Assassin’s Creed Origins: Von Sandstürmen und Rach

Eins vorweg, diese Fingerübung ist zuerst auf meinem Blog erschienen- Da lass ich mich bisher zwar weniger über Spiele aus, aber was nicht ist...

von Ritter des Herbstes am: 13.11.2017

Eins vorweg, diese Fingerübung ist zuerst auf meinem Blog erschienen- Da lass ich mich bisher zwar weniger über Spiele aus, aber was nicht ist kann ja noch werden.

Es gibt diese Momente, da zweifelt wohl jeder von uns irgendwie an der eigenen Rechtswahrnehmung. Oder der von allen anderen.
Gerade heute, wo man uns das "postfaktische Zeitalter" als etwas Neues verkaufen will, damit aber nur das uralte Spiel zur Hoheit der Wahrheitsdeutung in ein neues Gewandt packt, sind diese Momente bei dem ein oder anderen vielleicht sogar häufiger.
Einen solchen Moment hatte ich, nachdem ich den ersten Test zu Assassin’s Creed Origins gelesen hatte.
Und dann den Zweiten. Und den Dritten.
Ich schiebe das gleich voraus: Ich bin kein Freund von dem Spiel.
Trotzdem habe ich es, das heißt, seine Hauptstory, durchgespielt, was für mich keine Selbstverständlichkeit ist.
Laut Uplay hat mich das Spiel 38 Stunden Lebenszeit für eine Vervollständigungsrate von 77%  gekostet.
Damit bin ich aber noch billig davon gekommen, denn meine Avatare haben in dieser Zeit 441,7 km zurücklegen dürfen, und uns sind 1748 virtuelle Personen zum Opfer gefallen.
Statistiken sind was Feines, oder?
Das ich trotz des Umstandes, dass ich mich große Teile dieses Abenteuers gelangweilt, geärgert und häufig einfach verarscht gefühlt habe doch durchbiss, ist der Grund, warum ich diese Zeilen schreibe.
Oder andersherum, vielleicht hab ich's auch nur durchgespielt, um darüber zu schreiben, Wer weiß das schon?
In diesem Sinne hoffe ich, dass das hier niemand als schnell dahin geschriebenen, postfaktischen Hate abtut, sondern als kritischer Blick auf ein Produkt, dass ich für maßlos überschätzt halte und hoffe, wir können in der Kommentarspalte rege diskutieren.
Und nie vergessen: Nichts ist wahr, alles ist erlaubt.

Am Anfang war die Ratlosigkeit, dann der Wunsch, wieder Ratlos zu sein.

Ich habe ehrlich gesagt ewig darüber nachgedacht, wie ich diesen Test anfangen sollte, und kam zu dem Schluss: "Warum nicht am Anfang?"
Dann kamen 250 Worte Einleitung dazwischen und- ach, was soll's?
Wir beginnen in der Haut von Bayek von Siwa, einem ägyhptischen Medjau, der einem Kerl eine Maske, in der ein Messer steckt aufsetzt.
Bevor jetzt jemand kreativ wird: Nein, Ziel der Übung war kein ulkiges Einhornkostüm.
Sobald dies getan ist wechselt das Spiel völlig nachvollziehbar die Szene: Eine Ruine im Sandsturm, wir, also Bayek, im Kampf mit einen gigantischen Typen mit ebenso gigantischen Streitkolben, seines Zeichens wohl der Bodygard des im Intro Dauermaskierten.
Sprunghafte Einstiege sind sicher nicht jedermanns Sache, aber ich bezweifel ehrlich gesagt, dass hier irgendjemand kein Fragezeichen im Gesicht hatte.
Nun, der scheinbar nicht sonderlich fähige Leibwächter entpuppt sich auch als nicht sonderlich gnadenloser Rächer, sodass uns das Spiel an ihm die Grundfunktionen seiner neuen Kampfmechanik beibringt.
Dazu später mehr.
Nachdem der Recke gefallen (also, wortwörtlich, im Laufe des Kampfes bricht der Boden unter unseren Füßen weg) und besiegt ist finden wir uns in einem Grab wieder, aus dem wir uns nun einen Fluchweg suchen (und dabei die grundlegende Bewegungssteuerung lernen) müssen. (Auch dazu später mehr)
Wieder an der frischen Wüstenluft geraten wir just in einen Kampf zwischen weiteren tapferen Ex-Leibwächtern und einem alten Freund, der uns im Falle des Sieges in unser Heimatdorf, das oben erwähnte Siwa eskortiert und dort auf die Fährte eines weiteren Bösewichtes setzt und, wichtiger, uns mit Senu, unserer getreuen Habichtadlerdame vereint.
In der folgenden Stunde erkunden wir Siwa und Umland und finden den üblichen AC Status vor:
Unterdrückte Bevölkerung, böse Besatzungstruppen in Lagern, Nebenaufgaben, Sammelobjekte und Aussichtspunkte.
Was zum Teufel hier eigentlich los ist und warum unser Protagonist so schlecht gelaunt ist, verrät uns in dieser Phase niemand, was zumindest bei mir zu hochgezogenen Augenbrauen geführt hat.
Sobald wir die beiden Haupt-Nebenaufgaben erledigt und uns soweit gefestigt fühlen, den Bösewicht von Siwa auf Pre-Assassinenart zu entmachten, tuen wir dies, und bekommen zur Belohnung einen Rückblick präsentiert, der etwas Licht ins Dunkle bringen könnte: Kurz und bündig, und ich hoffe ich spoiler damit niemanden zu heftig: Unser Sohn wurde von einer Gruppe maskierter Kerle, die von uns durch eine geheimnisvolle Türe gelotst werden wollen, ermordet.
Wobei, eigentlich nicht so wirklich:
Bayek stürzt während eines verzweifelten Fluchtversuch mit einem Messer in den Jungen.
Und hier verlor mich das Spiel für die nächsten zwanzig Stunden.
Die Szene ist grotesk albern, und ehrlich gesagt wundere ich mich, dass sie noch kein Meme geworden ist.
Weniger aus Spoiler- sondern mehr aus Gründen der technischen Unfähigkeit füge ich sie hier nicht als gif ein, allerdings sollte sie nicht sonderlich schwer auf den einschlägigen Videoformaten zu finden sein.
Deswegen: Weiter,  Handlung und so.

Wir, die wir vor der Geschichte stehen, sind verdammt sie zu wiederholen

In Assassin' Creed Origins schlüfen wir in die Haut von drei Personen:
In der Gegenwart die mit ihrer Anstellung bei Abstergo Industries ( Für Neueinsteiger, das sind die Bösen in der Gegenwart) nicht so zufriedene Layla Hassan, die ihr eigenes kleines Animusprojekt (nochmal für Neueinsteiger, dass sind die Geräte, mit denen man durch Gene die Vergangenheit simulieren kann) in einer Höhle irgendwo in Ägypten durchführt, unseren bereits bekannten Freund Bayek und seine Frau Aya.
Alle drei haben ein Leitmotiv: Rache.
Layla fühlt sich von ihrem Arbeitgeber zunächst unfair behandelt und... bekommt im Laufe des Spiels einen handfesteren, wenn auch nur wenig besser aufgebauten Grund mit diesem zu brechen, Bayek und Aya werden von dem Verlust ihres Sohnes angetrieben.
Wer schon mal in ein Assassins Creed reingespielt hat, wird diesen Antrieb wohl wiedererkennen: Den teilen sie sich nämlich mit fast allen ihrer Spielbaren Vorgängern und geschichtlichen Nachkommen.
Das ist nicht schlimm, ehrlich.
Rachegeschichten sind großartig.Einige meiner Lieblingsfilme und -spiele erzählen Rachegeschichten.
Die sind aber besser geschrieben.
Es tut mir leid, aber emotionale Bindung, auch, oder gerade, zu einem Videospielekind entsteht nicht in 15 Minuten.
Dass ACO das zweimal in seiner Hauptstory versucht lässt mich ehrlich gesagt an der Kompetenz der Autoren zweifeln.
Und das ist Schade, weil die Ansätze durchaus da sind: Bayek, der von seiner Rache aufgefressen wird und sich ihr trotzdem hingibt, weil er so vor seinen Schuldgefühlen zu fliehen versucht, Aya die ihren Rachedurst im Dienste einer höheren Sache zu stellen versucht, nur um bitter enttäuscht zu werden und die Entfremdung, die sich zwischen den beiden Aufbaut.
Leider wird hier nur an der Oberfläche gekratzt.
Und, auch wenn mir diese Formulierung nicht gefällt, selbst für ein Videospiel wir dabei Potential hinten und vorne verschwendet.
Darum herum finden wir wieder die Klassiker der Serie: Berühmte Persönlichkeiten als Wegabschnittsgefährten und Erinnerungen an die Vorläuferzivilisation, denn ja, auch Sci- Fi-Elemente finden sich am Rande der Erzählung.
Dem aufmerksamen Leser wird an dieser Stelle aufgefallen sein, dass ich Layla etwas stiefmütterlich behandelt habe.
Das liegt daran, dass  das auch die Storyautoren taten.
Meinem Gefühl nach war hier ursprünglich mehr geplant- und nach allem, was man so liest ist Layla durchaus darauf angelegt, der Gegenwartsprotagonist des nächsten Serienabschnittes zu werden.
Dummerweise wurde das wohl irgendwann vergessen, denn alle vier Storyabschnitte in der Gegenwart sind kurz und nur in einem wirkt sie ansatzweise menschlich.

Ein Medium zum Erleben muss ja nicht nur erzählen

Aber wir sind ja nicht beim Film oder im Buch, sondern im Spiel: Also, was spielt man denn so?
Hauptsächlich Bayek, Aya ist nur in instanzierten Storymissionen steuerbar (eine merkwürdige Entscheidung, weil sie meiner Meinung nach die charismatischere Figur ist. Etwas mehr Flexibilität hätte ich mir hier gewünscht, wenn schon nicht die totale Freiheit wie in Syndicate drinnen gewesen wäre.) Layla wie beschrieben ebenso.
Bayek wiederum reist durch das alte Ägypten, dass heißt einige Jahrzehnte v. Chr.g (oder, wie das Spiel es ausdrückt: "vor unserer Zeit", was scheinbar eine mehr oder weniger etablierte, religionsneutrale Version davon ist) und erledigt dabei allerlei Dinge in allerlei Szenerie.
Wobei "allerlei Dinge" hauptsächlich "kämpfen, reiten klettern und looten" bedeutet.
In alter Tradition der Serie sind die Landschaften in Origins wunderschön. Egal ob diverse Wüstenabschnitte, Oasen, Metropolen oder die legendäre Totenstadt von Gizeh mit ihren Pyramiden, das Spiel glänzt hier eindeutig.
Weniger glänzt es in seinen Mechaniken.
Es gibt drei Motivationen, etwas in der Welt zu unternehmen: Reisen, Aufgaben erledigen, und Craftingmaterialen Sammeln.
Reisen ist notwendig, da die Schnellreisepunkte im Vergleich zu vorherigen Teilen sehr sparsam gesetzt wurden und natürlich erst freigeschaltet werden müssen. Quests sind... von wechselnder Qualität geschrieben, lassen sich aber in typische MMO-Aufgaben einteilen: "Gehe hin und töte.... gehe zu ... bringe... verbrenne...befreie...eskortiere".
Für besiegte Gegner und erledigte Aufgaben gibt es Erfahrung, durch diese steigen wir auf und werden stärker, zäher und können Fähigkeiten freischalten, etwa Feuerbomben werfen oder eine Schildparade.
Außerdem gibt es zwei Arten von Ausrüstung: Waffen und Grundausrüstung.  Erstere haben wie in einem ordinären Rollenspiel ein Level und Qualitätsstufen, Teilen sich in Bögen und Nahkampfwaffem auf und splitten sich dann nocheinmal in diverse Untergattungen: So gibt es leichte Bögen, die wie Schnellfeuerwaffen funktionieren, aber kaum Schaden machen, Präzisionsbögen, die hart treffen, aber kaum Munitionskapazität mitbringen oder den Kriegsbogen, quasi eine Schrotflinte, die mehrere Pfeile gleichzeitig abfeuert, aber stark streut, bzw. simple Schwerter, Äxte oder Streitkolben.
Während diese Waffen beim Händler gegen Draken, die Ingamewährung aufgewertet werden können, muss die Grundausrüstung mit Ressourcen verbessert werden.
Insgesamt gibt es davon sechs Arten: Bronze, Eisen, Holz, leichtes und dickes Leder sowie Pelz. Holz und Mineralien erbeutet man von gegnerischen Eskorten, (das heißt, drei berittene Soldaten), den Rest von Tieren.
Und meine Fresse, was für Tiere. Und was für Unmengen.
Mir ist schleierhaft, wirklich schleierhaft, wie Ubisoft es immer noch für elementar zu halten scheint, bedrohte Tierarten in Massen schlachten zu lassen.
Pelz gewinnt man ausschließlich von Großkatzen, dickes Leder von Krokodilen und Flusspferden.
Damit wir uns richtig verstehen, wir sprechen hier nicht von ein oder zwei Pelzen.
Leider habe ich keine konkreten Zahlen finden können, aber ich schätze, mit 400 Tieren würde man noch vorsichtig kalkulieren.
Hier stört mich nicht mal die Methaper so sehr- Jagt in ACO ist einfach nicht spaßig.
Das hängt unter anderem mit dem Kampfsystem zusammen, das... nun, am ehesten an ein Dark souls light erinnert.
Mit schlechten Hitboxen stunlookanimationen und schwerer Lesbarkeit.
Das Klettersystem ist im Vergleich zum Vorgänger wieder zum Ein-Tasten-Klettern simplifiziert worden.

Pay to pay?

Vom Carfting aus muss es angesprochen werden, die Mikrotransatkionen.
Es gibt davon zwei Arten, sogenannte Zeitersparnisse und Ausrüstung.
Unter Ausrüstung finden sich Kostüme und Waffen, unter Zeitersparnissen Ressourcen, Fähigkeitspunkte, Boosts und Karten.
Bezahlt wird nicht direkt, sondern über eine Zwischenwährung, die sogenannten Helix-Credits.
Nein, keines der Angebote ist notwendig, um auch nur einigermaßen durch das Spiel zu kommen.
Doch, ihre Existenz ist spürbar, diskussionswürdig und sollte eine 90er Wertung eigentlich ausschließen.
Warum?
Weil, meiner Meinung nach, diverse Dinge im Spiel sind wie sie sind, weil es den Shop gibt.
Nur so ist für mich der Hunger des Craftingsystems erklärbar.
Nur so verständlich, warum das Verbessern von Waffen absurde Kosten annimmt.
Und nur so erklärbar, wie die Angebote von Ingamehändlern aussehen.
An dieser Stelle seien die begrenzten Farben von erwerbbaren Reittieren genannt. Und ja, noch sind diese auch nicht im Echtgeldshop zu finden, was für mich aber nur eine Frage der Zeit ist.

Fazit

Wahrscheinlich ist ACO gar kein schlechtes Spiel.
Allerdings ist es auch weit davon entfernt, dass großartige Spiel zu sein, als dass es momentan behyped wird.
Ohne Zweifel hat es immer wider diese Momente, wo es wirklich glänzt, diese stehen aber leider soviel Einheitsbrei und solch groben Schnitzern gegenüber, dass mein Urteil wie folgt aussieht:
4 von 10 weinenden Schriftsteller aus der großen Bibliothek von Alexandria für Story und Figuren.
9 von 10 Weltwundern, weil, hui, kann das hübsch sein.
5 von 10 Recken und Jäger für die Spielmechanik.



Wertung
Pro und Kontra
  • Schöne Kulissen...
  • Die Idee des Erkundungsmodus könnte das Medium nach vorne bringen
  • Keine gravierenden Bugs
  • ...gefüllt mit mäßigem Content.
  • Verschenktes Storypotential
  • Grindelemente mit Echtgeldzeitersparnissen
  • Kampfsystem nicht ausgereift

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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