Adalbert goes to Hell, tomorrow

Adalbert zertrümmerte mit einem gewaltigen Schlag den Schild des Orks vor ihm. Seine Axt traf nun zum dritten Mal auf das stümperhaft...

von Motoer am: 03.07.2017

Adalbert zertrümmerte mit einem gewaltigen Schlag den Schild des Orks vor ihm. Seine Axt traf nun zum dritten Mal auf das stümperhaft zusammengeschusterte Weidenholz und schließlich gab das Flechtwerk nach. Der Ork hatte nur noch die Lederriemen am Arm von denen einige Holzreste herabbaumelten und seine bei den Schlägen vorher zu beobachtende Unsicherheit wechselte abrupt zu Panik. Er wand sich im verzweifelten Versuch zu fliehen um, aber in der ersten Reihe eines Schildwalls lässt es sich nicht einfach so loslaufen. Man bleibt teil der Choreografie oder stirbt. Oftmals beides. Auf diesen Moment hatte Bjorn nur gewartet. Kaum war der letzte Schlag Adalberts verhallt, stieß der blonde Riese sein Langschwert vor und erwischte die Grünhaut an der Schulter. Die Klinge rutschte ab und borte sich letztendlich in den Hals und da war sie endlich, die Lücke im gegnerischen Schildwall. 
Adalbert war kein Held, er hat seine Frau bei einem seiner unzähligen Wutanfälle erdrosselt und sich einer Söldnerschar angeschlossen. Den "Fluffy Pink Smelling Rainbow Hunting Unicorns". Es gab in dieser Kompanie nicht viele Regeln. Aber eine ernstzunehmende lautete: "Frag nicht nach gestern und warte nicht auf ein Morgen!" was in etwa bedeutete, das die Vergangenheit eines jeden keine Rolle spielte und ein jeder nicht zwingend mit einem nächsten Tag zu rechnen hatte. 
Vor allem in meiner Kompanie. Zwar sind die F.P.S.R.H.U`s schon meine zweite Einheit in „Overhype Studios“ Erstlingswerk "Battle Brothers", aber die Lebenserwartung, gerade der Frischlinge, ist nicht allzu hoch. Wie auch, wenn die Halsabschneider von Händler in der letzten Stadt 500 Kronen für eine zusammengeleimte und verrostete Armbrust wollen? Dann muss mein Neuzugang eben ohne Waffe in seine erste Schlacht. Aber von vorne. 

Battle Brothers

Was es ist:

- eine rundenbasierte taktische Gefechtsfeldsimulation in einem "open World" Fantasy/Mittelalter - Szenario mit RPG und Management Elementen


- niedlich 
- hart
- befriedigend
- herausfordernd



Nach einer Einführungsschlacht finden wir uns zu dritt mit Startkapitel auf einer prozedural generierten Karte wieder. Anfänglich heuern wir in Dörfern und Städten Krüppel, Bettler, Eunuchen (leider keine Unbefleckte), Fischer, Tagelöhner und anderes Gelumpe an. Später leisten wir uns erfahrene Karawanenbegleiter, Deserteure, ausgestoßene Adelige und anderes Gelumpe. Diese munteren Gesellen statten wir mit dem billigsten Ramsch an Ausrüstung aus und hoffen, dass sie nicht gleich bei der ersten Schlacht ins Gras beißen. Hierbei lohnt es sich, die einzelnen Charaktere nach jeder Schlacht zu begutachten. Es tauchen nach und nach neue Charaktereigenschaften auf, die Einfluss auf das Kampfverhalten haben. Überhaupt hat das dreiköpfige Hamburger Studio bei den Charakterbögen wirklich gute Arbeit geleistet. Zwar gibt es die klassischen RPG Werte Lebenskraft, Offensive und Defensive (Nah- und Fernkampf), Moral, Mut (eher Kampfeswille/Nerven aus Stahl oder Blei) und Ausdauer. Aber mir scheint, alles steht und fällt mit der Ausdauer. Den schon nach wenigen Runden in der Schlacht ist Schluss mit: „Ach ich klick auf Schildwall bilden, bei nicht getroffenen Schlägen zurückschlagen und noch einmal auf Schwertstreich“, denn dann hechelt Adalbert schon längst aufgrund fehlender Ausdauer nur noch vor sich hin und befindet sich in der Defensive. Wenn der Ausdauerbalken einmal gefüllt, ist Schluss mit taktischer Vielfalt. In meinen Augen ein sehr gelungenes Balancing. Daher versuche ich bei jedem Stufenaufstieg (falls es doch ein Morgen gibt) die Ausdauer wachsen zu lassen. Bei jedem Stufenaufstieg ist immer vorgegeben, um wie viele Punkte ein Charakterwert steigen wird. Und die sind unterschiedlich. Logisch, dass wenn ich meine Moral um 5 Punkte steigern kann, ich dass auch tue, bevor ich nur einen Punkt Zuwachs bei Lebenskraft erhalte. Warum ich hierbei eingeschränkt oder angeleitet werde eröffnet sich mir allerdings nicht. Neben den Charakterwerten suche ich mir pro Stufenaufstieg auch einen Perk aus. Diese sind vielseitig und ergänzen meine sich individuell entwickelten „Gängmitglieder“ sinnig.

Steht die Kompanie nach der ersten Anwerbungswelle angetreten vor mir auf dem Anger irgendeines Kaffs im Nirgendwo möchte ich den Haufen dann doch gleich wieder in „Volksfront“ umbenennen. Aber nun gut, Alexander der Große hat auch klein angefangen (Hat er nicht, er war ein reicher Emporkömmling dem alles in den Schoß gelegt wurde). 
Auf der Weltkarte suche ich nach Auftraggebern in Dörfern und Städten oder erkunde blinde Flecken auf der Karte nach Räuberunterschlupfen und Orklagern. So steige ich nach und nach im Ansehen der Fraktionen und meine Reputation als "Sword for hiring" verbessert sich stetig. Ich kann in Fischerdörfern Bernstein kaufen (wo kommen die Entwickler her? Ah, von der Waterkant) und ihn in der Stadt im Wald mit kleinem Gewinn wieder veräußern. Ich kaufe Verbandsmaterial und Meduzin. Munition für meine Fernkampfwaffen und Werkzeuge um die Ausrüstung in Stand zu halten. Außerdem sorge ich für Proviant, der auch noch unterschiedlich lang haltbar ist. Es ist also schon einiges an Komplexität da. Die Karte ist ausreichend groß und ergibt einen guten Sandkasten. Hier und da werde ich unterbrochen und das Spiel erzählt mir kleine Geschichten die in Abhängigkeit von Gegenständen in meinem Inventar mit dem passenden Söldnern (z.B. ehemaliger Schneidermeister) mir Entscheidungen abringen (Spoiler: Fütter nicht den Hund!!!). 
Die Gefechte sind eine riesen Gaudi. Hier habe ich die Wahl ob ich meine Jungs alle individuell auf den Feind losstürmen lassen will (wobei voraussichtlich alle sterben) oder ich einen Schildwall bilde, bei dem ich die Flanken mit Speerträgern schütze, während meine Armbrust- und Bogenschützen von hinten über die Helme (oder stinkende Lumpenwickel) meiner Kampflinie ihre Bolzen und Pfeile feuern (Juchuuh, es gibt friendly fire).
Nur zur Warnung. Permadeath gehört bei diesem Spiel zum Konzept. Zwar speichert das Spiel vor einer Schlacht ab und ich habe meist auch die Möglichkeit meine Troops schadenfrei zurückzuziehen wenn ich einen Kampf vermeiden will, aber auf diesem Weg einen Spielstand zu laden ist mühselig. Und so gilt es auszuhalten wenn der erste Orkangriff den Schild zerschlägt (Ja, der ist dann wirklich hin), auf den ich so lange gespart habe oder Gott bewahre, sogar Adalbert absolut verdient aufgeschlitzt wird und endlich zur Hölle fährt. In manchen Missionen gibt es Kopfgeld. Und die meinen tatsächlich Kopfgeld. Ich fiebere also regelrecht mit, wenn die Köpfchen der kleinen 2-D Männchen in Monty Python Manier durch die Luft wirbeln. Und nach dem Kampf wird gelootet. Was auch dringend nötig ist. Von Wertgegentänden über Waffen, Schilde und Rüstungen, man kann gerade in den ersten Tagen alles gebrauchen. Und wie gesagt, nach jedem Kampf die Chars ckecken. Vielleicht ist Gustav, dein Sniper, ja auf dem Schlachtfeld halb erblindet. Tja. Was macht man dann mit Gustav. Gleich raus schmeißen oder in der nächsten Schlacht individuell auf den Feind losstürmen lassen?!

Nein, das Söldnerleben ist in Battle Brothers wahrlich kein Spass. Aber es bereitet Spass. Kein anderes Spiel (auch kein Blockbuster) hat mir in den letzen Wochen so viel davon beschert wie dieses Goldstück.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(6)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.