Spiel mit Angst, Licht und überflüssigen Specials

Romanautoren haben's auch nicht leicht. Nehmen wir Alan: Er leidet seit Jahren unter einer Schreibblockade, die ihn zum Alkohol und in weiterer Folge zu...

von Richard S. am: 03.01.2014

Romanautoren haben's auch nicht leicht. Nehmen wir Alan: Er leidet seit Jahren unter einer Schreibblockade, die ihn zum Alkohol und in weiterer Folge zu Eheproblemen getrieben hat. Seine Frau möchte ihn zu einem Aufenthalt in der Klinik eines schmierigen Psychologen überreden. Und er muss sich mit einem schießfreudigen FBI-Agenten, der Entführung seiner Frau und von Dunkelheit besessenen Kleinstädtern auseinandersetzen.

Ja, Alan Wake, Protagonist des gleichnamigen Gruselspiels, hat es wirklich nicht leicht.

Zunächst: Der Plot

Dabei beginnt der Urlaub von Alan und seiner Frau Alice so idyllisch: Auf einer Fähre reisen die Beiden in die, von Bergen und Wäldern umgebene Kleinstadt Bright Falls.
Und schon auf der Fähre hat Alan einen Albtraum, der von nahendem Übel warnt und auch gleich grundlegend beibringt, wie man das Böse bekämpfen kann.
Wieder erwacht macht Alan Bekanntschaft mit einigen mehr oder minder schrulligen Einwohnern, während er den Schlüssel zum Ferienhaus abholt, dort angekommen kommt es zum Streit mit seiner Frau - und deren anschließenden Verschwinden.
Dann wacht Alan in einem verunfallten Wagen im Wald auf, ohne zu wissen, wie er dorthin kommt. Nach und nach findet er Seiten eines Manuskripts, dass er offenbar selbst geschrieben hat ... ohne sich daran erinnern zu können. Den Horror, der auf den Seiten beschrieben steht, nimmt Alan zunächst nicht ernst - bis er auf besessene Menschen stößt, die ihm nach dem Leben trachten, und sich die Ereignisse des Manuskripts nach und nach in Echt wiederholen ...

Die, im Format einer Fernsehserie gehaltene, Handlung nimmt schnell an Fahrt auf, und schon nach der ersten Folge stehen ein Haufen Fragen im Raum: Was ist mit Alans Frau passiert? Woher kommt das Manuskript; wieso wird alles, was darin steht, wahr? Was hat es mit der Dunkelheit auf sich? Wer scheint Alan aus dem Hintergrund zu helfen? Und: Warum erinnert sich Alan nicht an die sieben Tage zwischen dem Verschwinden seiner Frau und dem Autounfall?
Fragen über Fragen ... aber die eigentlich spannende Handlung macht einen Fehler: sie liefert alle Antworten, und das gut zwei bis drei Stunden vor dem Ende.
Zwar kommen danach noch ein paar Wendungen, Überraschungen und Dramatik, aber die Motivation sinkt.

Dann: Charaktere

Alan Wake ist größtenteils der übliche Held-wider-Willen, wird aber durch seine Angst und seine Gedankenwelt schnell sympathisch. Die übrigen Bewohner von Bright Falls - wie auch Alans nachgereister Agent Barry Wheeler - haben allesamt ihre eigenen Macken und Schrullen, und die Antagonisten (ja, mehrere) haben alle durchaus ihre Gründe - allerdings hat gerade der von Haus aus unsympathischste Charakter als einziger wirklich nachvollziehbare.

Weiters: Spiel mit der Angst

Die Kämpfe in Alan Wake sind durchaus herausfordernd, so werden die Besessenen allesamt von einer dunklen Aura vor Schaden geschützt, die zunächst mal per Taschenlampe "weggeglüht" werden muss; dazu kommen Munitionsarmut und eine begrenzte Auswahl von Waffen (von denen man nur drei zugleich mit sich führen darf).
Die Waffen sind eigentlich das Übliche, von einer sehr effektiven Leuchtpistole mal abgesehen.

Anfangs schafft es das Spiel, teilweise richtig gruselig zu sein, den Spieler mit Schockmomenten oder aber einfach durch den schieren Überlebenskampf zu ängstigen, wenn man zB unbewaffnet durch einen Wald voller messerwerfender und axtschwingender Irrer laufen muss. Hinzu kommen die spärlich, aber nicht unfair, verteilten Checkpoints - freies Speichern gibt es nicht, was dem Survival-Horror aber auch abträglich wäre.
Was sich die Entwickler aber hätten sparen können, sind die (Glücklicherweise eh seltenen) Autofahrsequenzen. Hackelige Steuerung, ein zwar realistisches, aber äußerst unsympathisches Schadensmodell sowie die offensichtliche Erzwungenheit von Straßensperren zur Begrenzung der Spielwelt verderben bald jeden Spaß, den man an diesen Fahreinlagen haben könnte.

Nebenbei gilt es, die in den abwechslungsreichen Levels verteilten Seiten des mysteriösen Manuskriptes zu sammeln. Was anfangs aber noch Spaß macht (durch die unvollständige Vorhersage gewisser Ereignisse) und zudem der Charakterentwicklung dient (denn ohne Manuskriptseiten wundert man sich teilweise über die Entscheidungen der Charaktere) wird im späteren Verlauf (etwa zwei bis drei Stunden vor Ende) aber immer nebensächlicher und geradezu unnötig. Schade, da hätte man mehr daraus machen können.

Zum Schluss: Bild und Ton ²

Zu Grafik und Sound kommen wir gleich, zuvor aber noch ein weiteres Spielelement von Alan Wake: Überall im Spiel sind Fernseh- und Radiosendungen versteckt. Während Letztere eher nebensächlich sind und nur winzige Hintergründe über aktuelle Vorgänge in der Stadt liefern, sind die Fernsehsendungen durchaus einen Blick (und auch der Suche) wert. Die Hälfte besteht aus Einspielungen der Mysterie-Serie "Night Falls", die neben der Rolle, die sie im Addon "Alan Wakes American Nightmare" spielt, zudem auch eine Anspielung auf die 'reale' Mysterieserie Twilight Zone ist. Interessanter sind jedoch die übrigen Fernsehsendungen: In diesen ist Alan selbst zu sehen, wie er scheinbar im Wahn über das Schreiben einer Horrorstory spricht ...

Nun aber zur Grafik. Da gibt es bei Alan Wake wenig zu meckern, die düsteren Nachtlevels wirken schön stimmungsvoll, nur bei Tageslicht fallen teilweise unscharfe Texturen und Kanten in der Landschaft auf.

Dem Sound gebührt ein besonderes Lob: Neben der stimmungsvollen, unaufdringlichen Musik, sorgen dynamische Soundeffekte für eine noch bessere Gruselatmosphäre. Die deutschen Sprecher sind großteils ganz ordentlich, nur einzeln falsch betonte Sätze oder auch ungraziöse Übersetzungen fallen auf, stehen dem Spiel aber nicht im Weg.

Aber da gibt's ja noch was: Die "Specials"

Auf Konsolen gab's noch zwei Downloadepisoden ("Special Features" genannt), die an das Ende von Alan Wake anschließen; diese sind in der PC-Version von Haus aus enthalten. Wieso ich die extra erwähne? Nun, zum Einen müssen diese extra unter dem Menüpunkt Episoden gestartet werden, weil das Spiel nach dem 'originalen' Ende nicht automatisch mit diesen Specials weitergeht.
Und zum Anderen erwähne ich diese extra, weil sie einen herben Qualitätseinbruch zum "Hauptspiel" darstellen.

Die Levels sind zwar surreal gehalten, aber zur Hälfte einfache Zusammenbauten von Versatzstücken aus früheren Levels. Ergibt zwar auf die Handlung bezogen Sinn, ist aber nicht gerade kreativ. Und wo wir schon bei der Handlung dieser Zusatzepisoden sind ... die ergibt nicht viel Sinn. Das an die 'eigentliche' Handlung geknüpfte Ende wird einfach mal zwanghaft weitergesponnen, dadurch Alans letzte Worte im Hauptspiel ignoriert.
Auch fehlt es an der Balance - die Kämpfe sind teilweise bockschwer (auch auf niedrigstem Schwierigkeitsgrad), teilweise aber auch viel zu einfach (auch auf hohem Schwierigkeitsgrad). Anstatt Survival-Feeling gibt's nun abwechselnd Frust und Langweile.
Weiters fehlt die Suche nach Manuskriptseiten, die Handlung kommt nicht richtig in Fahrt, das erste dieser Beiden Specials ist zu neunzig Prozent überflüssig ... insgesamt sind die Specials ein Schritt zurück gegenüber den vorherigen Levels. Einzig das Ende (auch wenn es dem vorherigen Ende widerspricht) ist gelungen und stellt eine Fortsetzung in Aussicht.

Literaturkritik (=Fazit)

Tja, Alan Wake. Das Spiel hat seine Höhen und Tiefen, seine Macken ebenso wie seine grandiose Handlung (und überflüssige Specials). Wer sich gerne gruselt und ein gutes Survival-Spiel zu schätzen weiß (oder Geschichten über Autoren im Fang ihrer eigenen Schöpfung mag) wird an Alan Wake seine helle Freude haben. Wer dagegen mehr auf Action und große Schlachten aus ist, sollte lieber die Finger davon lassen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Story: nimmt schnell Fahrt auf, motiviert lange...
  • Atmosphäre: durchgehend großartig düster
  • Grafik: detaillierte Charaktere, meist scharfe Texturen
  • Sound: stimmungsvolle Musik und Effekte, großteils gute Sprecher
  • Bedienung: einfache, eingängige Steuerung
  • Abwechslung: verschiedene Schauplätze
  • Story: ... verliert gegen Ende an Fahrt, überflüssige Specials
  • Atmosphäre: -
  • Grafik: vereinzelt unscharfe Texturen
  • Sound: in den Specials gelangweilt klingender Hauptcharakter
  • Bedienung:-
  • Abwechslung: wenige, einander ähnliche Waffen; recycelte Versatzstücke in den Specials

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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