Die Rückkehr der Musketendrachen

Gustav Gorsmogs Stellung am Valceronpass als unhaltbar zu bezeichnen wäre noch geprahlt. Der Schlag meiner Goblintruppen gegen seine Passfestung mit dem...

von Tsabotavoc am: 10.04.2014

Gustav Gorsmogs Stellung am Valceronpass als unhaltbar zu bezeichnen wäre noch geprahlt. Der Schlag meiner Goblintruppen gegen seine Passfestung mit dem dahinter liegenden Tal war gut geplant und von einem Scheinangriff über einen Schleichweg in den nördlichen Bergen begleitet. Meine Goblin-Kreuzritter unter der Fuchtel meines Anführers nahmen die Stadt wie im Sturm und ergießen sich in den Kessel wie eine göttliche Sturmflut um... brennende Städte zu sehen!
Warum die KI zwischen Genie und Wahnsinn schwankt und ob Age of Wonders III ein Spielspaß-Feuerwerk ist oder nur ein kurzes Strohfeuer entfacht versuche ich in diesem Test zu zeigen.

Ein Spiel mit Klassen
Age of Wonders 3 ist ein Rundenstrategiespiel wie es im Buche steht. In der Kampagne schlagen wir uns wahlweise auf die Seite des Elfenhofs oder des Staatenbundes. Dabei verkörpern wir nach und nach jeweils verschiedene Anführer.
Während wir in der Kampagne in jeder Mission einen fest vorgegebenen Anführer spielen sind wir in Szenarien und Zufallskarten nur durch unsere Fantasie beschränkt. Wollen wir einen mächtigen drakonischen Erzmagier der sich auf Feuermagie spezialisert hat? Dann können wir die ganze Welt in einen brennenden Vorhof der Hölle verwandeln. Oder möchten wir - ganze nach Greenpeace - mit unserem Erzdruiden und einem Mix aus verschiedenen Zauberschulen die Kräfte der Natur selbst gegen unsere Feinde werfen?
Natürlich können wir aber auch alles ganz anders machen und z.B Elfen mit den Technokraten mischen und uns um es abzurunden auf Zerstörungsmagie mit einem Mix aus Lebensmagie festlegen. Jede Klasse ermöglicht den Zugriff auf einige Spezialeinheiten deren Fähigkeiten sich abhängig von der Rasse der sie angehören nochmals leicht ändern. Ein Goblin-Kreuzritter hat z.B andere Stärken und Schwächen als sein menschliches Pendant. Entsprechend gibt es neben Orkzauberlehrlingen mit Musketen handierende Drachen und Berserkerelfen - ganz abhängig davon welche Heldenklasse ihr für euer Alter Ego gewählt habt.
Euer Alter Ego steigt dann zusätzlich innerhalb des Szenarios um Stufen auf, dabei einzigartige Fähigkeiten erlernen und magische Ausrüstung erbeuten. So kann z.B nur die Schurkenklasse einen mächtigen Assassinnen-Angriff erlernen.
Durch die nach und nach erforschten Klasseneinheiten und Zauber gibt es auf diese Art eine theoretisch unbegrenzte Anzahl an Kombinationsmöglichkeiten...

Krieg macht glücklich!
Typischerweise startet jede Kampagnenmission, Szenario oder Zufallskarte mit einer kleinen Armee und einem oder mehreren Städtchen. Runde für Runde müssen wir hierbei versuchen einerseits unsere Bevölkerung zufrieden zu stellen und andererseits unsere Truppen aufzurüsten.
Im Gegensatz zu z.B Fallen Enchantress ist nämlich ein Forschungs- oder Handelssieg nicht möglich. Die einzige Methode die Runde für sich zu entscheiden ist über die Auslöschung aller Kontrahenten.
Diese Mechanik mag antiquiert erscheinen und ich gestehe ich hätte mir nach zehn Jahren hier mehr erwartet, aber es wurde konsequent umgesetzt. Wie glücklich eine Stadt ist setzt sich nämlich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen. Hat die Stadt ein Badehaus? Wie sieht das umliegende Land aus? Während Drakonier z.B gerne in tropischen Wäldern hausen können Zwerge damit so gar nichts anfangen und werden entsprechend unglücklich. Und last but not least: Wie läuft der Krieg für uns? Wenn der Krieg gut läuft und wir Schlachten gewinnen steigert sich unsere Reichszufriedenheit. Mehr Reichszufriedenheit bedeutet mehr Geld und Mana. Mehr Geld und Mana führt zu mehr und größeren Armeen.
Umgekehrt bedeutet ein schlecht laufender Krieg das die Zufriedenheit in den Städten sinkt und es im schlimmsten Fall sogar zu Rebellionen kommt. Dann dürfen wir uns nicht nur mit feindlichen Armeen sondern mit wütenden Rebellen herumschlagen. Daher spielt sich Age of Wonders 3 sehr dynamisch und flott: Man kann zwar auch mal mehrere Runden einfach nur in seinen Städten bleiben und die Position gemütlich ausbauen - günstiger ist es allerdings die Gunst der Stunde zu nutzen und den Gegner weiter unter Druck zu setzen.
Da aber für unsere Armeen nicht immer ein passender Krieg zur Hand ist, ist die Karte vollgestopft mit Schatzhorten, Banditenverstecken, Burgen und Minen deren Bewohner nur darauf warten von uns massakriert zu werden.
So finden wir uns schnell in einer "Nur noch eine Runde"-Spirale bei der wir jede Runde aufs Neue die Prioritäten setzen müssen: Baue ich jetzt in den hinter den Grenzlinien liegenden Städten ein paar Paläste damit die dann noch mehr Profit abwerfen? Oder nehme ich das Geld das ich jetzt habe und stecke es in einige Flammenpanzer um meine nördliche Flanke etwas besser abzustützen? Alternativ könnte ich natürlich auch ein paar Feuerelementare beschwören. Wozu bin ich schließlich nebenberuflicher Feuermagier? Die Terraformung dieses Sumpfgebiets da hinten kann auch ruhig noch eine Runde warten. Schlammbäder sollen ja aus therapeutischer Sicht sehr gesund sein...
Abgerundet wird das Ganze durch die toll weiterentwickelte Magie und die vielen Spezialbauten auf der Karte. Wer z.B die Archonier als spielbares Volk vermisst kann diese mit etwas Glück durchaus doch in die Schlacht führen. Hierfür muss man nur eine Archonierbehausung erobern und schon hat man ein komplett anderes Volk als Ergänzung für seine Armeen! Feen, Riesen und Drachen ergänzen das Repertoire.
Als Druide beschwören wir riesige Waldgötter. Mir am meisten angetan haben es aber die kleinen Spezialzauber. Beispiel gefällig? Anführer der Klasse "Zauberer" können ein Ei beschwören aus dem nach zehn Runden ein magisches Reittier schlüpft. Dies verstärkt nicht nur Helden sondern ist auch ein wertvolles Handelsgut in der Diplomatie!

Atombombe von links!
Theoretisch haben wir die Qual der Wahl zwischen Dutzenden von Einheiten. Rein praktisch gesehen spielen aber in einer fortgeschrittenen Runde nur noch die höchstrangigen Einheiten - die der Stufe 3 und 4 eine Rolle. Age of Wonders Spieler kennen diesen sogenannten "Doomstack" nur zu gut: Eine Elitetruppe aus dem besten was das Volk zu bieten hat mit allen Buffs prügelte im Vorgänger die gegnerische KI zu Klump. Diese Vorgehensweise wurde einerseits entschärft und andererseits verschlimmert. Einerseits fallen alle Zauber weg mit denen man die Kampffähigkeiten von Einheiten außerhalb von Kämpfen verbessern kann.
Andererseits sind die Leistungsunterschiede zwischen Stufe 1 und Stufe 4 Einheiten viel zu extrem: Eine Bürgerwache der Menschen kostet pro Runde 4 Gold Unterhalt und kann im Fernkampf bis zu 11 Schaden anrichten. Eine Zitadelle kostet pro Runde zwar den achtfachen Unterhalt löscht aber im Alleingang eine komplette Armee dieser Unglücksraben aus ohne das die Jungs an den Dampfkesseln dabei auch nur ins Schwitzen kommen.
Dementsprechend sind in einer fortgeschrittenen Partie zwei Drittel aller aktiv im Kampf beteiligten Truppen eben diese Eliteeinheiten und der Rest verkommt zu Statisten. Sehr schade eigentlich.
Denn die Einheiten sind vielfältig und verfügen über eine Menge interessanter Fähigkeiten. Von der Schockschlange die ihre Gegner betäuben kann über Musketenschützen die einen wahren Bleihagel gegen ihre Feinde entfesseln bis zu Kavallerieeinheiten die sich über das Schlachtfeld teleportieren können ist alles vertreten was das Strategenherz begehrt.

Diplomatische Gespräche zwischen Dreijährigen
Nein mit Diplomatie auf dem Niveau eines Dreijährigen sind nicht die Gespräche zwischen EU und Putin gemeint sondern das Verhalten der KI in allen diplomatischen Belangen. So clever die KI sich auf der Weltkarte und in taktischen Schlachten anstellt so dumm ist sie in diplomatischen Belangen.
Für billigen Tand verkauft einem die KI auch auf höheren Schwierigkeitsgraden wichtige Städte. Wenn man die Diplomatie also konsequent betreibt verhandelt man die KI zielstrebig in den Ruin.
Man merkt das die KI im Hinblick auf die Kampagne programmiert wurde denn in der Kampagne spielt die Diplomatie eine absolut untergeordnete Rolle. Dabei lässt sich über die Diplomatie durchaus einiges machen: Neben Mana und Gold in Form von Geschenken und Tributen lassen sich sogar magische Gegenstände und ganze Städte handeln.
Was bei der KI noch ins Auge sticht: Sie lügt und betrügt wie ein Hund. Wer nun die Nase rümpft dem sei versichert das dies jede KI tut. Bei Age of Wonders 3 tut es nur insofern weh weil es nicht nötig wäre. Die KI spielt auf höheren Schwierigkeitsgraden die meiste Zeit sehr schlau und stellt sich durch die Bank intelligent an. Auch fortschrittliche Taktiken wie das Einreissen von unhaltbaren Städten damit diese dem Feind nicht in die Hände fallen gehören zum guten Ton.
Der gute Gesamteindruck wird nur selten durch nicht nachvollziehbare Ausfälle geschmälert doch alles in allem gehört die KI klar zu den Besten ihrer Art.

Die glorreichen Sechs
Das Herzstück von Age of Wonders 3 sind die taktischen Kämpfe. Diese finden auf schön animierten, vielfältigen Hexfeldkarten statt. Von glühenden Wüsten über tropische Dschungeln bis zu lavaberstenden Feuerländern und Eiswüsten ist hier alles vertreten. Eine Armee in Age of Wonders besteht dabei aus bis zu sechs Einheiten. Das klingt nicht nach viel. Allerdings unterstützen sich nebeneinander befindliche Armeen in der Schlacht so dass es schnell zu 12, 18 und mehr Einheiten unter eurem Kommando sind.
Die Taktikkämpfe machen eine Menge Spaß was vor allem an der unterstützenden Magie eures Zauberers und der in der Schlacht befindlichen Helden liegt. Da werden Mauern einreissende Dornenranken beschworen, Feuerbälle zerspratzen arglose Schwertkämpfer und wo eben noch eine nigelnagelneue Belagerungsmaschine stand ist jetzt nur noch ein durch eine magische Faust zerschmetterter Schrotthaufen.
Dabei verschenkt die Kampagne etwas Potential: Die vielfältigen Fähigkeiten eurer Helden werdet ihr hier kaum nutzen. Wenn auch nur einer eurer heroischen Begleiter ins Gras beisst ist die Mission gelaufen. Und die KI stürzt sich mit Vorliebe auf diese missionswichtigen Lakaien.
Jede Einheit hat auf dem Schlachtfeld der Ehre drei Aktionen die sie für Bewegungen und Angriffe verbrauchen kann. Das sorgt für kochendes Hirnschmalz: Bewege ich mich noch ein Feld näher an den Felsen ran? Dann kann ich zwar nur noch zwei mal schießen habe aber keine Sichtfeldbehinderung mehr und richte damit vielleicht mehr Schaden an. Andererseits kann dann die feindliche Reiterei gefährlich nahe an meine Bogenschützen ran...
Wenn man Einheiten in den Rücken oder die Flanke fällt gibt es dabei nochmals ordentlich Bonusschaden. Durch geschicktes Abwechseln von Angriffen kann man dabei ein und derselben Truppe mehrmals in die Flanke fallen da diese sich immer in die Richtung des letzten Angriffs ausrichtet.
Die Visualisierung spielt einem hierbei oftmals ganz gerne einen Streich: So besteht eine Einheit von Schwertkämpfern aus mehreren Soldaten die, wenn sie Schaden erleiden, nach und nach sterben. Dies ist aber für die tatsächliche Kampfleistung der Truppe komplett unerheblich: Ob die Truppe einen Lebenspunkt oder volle vierzig hat: Sie richtet den gleichen Schaden an.
Einerseits hat man so immer einen ungefähren Überblick wie gut oder schlecht es den eigenen Mannen und Frauen nun geht. Andererseits führt es zu teils kuriosen Kämpfen wenn ein einzelner Berserker dann im Alleingang ein komplettes Bogenschützenregiment abschlachtet.
Durch die ständig mitdrehende Kamera wurde ich während des Tests einige Male um den Verstand gebracht aber im Großen und Ganzen bleibt der Überblick gewahrt. Besonders vorbildlich: Sowohl in der Schlacht wie auch in der Weltkarte werden euch Einheiten, Armeen und wichtige Ereignisse rechts schön zusammengefasst. Euer komplettes Imperium bleibt so immer kontrollierbar. Egal ob in einer Stadt eine Rebellion droht, eine Armee von einem feindlichen Zauber gegrillt wurde oder euer Bogenschütze noch schießen kann und ihr es übersehen habt: Man hat alles in einem Blick.

Evolution statt Perfektion
Im Moment habe ich mit Age of Wonders 3 über 70 Spielstunden verbracht. Die schönen Landschaften mit ihrer Postkartenidylle, die hunderten von Truppen und die Vielzahl an Zaubern hat mich in ihren Bann gezogen. Ein Lied aus dem Age of Wonders Soundtrack ist sogar mein aktueller Klingelton.
Doch wo viel Licht da ist auch viel Schatten: Age of Wonders 3 sieht nicht schlecht aus. Aber warum gibt es für jede Klasse nur ein Outfit? Und warum stammen die Texturen für diese Outfits aus den frühen 1990ern? Warum gibt es nur den Krieg als Mittel zum Sieg? Und warum leistet sich eine dermaßen leistungsstarke KI sounglaubliche Patzer in der Diplomatie?

Auch die Kampagne hätte etwas mehr Präsentation vertragen können. Die Sprecher leisten zwar einen guten Job, das täuscht aber nicht darüber hinweg dass die Story sehr flach ist und es an echten Identifikationsfiguren fehlt. Zwischensequenzen sucht man ebenfalls vergebens.

Zugegeben: Das ist letzten Endes Geheule auf hohem Niveau. Aber Age of Wonders 3 ist als Spiel so rund das einem diese Detailmängel noch mehr stören als es bei einem schlechteren Spiel der Fall wäre.
Für alle Rundenstrategen gibt es jedenfalls die praktisch uneingeschränkte Kaufempfehlung mehr Spielzeit pro Euro wird man derzeit nur schwer bekommen.
Und den Jungs und Mädels von Creative Assembly empfehle ich mal Nachhilfe bei den Triumph-Studios zu nehmen. So hat eine KI auszusehen!


Wertung
Pro und Kontra
  • *Auf höheren Schwierigkeitsgraden fordernde KI
  • *Zwei umfangreiche Kampagnen mit jeweils gutem und bösem Ende
  • *Mächtiger Karteneditor und toll einstellbarer Zufallskartengenerator
  • *Detaillierte Landschaft
  • *Hunderte von Einheiten und Zauber
  • *KI schummelt unnötigerweise und versagt in der Diplomatie
  • *Schwach präsentierte Handlung in der Kampagne
  • *Keine Möglichkeit eine Mission über Forschung oder Handel zu gewinnen
  • *Oftmals schwache, niedrig aufgelöste Texturen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(5)
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