Klingt schon viel weniger sexy als »Donate«, oder?
Der Autor
Sandro Odak (@riperl) hat schon allerlei Blödsinn per Crowdfunding gekauft: Spiele aller Art (Videospiele, Karten- und Brettspiele), Sonnenbrillen, digitale Drumsticks, Bücher. Sein kritisches Erweckungserlebnis aber war eine Armbanduhr. Wenn Sie auch an den Punkt kommen und sich denken »Ich bräuchte mal eine ganz schlichte, klassische Uhr«, kaufen Sie einfach eine gute Uhr. Nicht die Vision einer Gruppe von Hipstern, die Ihnen eine tolle Uhr versprechen. Sie war furchtbar.
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